Bahnhofsvorstadt. Käthe Popall (1907-1984) und Maria Krüger (1907-1987) sind in der NS-Zeit als Widerstandskämpferinnen verfolgt worden. Die Geschichte der beiden Bremer Politikerinnen ist geprägt von Heldinnenmut, Verrat und Enttäuschungen. In der szenischen Lesung "Man glaubte 1933 nicht an zwölf Jahre Hitler" wird morgen, 12. Februar, um 17 Uhr im DGB-Haus am Bahnhof an Käthe Popall und Maria Krüger erinnert.
Dass die Lebensgeschichten dieser beiden Politikerinnen aufgezeichnet worden sind, ist Jörg Wollenberg zu verdanken. "Ich bin Ende der siebziger Jahre an die Bremer Universität gekommen, dort habe ich mich im Rahmen eines Forschungsprojekts mit der Geschichte der Arbeiterbewegung befasst", sagt der emeritierte Schwachhauser Professor. "Ich bin auf die Namen der beiden Frauen gestoßen und habe mich mit den beiden in Verbindung gesetzt." Beide seien sehr herzlich und sehr gebildet gewesen.
Käthe Popall lebte damals im Saarland. "Wir haben sie dann nach Bremen holen können und sie blieb dann auch in Bremen, aber leider starb sie schon 1984", sagt Wollenberg. Die Zeitzeugin hatte Tagebuch geführt, ein Glücksfall für die Forscher. "Sie hat fein säuberlich geschrieben und unwahrscheinlich intensiv daran gearbeitet", sagt der Professor. 1982 hatten die beiden Frauen an einer Zeitzeugenrunde im DGB-Haus teilgenommen. Die jeweils 20-minütigen Mitschnitte werden am Mittwoch zu sehen sein. "Kommentiert von mir und mit Texten versehen, die von einem Schauspieler vorgetragen werden", sagt Jörg Wollenberg.
Die Lebensgeschichten der beiden seien an Tragik kaum zu überbieten. Die beiden seien nicht nur von Spitzeln und Denunzianten, die sie in Haft brachten, verraten worden, sondern auch von ihren ersten Ehemännern und den Parteien, denen sie angehörten, im Stich gelassen worden.
Käthe Popall, geborene Fürst, wurde 1907 in Bremen geboren. In der Neustadt erinnert heute eine Straße an sie. Die Arbeitertochter aus sozialdemokratischem Hause arbeitete unter anderem in der Jutespinnerei und kämpfte in der RGO (Revolutionäre Gewerkschaftsopposition) für bessere Arbeitsbedingungen. Der Leiter der RGO war Hannes Koschnick, der Vater des ehemaligen Bremer Bürgermeisters Hans Koschnick.
Als Hitler an die Regierung kam, tauchte die junge Frau in Berlin unter und organisierte zusammen mit Robert Stamm die illegale Reichsleitung der KPD. "Durch einen Spitzel flogen die beiden auf und wurden wegen Vorbereitung von Hochverrat angeklagt", sagt Wollenberg. Zwei Jahre dauerte der Prozess, an dessen Ende Robert Stamm zum Tode verurteilt wurde und Käthe Popall zu zwölf Jahren Zuchthaus. "Während des Prozesses ließ sich ihr Mann scheiden", sagt Professor Wollenberg. "Das war etwas, was ihr unheimlich weh getan hat." Sie habe ihn nie wieder gesehen. Käthe Lübeck sei in das Arbeitslager Jauer in Schlesien gekommen. Nach ihrer Befreiung durch die Sowjetarmee habe sie sich zu Fuß nach Bremen durchgeschlagen und dabei ihren späteren Ehemann Reinhold Popall getroffen.
Zurück in Bremen wurde sie 1946 in den Senat gewählt und übernahm das Gesundheitsamt. Doch die Ärzte weigerten sich mit ihr als Frau und Kommunistin zusammenzuarbeiten. Aus dieser Zeit stammt auch ein Briefzitat von Käthe Popall vom 7. Juli 1946: "Vorige Woche bekam ich Bescheid, ich solle am Donnerstag, als erste weibliche Abgeordnete in der Bürgerschaft sprechen. Thema: Prostitution. Kannst du dir denken, wie mein Herz geklopft hat?"
Als es KPD-Mitgliedern verboten wurde, Senatorinnen zu sein, schied Käthe Popall aus dem Amt aus. Ihr Mann wurde aus der KPD ausgeschlossen, und die beiden gingen ins Saarland.
Ähnliche Enttäuschungen erlebte Maria Krüger, geschiedene Bücking, geborene Fraedrich. Die Tochter des Horner Pastors Gustav Fraedrich war in erster Ehe verheiratet mit Klaus Bücking, einem von drei Bücking Brüdern, die alle Kommunisten waren und schon vor 1933 den Widerstand gegen die Nazis in Bremen mit aufbauten. Auch Maria Krüger engagierte sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Jute und trat der KPD bei. In der Jute lernte sie die spätere Käthe Popall kennen.
"Ihr Mann wurde mehrmals verhaftet und wurde in der Haft zu einem Nazi", sagt Professor Wollenberg. "Das war für sie besonders schlimm und sie trennte sich sofort von ihm." Die Bremerin wurde verhaftet und verbüßte ein Jahr Haft in Hamburg. 1943 heiratete sie den Kommunisten Werner Krüger. Nach dem Krieg war sie unter anderem am Aufbau der "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" beteiligt. Von 1951 bis 1959 war sie Bürgerschaftsabgeordnete, und sie gründete den Bremer Frauenausschuss mit.
Die szenische Lesung am Dienstag, 12. Februar, um 17 Uhr im DGB-Haus am Bahnhof, gehört zur Gedenkreihe "27. Januar" und zur Veranstaltungsreihe "Dämmerstunde des Vergessens – Bremen vor 80 Jahren im Spiegel der Akten und Zeitzeugen". Näheres im DGB-Haus unter 335760.