Wie gravierend sind die Probleme, die sich durch das 100-Millionen-Euro-Loch im Landeshaushalt 2022 ergeben? Am Mittwoch gingen in der Bürgerschaft die Meinungen in dieser Frage weit auseinander. Während die Opposition aus CDU und FDP diverse Projekte vor allem im Wissenschaftsbereich in Gefahr wähnte, beschrieben Sprecher der rot-grün-roten Regierungsfraktionen die aktuelle Debatte als Sturm im Wasserglas.
Hintergrund der Aussprache war die Ankündigung der Finanzbehörde, eine sogenannte globale Minderausgabe von 100 Millionen Euro im laufenden Haushaltsjahr frühzeitig abbauen zu wollen. Unter dem Begriff versteht man einen im Etat eingeplanten Fehlbetrag, der im Laufe des Jahres durch Streichen, Strecken und Verschieben geplanter Maßnahmen noch ausgeglichen werden muss. In der Aktuellen Stunde, die von den Christdemokraten beantragt worden war, ging es vor allem um folgende Frage: War die globale Minderausgabe zu hoch angesetzt, sodass es nun durch die notwendigen Einsparungen zu Problemen kommt und geplante Vorhaben zurückgestellt werden müssen?
Jens Eckhoff (CDU):
Der Haushaltspolitiker der Christdemokraten sah das so. Er verwies auf die vergangenen Haushaltsjahre, in denen schon weit niedrigere globale Minderausgaben Schwierigkeiten bereitet hätten. 2020 etwa habe der Senat zur Deckung eines Fehlbetrags von 45 Millionen Euro den Klimatopf innerhalb des Landeshaushalts anzapfen müssen. Nun sei das Problem viel größer. "Sie haben sich verzockt", bescheinigte Eckhoff der Koalition. Besonders peinlich sei das Hin und Her bei den Ausgaben für die Wissenschaft. Bereits im vergangenen Jahr habe die Koalition diesen Einzeletat deutlich zur Ader lassen wollen, später seien diese Pläne abgemildert worden. Nun kämen erneut Kürzungspläne für die Hochschulen auf den Tisch. Eckhoff griff in diesem Zusammenhang den Finanzsenator scharf an. "Sie haben die Menschen bewusst angelogen", sagte der CDU-Haushälter an die Adresse Dietmar Strehls.
Arno Gottschalk (SPD):
Aus Sicht des finanzpolitischen Sprechers der Sozialdemokraten produzierte Eckhoff mit seinen Attacken nur heiße Luft. Das haushaltstechnische Instrument der globalen Minderausgabe sei weder neu noch unseriös. Es wirke vielmehr disziplinierend auf die Senatsressorts, wenn diese wüssten, dass sie im Verlauf des Haushaltsjahres noch Mittel einzusparen hätten. Die jetzt zu bewältigenden 100 Millionen Euro machten zwei Prozent des Haushalts aus. Dieses Volumen sei zwar kein Klacks, aber durchaus zu bewältigen.
Klaus-Rainer Rupp (Linke):
Ganz ähnlich argumentierte der Finanzpolitiker der Linken. Er bezeichnete es als grundsätzlich sinnvoll, sich in den Senatsressorts mehr Projekte vorzunehmen, als man am Ende des Jahres tatsächlich abhaken kann. Manches lasse sich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht realisieren. Eben deshalb sei es auch vernünftig, von Anfang an einen Fehlbetrag in den Haushalt einzustellen, der die ausbleibenden Kosten für nicht zustande gekommene Projekte berücksichtigt. Auch andere Bundesländer praktizieren dies laut Rupp so.
Thore Schäck (FDP):
In der geplanten Höhe von 100 Millionen Euro sei die globale Minderausgabe im Haushalt 2022 "kein Ausdruck solider Finanzpolitik", urteilte FDP-Haushälter Thore Schäck. Die politische Debatte, wo gespart werden muss, werde auf diese Weise lediglich in die Zukunft verlagert, statt sie schon im Moment der Haushaltsaufstellung zu klären. Schäck beklagte, dass nun ausgerechnet in Bereichen wie Wissenschaft und Häfen gekürzt werden soll, wo Investitionen dringend notwendig seien.
Björn Fecker (Grüne):
"Wir wollen den Wissenschaftsstandort nicht schädigen", versicherte der finanzpolitische Sprecher der Grünen. Er wolle nicht verhehlen, sagte Fecker, dass es "eine Herausforderung" sei, im laufenden Haushalt 100 Millionen Euro einzusparen. Es gebe nichts zu bagatellisieren. Er gehe aber davon aus, sagte Fecker, dass der Senat und die Koalitionsfraktionen bei den anstehenden Kürzungen zu gemeinsamen Lösungen kommen.
Dietmar Strehl (Finanzsenator):
"Wir haben das Thema nicht verheimlicht", nahm der Finanzsenator für sich in Anspruch. Der Grünen-Politiker wies darauf hin, dass Bremen haushaltspolitisch noch nicht wieder in normalem Fahrwasser angekommen sei. Die Lasten der Corona-Krise und neuerdings auch die Folgekosten des Ukraine-Kriegs machten sich bei den Ausgaben bemerkbar. Eine globale Minderausgabe in Höhe des zwei Prozent des Haushaltsvolumens sei vertretbar.