Probleme in die Zukunft zu verschieben, ist selten eine gute Idee. Meist verschärfen sie sich, je länger man sie verdrängt. Diese Erfahrung macht gerade der Bremer Senat. In der Finanzpolitik gibt es verschärften Handlungsbedarf, denn der Landeshaushalt 2022 droht aus den Fugen zu geraten – und keiner der Verantwortlichen kann behaupten, er habe dies nicht kommen sehen.
Ausgaben von rund fünf Milliarden Euro sieht das Zahlenwerk vor, das die rot-grün-rote Bürgerschaftsmehrheit im Dezember 2021 beschlossen hatte. Die Einnahmen liegen um rund 100 Millionen Euro unter diesem Niveau. Da Haushaltslücken wegen der seit 2020 geltenden Schuldenbremse nicht mehr einfach durch Kredite abgedeckt werden dürfen, setzte der Senat in das Zahlenwerk kurzerhand eine sogenannte globale Minderausgabe ein. Das bedeutet: Die 100 Millionen müssen bis zum Jahresende bei laufenden Ausgaben und Investitionen irgendwie eingespart werden, damit die Rechnung aufgeht und der Haushalt nicht ins Minus rutscht.
Das finanztechnische Instrument der globalen Minderausgabe ist durchaus kein Taschenspielertrick. Erfahrungsgemäß bleibt am Ende eines Haushaltsjahres immer Geld übrig, weshalb es durchaus in Ordnung ist, hierfür einen realistischen Wert anzusetzen und schon bei der Haushaltsaufstellung zu berücksichtigen. Mit Realismus haben die 100 Millionen Euro allerdings nichts zu tun. Sie sind deutlich zu hoch gegriffen, ein solcher Betrag lässt sich nicht einfach aus absehbaren Haushaltsresten zusammenfegen. In der Finanzbehörde hat deshalb das große Muffensausen eingesetzt. Schriftlich wurden die Ressorts aufgefordert, aus ihren Einzeletats schon jetzt bestimmte Sparbeiträge zu erbringen, also ziemlich früh im Haushaltsjahr.
Das Quotensystem, das dabei zugrunde gelegt wurde, trifft den Wissenschaftshaushalt am härtesten, und das ist wirklich töricht, denn der starke Hochschulstandort ist Bremens Lebensversicherung. Es gibt hier in vielen Bereichen exzellente Forschung und Lehre, die die Grundlage für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze und damit auch Steuereinnahmen schaffen. Aus genau diesem Grund war den Bremer Hochschulen im Wissenschaftsplan 2025 ein Wachstumspfad in Aussicht gestellt worden. Diese Perspektive hat sich zwischenzeitlich bereits erledigt, da in den Haushalten 2022/23 nur die Mittel für den Erhalt bestehender Standards abgesichert sind. An dieser Stelle jetzt weitere 24,5 Millionen Euro abzwacken zu wollen, verbietet sich eigentlich von selbst.
Aber wo dann? Nun, Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hatte bei der Präsentation des Haushaltsentwurfs im August 2021 angekündigt, man werde "auch in Zukunft jeden Euro zweimal umdrehen müssen" – was lachhaft ist, weil der Satz ja unterstellt, dies sei in der Vergangenheit bereits der Fall gewesen. Die Wahrheit ist: Mit Ausnahme der Ära Karoline Linnert (Grüne), die als Finanzsenatorin tatsächlich einen harten Konsolidierungskurs verfolgte, ist der Euro in Bremen noch nie zweimal umgedreht worden.
Falls es Bovenschulte nun aber ernst damit sein sollte, gäbe es dafür reichlich Gelegenheit. Zum Beispiel könnte der Bürgermeister den Expansionskurs im öffentlichen Dienst bremsen. Rund 19.000 Arbeitsplätze gibt es aktuell in der bremischen Kernverwaltung, etwa 2500 mehr als zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Viele, aber längst nicht alle dieser neuen Stellen haben einen verbesserten Bürgerservice bewirkt oder waren beispielsweise steigenden Schülerzahlen geschuldet.
Ein Senat, der jeden Euro zweimal umdreht, würde wahrscheinlich auch nicht dem privaten Eigentümer der Asylbewerber-Erstaufnahme über einen Zeitraum von 20 Jahren mehr als 60 Millionen Euro Miete zahlen, wenn man ein derartiges Gebäude für das gleiche Geld mehrfach neu errichten könnte. Solche fragwürdigen Ausgabepositionen gibt es im Bremer Etat zuhauf, im Großen wie im Kleinen. Und sie summieren sich. Wenn sich der Senat tatsächlich dem Grundsatz sparsamer Haushaltsführung verpflichtet fühlte, würde er jetzt nicht von selbst gemachten Problemen eingeholt.