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Prozess in Bremen gestartet Briefbombe als Denkzettel für sexuelle Belästigung

Vor dem Landgericht Bremen ist am Dienstag der Prozess gegen eine 24-Jährige gestartet, die im Dezember 2017 eine selbstgebaute Bombe verschickt haben soll. Versuchter Mord oder eine Verzweiflungstat?
14.08.2018, 11:35 Uhr
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Briefbombe als Denkzettel für sexuelle Belästigung
Von Ralf Michel

Ein Denkzettel sollte die Briefbombe sein. Für einen ihrer Ausbilder an einer beruflichen Lehreinrichtung in Bremen, der sie "betatscht" habe. So hat es die Angeklagte der psychologischen Sachverständigen erzählt. Und dass sie seelisch am Ende gewesen sei, sich isoliert gefühlt habe und sich nicht anders zu wehren wusste. Ganz anders sieht das die Staatsanwaltschaft. Sie spricht von versuchtem Mord. Am Dienstag hat vor dem Landgericht der Prozess gegen eine 24-jährige Bremerin begonnen, die im Dezember vergangenen Jahres einen Sprengsatz per Post verschickt hat. Der Sprengsatz detonierte nicht, sorgte in Vegesack aber für einen Großeinsatz der Sicherheitsbehörden.

Sechs Röhren, gefüllt mit einem Gemisch aus Schwarzpulver, Benzin und Erde, jeweils versehen mit Zündkapseln – so beschreibt die Staatsanwaltschaft den Sprengsatz, den die Angeklagte am 6. Dezember 2017 vom Postamt am Hauptbahnhof an eine Adresse in Bremen-Nord verschickt hat. Verbunden waren die Röhren mit Drähten, die die 24-Jährige an die Platine eines Handys gelötet haben soll.

Päckchen explodierte nicht

Obwohl die Frau mehrfach versuchte, den Sprengsatz zu zünden, indem sie das verpackte Handy anrief, detonierte das Päckchen nicht. Aus Polizeikreisen verlautete, dass es sich um einen eher dilettantischen Bausatz handelte. Die Staatsanwaltschaft sprach am Dienstag davon, dass das Handy eventuell nicht angeschaltet war oder der Akku seinen Geist aufgegeben hatte. Für die Anklage war dies letztlich aber ohnehin nicht von Belang. Die 24-Jährige habe zumindest billigend in Kauf genommen, mehrere Postmitarbeiter tödlich zu verletzen. Deshalb die Anklage wegen versuchten Mordes. Begangen allerdings in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit.

Dass das Päckchen nicht auf dem Weg vom Postamt in Bremen über das Paketzentrum in Hemelingen bis zur Paketstation in Vegesack detonierte, mag der Bauweise des Sprengsatzes geschuldet sein. Dass es von der Postfiliale in Schönebeck nicht an die angegebene Adresse ausgeliefert wurde, ist der Aufmerksamkeit eines Postmitarbeiters zu verdanken. Der entdeckte mehrere verdächtige Hinweise an dem Päckchen, erläuterte der Chef der Zustellabteilung in Schönebeck als Zeuge vor Gericht: kein Absender, Rechtschreibfehler in der Adresse, eine nicht abgestempelte Briefmarke.

Großeinsatz dauerte fast den ganzen Tag

Als bei genauerer Begutachtung des Päckchens dann auch noch durch ein Loch an der Seite Zylinder und Drähte zu sehen waren, wurde Alarm ausgelöst. Es folgte ein Großeinsatz der Sicherheitskräfte, die Evakuierung des Postgebäudes und über mehrere Stunden auch die Sperrung angrenzender Straßen bis hin zu einem Teilstück der nahegelegenen A 270. Das Paket wurde kurz nach 8 Uhr morgens entdeckt. Erst am Nachmittag gaben die Bombenentschärfer der Bundespolizei Entwarnung.

Bei den Ermittlungen der Polizei geriet schnell eine in Niedersachsen lebende gebürtige Bremerin ins Visier der Polizei. Die 24-Jährige wurde schon einen Tag später festgenommen und landete in Untersuchungshaft.

Vor Gericht äußerte sich die Angeklagte nicht, aber bei ihrer Vernehmung durch die Polizei soll sie die Tat gestanden haben. Der Anwalt der Frau hält diese Aussagen für nicht verwertbar, doch am Dienstag wurden sie ohnehin nicht benötigt. Um sich ein Bild von der Tat und den Motiven der 24-Jährigen zu machen, hörte das Gericht stattdessen die psychologische Sachverständige als Zeugin. Ihr hatte die Angeklagte in mehreren Gesprächen erzählt, was geschehen war.

Sexuelle Belästigung durch Ausbilder?

Demnach gab die Angeklagte zu, die Paketbombe hergestellt zu haben. Elektrogeräte zu reparieren sei schon als Jugendliche ihr Hobby gewesen, und wie man eine Bombe mit Zeitzünder baut, habe sie aus dem Internet. Sie habe aber niemals gewollt, dass die Bombe explodiert, sondern lediglich einen kleinen Brand auslösen wollen.

Als Motiv nannte die 24-Jährige gegenüber der Psychologin die sexuelle Belästigung durch ihren Ausbilder. Sie sei dadurch komplett aus der Bahn geworfen worden, habe sich in der Schule gemobbt und isoliert gefühlt und sich letztlich nicht anders zu helfen gewusst. "Ich fühlte mich als Versagerin und wollte mit der Bombe zeigen, dass ich mich wehren kann", zitierte die Sachverständige die Angeklagte.

Allerdings habe sie am Ende ein schlechtes Gewissen gehabt und bei der Post versucht, das Päckchen zurückzubekommen. Als das nicht klappte, habe sie immer wieder die Nummer des Handys angerufen, um die Zündung "irgendwo, wo es nicht gefährlich ist" zu aktivieren, bevor die Sendung bei der Adressatin ankam – der Frau ihres Ausbilders.

Der Prozess wird am Mittwoch, 15. August, um 9 Uhr fortgesetzt.

(Dieser Artikel wurde um 16.35 Uhr aktualisiert.)

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