Das Geld wird wohl fließen – wider alle Vernunft, meint der Bundesrechnungshof, und trotz der Gefahr hoher Folgekosten: 46 Millionen Euro für den Nachbau des historischen Stahlseglers "Najade", der in Bremerhaven als weiteres Museumsschiff dienen soll. Die Rechnungsprüfer fordern in ihrem Bericht, der an diesem Dienstag an den Deutschen Bundestag gegangen ist, das Projekt "unverzüglich zu stoppen und aufzugeben".
Sie stehen mit dieser Haltung nicht allein. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) habe sich gegen den Nachbau ausgesprochen, heißt es in der Stellungnahme des Rechnungshofes, die dem WESER-KURIER vorliegt. Das BMBF ist für das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven zuständig.
In der vergangenen Woche hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags das Geld für die "Najade" freigegeben. Bremerhaven bekommt in einer ersten Tranche Planungsmittel in Höhe von 2,5 Millionen Euro, mit denen ein Betriebskonzept erarbeitet werden soll. Der Nachbau soll die mittlerweile abgewrackte "Seute Deern" ersetzen. Das Flaggschiff der Museumsflotte war im August 2019 in Brand geraten und gesunken.
Ein zunächst angedachter Neubau des Dreimasters hatte sich als zu teuer und schwierig erwiesen. Die "Seute Deern" galt als der größte erhalten gebliebene hölzerne Frachtsegler der Welt. Die "Najade" wiederum war das erste in Deutschland aus Stahl gebaute Vollschiff. Sie lief 1888 in Geestemünde vom Stapel, einem Ort, der heute zu Bremerhaven gehört.
Bundesrechnungshof warnt vor künftigem Sanierungsstau bei der "Najade"
Nach Auffassung des Rechnungshofes gibt es an dem geplanten Neubau kein "erhebliches Interesse des Bundes als Voraussetzung für eine rechtmäßige Förderung". Der "Najade" fehle schlicht die Substanz, um als Denkmal von nationaler Bedeutung bestehen zu können. Außerdem gebe es mit der "Peking" im Hamburger Hafen bereits ein Schiff, mit dem die Epoche der stählernen Frachtsegler museal vermittelt werde. "Mit der ,Najade' soll nunmehr ein beliebiges touristisches Wahrzeichen für Bremerhaven neu gebaut werden, obwohl die Stadt inzwischen mit der ,Schulschiff Deutschland' einen kulturellen Blickfang hat", so die Rechnungsprüfer.
So sehr die Behörde sich dagegen stemmt, dass der Bund viel Geld für ein Projekt ausgeben will, dem die Prüfer jeden Sinn absprechen – so entschieden wird in dem Bericht auch vor den Folgen gewarnt: "Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass die Mittel für den Neubau ausreichen und die Finanzierung der künftigen jährlichen Unterhaltungskosten gesichert ist."
Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund stark gestiegener Stahl- und Rohstoffpreise. Die vorhandenen Schiffe der denkmalgeschützten Museumsflotte könnten bereits jetzt kaum unterhalten und saniert werden. Die besonders große "Najade" drohe das Deutsche Schifffahrtsmuseum, das Land Bremen und die Stadt Bremerhaven finanziell zu überfordern: "Damit ist ein künftiger Sanierungsstau absehbar und nicht auszuschließen, dass die ,Najade' zu einer Förderruine werden könnte."
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Überdies habe das Bundesministerium für Bildung und Forschung mehrfach die Sorge ausgedrückt, dass der Museumshafen die wissenschaftliche Arbeit des Deutschen Schifffahrtsmuseums belasten könnte, heißt es in dem Prüfbericht. Die beiden Einrichtungen sollten in Zukunft institutionell stärker voneinander getrennt werden. Im Mai dieses Jahres habe das BMBF darum gebeten, auf die "Najade" zu verzichten und das Geld stattdessen in die Sanierung des Scharoun-Baus zu stecken, dem zentralen Ausstellungsgebäude des Schifffahrtsmuseums.
Adressat dieser Bitte war Claudia Roth (Grüne), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Roths Behörde ist federführend bei dem Projekt. Über ihren Schreibtisch laufen Planung, Bewertung und Finanzierung der "Najade". Angeschoben worden war der gesamte Prozess maßgeblich von zwei Bundestagsabgeordneten: Uwe Schmidt aus Bremerhaven und Johannes Kahrs aus Hamburg, der mittlerweile aus dem Parlament ausgeschieden ist. Auf Betreiben der beiden SPD-Politiker hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages erstmals im Juni 2018 die Mittel zur Verfügung gestellt, später wurden sie aufgestockt und nun endgültig freigegeben.
Die Bundeskulturbeauftragte betont in ihrer Stellungnahme für den Rechnungshof, dass es nicht dem parlamentarischen Willen entspräche, die für die "Najade" vorgesehenen Gelder anders einzusetzen. Eine Hintertür, aus dem Vorhaben doch noch auszusteigen, lässt die Behörde sich offen: Bevor es an die Umsetzung gehe, solle zunächst das Betriebskonzept abgewartet werden.