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Impfdurchbrüche Corona-Infektionen in Heimen dienen als Warnsignal

Eine Auffrischung der Corona-Impfung soll vor allem Älteren und Kranken Sicherheit geben. Impfdurchbrüche seien keine Überraschung, aber auch kein großes Problem, erläutert das RKI.
14.09.2021, 20:00 Uhr
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Corona-Infektionen in Heimen dienen als Warnsignal
Von Katia Backhaus

Trotz vollständiger Impfung sind in zwei Heimen in Weyhe und Dörverden zahlreiche Menschen an Covid-19 erkrankt. Um diesen sogenannten Impfdurchbrüchen zu begegnen, werden in Bremen seit Anfang September und in Niedersachsen in einigen Kommunen seit Freitag und flächendeckend ab Oktober Drittimpfungen angeboten.

Der Nutzen dieses "Boosters" sechs Monate nach dem letzten Piks wird derzeit von der Europäischen Arzneimittelagentur untersucht, auch die Ständige Impfkommission ist noch nicht zu einer abschließenden Bewertung gekommen. Zu den Kritikpunkten zählt unter anderem, dass viele Menschen weltweit noch gar nicht geimpft sind.

Bundesweit haben Ausbrüche in Heimen die Debatte um eine möglicherweise nötige Auffrischung der Immunisierung angestoßen. In einer Wohngruppe der Stiftung Waldheim in Dörverden, in der Menschen mit Behinderung leben, sind laut Mitteilung des Landkreises Verden aktuell 24 Personen mit dem Coronavirus infiziert. 19 von ihnen wohnen dort, fünf weitere arbeiten als Betreuer.

Ungewöhnlich große Zahl an Impfdurchbrüchen in Dörverdener Wohngruppe

Jutta Dreyer, Leiterin des Verdener Gesundheitsamtes, teilte am Montag mit, alle Betroffenen seien vollständig immunisiert. Eine Person werde im Krankenhaus behandelt, neun weitere Infizierte litten an milden Symptomen. "Eine solch große Zahl an Impfdurchbrüchen in einer einzelnen Einrichtung ist äußerst ungewöhnlich. Unsere Recherchen laufen derzeit in alle Richtungen", sagte Dreyer. Dabei werde auch untersucht, ob eine besonders hochansteckende Person für die Ausbreitung in der Gruppe verantwortlich sein könnte.

Bis auf eine Person waren auch alle der seit Ende August insgesamt 65 Infizierten in einem Altenheim in Weyhe komplett gegen Corona geimpft. Laut Daniel Tabeling, Leiter des Gesundheitsamts des Landkreises Diepholz, mussten neun von ihnen im Krankenhaus behandelt werden. "In Anbetracht des überwiegend milden Verlaufes im Vergleich zu ähnlichen Verläufen im vergangenen Winter ohne Möglichkeit der Impfung zeigt sich hier aber auch, dass die Impfung wirkt und sinnvoll ist", sagte er.

In Einzelfällen könne der Verlauf – je nach Alter und Vorerkrankung – auch schwerer sein. Aktuell sind laut Auskunft des Landkreises noch 18 Personen infiziert. Dieser Ausbruch habe ihre Behörde beunruhigt, hatte Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) am Freitag dem NDR gesagt. Deshalb seien die Drittimpfungen im Land nun früher als geplant angelaufen.

RKI: Impfungen bieten sehr hohen Schutz

In Bremen habe es seit vielen Wochen keine großen Ausbrüche mehr in Pflegeeinrichtungen gegeben, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts. "Eine Auswertung für den Zeitraum seit dem 1. Juli hat exemplarisch ergeben, dass wir seitdem 16 Corona-Geschehen in 16 verschiedenen Einrichtungen hatten. Dort gab es insgesamt 32 Fälle: 19 beim Personal, 13 bei den Bewohnerinnen und Bewohnern." Elf der infizierten Beschäftigten und zehn der dort lebenden Menschen seien vollständig geimpft. Bis Anfang Oktober soll in allen Einrichtungen das Angebot zur Auffrischung gemacht worden sein. Einschließlich Dienstag seien dafür bislang rund 3400 Impfdosen verabreicht worden.

Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge ist erwartbar, dass es mit der Zeit häufiger zu Impfdurchbrüchen kommt. "Da generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich Sars-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreitet, steigt die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen", heißt es im aktuellen Wochenbericht. Die bislang beobachteten Fälle bestätigten jedoch, dass die Impfungen zu einem hohen Grad schützen – und zwar vor einer Einweisung ins Krankenhaus (18 bis 59 Jahre: 96 Prozent, 60 Jahre und älter: 94 Prozent), vor einer Behandlung auf der Intensivstation (18 bis 59 Jahre: 97 Prozent, 60 Jahre und älter: 94 Prozent) und dem Tod (18 bis 59 Jahre: 100 Prozent, 60 Jahre und älter: 91 Prozent). Die Zahlen beziehen sich auf die Kalenderwochen 32 bis 35.

Sebastian Springer, Professor für Zellbiologie an der Jacobs University Bremen, erklärt, es werde noch erprobt, ob eine Corona-Drittimpfung die Zahl der Durchbrüche klein halten könne. "Aber nach den Erfahrungen mit vielen anderen Impfstoffen kann man sagen, dass Booster-Impfungen die Zahl der Durchbrüche senken." Er gehe jedoch nicht davon aus, dass die Wirkung der Immunisierung bei Älteren schneller nachlässt: "Nach jeder Impfung nimmt die Konzentration der Antikörper im Blut ab, auch bei Jüngeren." Allein dieser Wert sagt laut Springer aber nicht aus, dass der Körper keine Abwehr gegen das Virus mehr besitze. Corona-Impfstoffe riefen zudem eine Gedächtnis-Antwort der B- und T-Zellen hervor, welche auch Virusvarianten bekämpfen könnten.

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Mehrere EU-Länder bieten Auffrischung an

Malta hat vor einer Woche damit begonnen, Senioren in Pflegeeinrichtungen und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem den sogenannten Booster zu verabreichen. In Großbritannien können Menschen ab 50 Jahren, Heimbewohner und Pflegekräfte eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus erhalten. Auch "klinisch extrem Gefährdeten" und Risikopatienten zwischen 16 und 65 Jahren soll diese Option offenstehen. Italien will immungeschwächten Personen ab dem 20. September eine Drittimpfung ermöglichen.

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