400 Euro pro Klassenzimmer stellt die Stadt Hamburg ihren Schulen zur Verfügung, um Plexiglasscheiben vor den Pulten zu installieren oder Messgeräte, sogenannte CO2-Ampeln, zu kaufen. In Bremen geht man einen anderen Weg, aber der reicht Lehrer- wie Elternvertretern nicht weit genug. Man befürchtet, dass die Schulen nicht genügend auf einen Herbst und Winter der Corona-Pandemie vorbereitet sind.
In der Bildungsbehörde hält man vom Hamburger Ansatz wenig: „Eine pauschale Deckelung von 400 Euro kann im Einzelfall zu einer Unterversorgung führen, da es Schulen unterschiedlicher Größe gibt“, sagt Sprecherin Annette Kemp. Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) habe bereits im Juni für alle Schulen 1133 Spuckschutzwände bestellt und dezentral ausliefern lassen. Damit konnten laut Kemp etwa die Hälfte aller Klassenräume ausgerüstet werden.
Angelika Hanauer, Vorsitzende des Personalrats Schulen, findet das grundsätzlich gut – vor allem in Grundschulen und der Sekundarstufe I, wo es noch keine Maskenpflicht für die Schüler gibt. „Allerdings helfen Plexiglasscheiben nicht gegen die Aerosole“, sagt die Biologielehrerin. „Die Maßnahme entspricht eher dem Erkenntnisstand vom Frühjahr.“
Deshalb setzt man nun vor allem auf regelmäßiges Lüften der Klassenzimmer. Seit August hat die Bildungsbehörde 275 CO2-Ampeln bestellt, um die Luftqualität zu kontrollieren. Bei 144 allgemeinbildenden Schulen allein in der Stadt Bremen sind das knapp zwei pro Lehranstalt – „nur eine Art Krücke“, findet Hanauer. Martin Stoevesandt, Vorstand des Zentralelternbeirats (ZEB), kritisiert zudem die schleppende Auslieferung: „Das dauert ewig.“ Aktuell seien 52 Geräte im Einsatz, sagt Kemp. Die noch fehlenden Geräte würden bis Ende des Monats ausgeliefert. Zudem habe man rund 100 CO2-Ampeln bei diversen Institutionen ausgeliehen. „Zusätzliche Bedarfe können alle Schulen aus ihrem Schulbudget decken.“
Kapazitätsprobleme bei beauftragten Firmen
Um die Luft nicht nur zu kontrollieren, sondern auch zu reinigen, wurden 25 mobile Luftreinigungsanlagen bestellt – vor allem für Schulen, bei denen aus baulichen Gründen eine gute Lüftung schwierig ist. Laut Immobilien Bremen wurden 40 entsprechende Objekte gemeldet. Zunächst versucht man hier, durch entsprechende Nachrüstungen Abhilfe zu schaffen. „Die Erledigung steht bevor, allerdings verzeichnen die beauftragten Firmen zum Teil Kapazitätsprobleme“, heißt es bei Immobilien Bremen. „Für einige Schulen mussten Ersatzteile wie Griffe, Beschläge oder Teile für elektrisch betriebene Fensteröffnungen, bestellt werden“, erklärt Sprecher Peter Schulz.
Lehrervertreterin Hanauer hält ohnehin bei der aktuellen Infektionslage ein Luftreinigungsgerät in jedem Raum für erforderlich: „Erst Recht in einem System, in dem sowieso Raumknappheit herrscht.“ Von dem Gedanken hat sich Elternsprecher Stoevesandt bereits verabschiedet: „Wenn man die jetzt flächendeckend bestellt, sind die bestimmt 2022 da.“ Daher würden sie bis auf Weiteres wohl nur dort eingesetzt, „wo das Lüften ein Problem ist“.
Für die Bremer Bildungsbehörde beschränkt sich das nach Messungen auf zwei Schulen in Bremen-Nord: An das SZ Vegesack und das Gymnasium Vegesack werden voraussichtlich Ende kommender Woche 17 Geräte ausgeliefert. „Sollten weitere Bedarfe an den Schulen bestehen, so können weitere Geräte ausgeliefert werden und auch nachbestellt werden“, versichert Kemp. „Um sofort fach- und sachgerecht zu reagieren, tagt jeden Freitag eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe.“
Der Personalrat fürchtet allerdings, dass die Bremer Strategie mit dem Infektionsgeschehen nicht Schritt hält. „Während die meisten anderen Bundesländer beispielsweise eine weitreichende Maskenpflicht auch im Unterricht der Sekundarstufe I ab Jahrgang Fünf verhängt haben, bleibt Bremen trotz eines absoluten Spitzenwertes bei der Sieben-Tage-Inzidenz von mittlerweile über 240 in diesem Punkt tatenlos“, kritisiert man in einer Mail an die Medien. Behördensprecherin Kemp verweist auf die kommende Woche, während Hanauer sagt, dass eine Maskenpflicht ab Klasse Fünf bereits am Mittwoch von der Senatorin „abgewettert“ wurde.
Anteil von infizierten Jugendlichen stark gestiegen
Über den Ernst der Lage gibt es offenbar unterschiedliche Ansichten von Bildungsbehörde, Elternvertretern und Kinderärzten auf der einen Seite und Personalrat wie Gesundheitsbehörde auf der anderen. Die Ersten verweisen darauf, „dass die Kita- und Schulschließungen im März nur einen marginalen Effekt auf die Eindämmung der Pandemie hatten“ – folglich könnten die Infektionen dort nur Einzelfälle gewesen sein. Statistiken der Gesundheitsbehörde und des Robert-Koch-Instituts zeigen jedoch, dass der Anteil der Zehn- bis 19-Jährigen unter den Infizierten in den letzten Wochen stark gestiegen ist. Darauf verweist der Personalrat und fordert einen Halbgruppen-Unterricht.
Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) schließt eine landesweite Rückkehr zu diesem Wechselbetrieb zwischen Präsenzunterricht und Homeschooling mit geteilten Klassen nicht mehr aus. Schon jetzt gilt dies für mehr als 100 der rund 3000 Schulen des Landes. In diesen Gegenden hatte es mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche gegeben.