Beim Impfen ist Bremen Spitzenreiter: Seit Längerem liegt das kleinste Bundesland bei der Impfquote bundesweit auf Platz eins. Derzeit führt der Stadtstaat besonders deutlich: Knapp 78 Prozent Erstgeimpfte gibt es in Bremen und Bremerhaven. Danach folgen mit Abstand das Saarland (73 Prozent) und Schleswig-Holstein (72 Prozent). Bei den über 18-Jährigen haben in Bremen mehr als 90 Prozent ihre erste Spritze bekommen. Zuletzt sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), im Nordwesten Deutschlands sei man bei der Impfquote fast am Ziel. Derzeit liegt der Bundesschnitt bei 67 Prozent Erstgeimpften.
Dabei klaffen die Impfquoten der Bundesländer immer weiter auseinander: Zwischen Bremen und Schlusslicht Sachsen (57 Prozent Erstgeimpfte) liegen inzwischen über zwanzig Prozentpunkte. Städte wie Dresden (51 Prozent vollständig Geimpfte) und Leipzig (55 Prozent) liegen weit zurück, auch München rangiert 15 Punkte hinter Bremen. Diverse überregionale Medien fragten in Bremen nach, wie man Impfmeister wird.
Auch Hamburger Zeitungen blickten neidvoll in die kleine Schwesterstadt: So warf beispielsweise die "Mopo" die Frage auf, warum eigentlich Bremen und nicht Hamburg Impfmeister sei.
Im Gesundheitsressort führt man die hohe Quote vor allem darauf zurück, wie man die Impfkampagne organisierte: „Die größte Hürde war lange der knappe Impfstoff, aber wir haben die Leute von Anfang an direkt angeschrieben mit einer Einladung ins Impfzentrum inklusive Impfcode", sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Meist sieben bis zehn Tage später erhielt man dann einen Termin. "Das war sehr klar, einfach und niedrigschwellig." Bremen konnte dabei sein großes Impfzentrum nutzen, das mit der lokalen Wirtschaft aufgebaut wurde. Die Initiative "Bremen impft", ein Zusammenschluss Bremer Firmen, setzte sich für ein deutlich größeres Impfzentrum ein, als ursprünglich geplant war, und unterstützte das jetzige mit den eigenen Beschäftigten.
Es sollten bis zu 12.500 Menschen am Tag geimpft werden können, so die Planung des Senats im März. Real wurden laut Gesundheitsressort im Mai Spitzenwerte von 5300 Impfungen am Tag in den zwei Impfzentren der Stadt erreicht. Das Impf-Callcenter wurde von Beschäftigten aus Hotels und Gastronomie betrieben. "In anderen Bundesländern musste man teils stundenlang in der Hotline hängen, um Wochen später einen Impftermin zu bekommen“, sagt Senatorin Bernhard. „Wir hatten im Callcenter 100 Prozent Erreichbarkeit – mit Ausnahme von zwei Tagen – und eine Wartezeit von wenigen Sekunden.“
Zudem habe Bremen als erste deutsche Großstadt die Neuinfektionen nach Stadtteilen getrennt erhoben, betont Bernhard: "Dadurch wussten wir, wo wir mit unseren Impfmobilen hinmussten." Impfangebote in den Stadtteilen machen inzwischen viele Städte: Impfbusse sind bundesweit unterwegs. Anfangs habe man in Hannover zentral über das Impfzentrum eingeladen, in der vergangenen Woche dann mit dezentralen Angeboten rund 1000 Menschen erreicht, sagt zum Beispiel Christoph Borschel, Sprecher der Region Hannover. Andere Städte hätten dezentrale Angebote aber "weder so früh noch so umfangreich" wie Bremen gemacht, betont Bernhard. Ein weiterer Baustein war ihr zufolge, in vielen Sprachen und mit lokalen Akteuren in den Stadtteilen über die Impfung zu informieren. Zum Beispiel wurden siebensprachige Info-Flyer über die Wohnungsgesellschaft Gewoba an die Mieter verteilt. Moscheen, Kirchen, Beiräte und Quartiersmanager warben für die Immunisierung.
Stolz auf Bremens Impfquote ist auch Holger Römer, Sprecher von "Bremen impft": "Dadurch, dass die Privatwirtschaft sich beteiligt hat, hatten wir mehr Manpower im Impfzentrum", sagt er. Die Initiative habe dazu beigetragen, die Impfkapazitäten zu erweitern. "Als dann der Impfstoff ankam, hat Bremen alles sofort verimpft." Zudem habe der freundliche Umgang vieler Hotellerie-Beschäftigter die Atmosphäre im Impfzentrum geprägt, betont Römer: "Die Menschen haben sich dort gut betreut gefühlt und dann anderen davon erzählt."
Allein auf einer guten Impf-Organisation dürfte der Bremer Erfolg aber nicht fußen. Das sagen zumindest Politikwissenschaftler aus Bremen und Dresden. Sie heben hervor: Von großer Bedeutung für die Impfbereitschaft seien die politischen Einstellungen in der Bevölkerung. „Beim Impfangebot gibt es keine so großen Unterschiede zwischen den Bundesländern“, sagt Professor Hans Vorländer von der TU Dresden. Sachsen habe ebenfalls sehr viel für das Impfen getan und die Angebote gut kommuniziert. Vorländer befragte mit seinem Team mehr als 1000 Personen zum Impfen und ihren sonstigen Einstellungen und Lebensumständen. "Eine hohe Impfskepsis korreliert mit dem Glauben an Verschwörungstheorien, sie ist auch besonders verbreitet bei Personen, die in ihrer politischen Selbst-Einordnung eine klare Rechts-Orientierung erkennen lassen oder sich stark mit der AfD identifizieren", sagt Vorländer. Und in Sachsen erreicht die AfD ganz im Gegenteil zu Bremen hohe Werte. Auch der Bremer Politikwissenschaftler Andreas Klee sieht den zentralen Faktor für Bremens hohe Quote, dass es hier wenig Impfverweigerer gebe – diese seien vor allem bei den Anhängern von AfD, FDP und Linken vertreten.