Eine beeindruckende Optik geht anders. Mit gewöhnlichen Bauzäunen aus Metallgitter und Kunststoffplane schrauben die Mitarbeiter der Messegesellschaft in Halle 7 an der Bürgerweide derzeit das Impfzentrum zusammen. Bis kommenden Montag soll alles fertig sein und termingerecht an den Corona-Krisenstab des Gesundheitsressorts übergeben werden. Dieser betreibt das Impfzentrum offiziell.
Wer sich hier später, möglichst schon ab Anfang Januar, impfen lässt, wird den eigentlichen Pieks in einer 13 Quadratmeter großen, schmucklosen Box aus diesen Zäunen erhalten. Zehn Stück davon entstehen in diesem Moment. Dazu zwölf Plätze für das vorgeschaltete Aufklärungsgespräch mit den Impfprobanden. Ärzte werden hier über Risiken und Nebenwirkungen informieren und sich die Aufklärung bescheinigen lassen. Noch davor stehen zwölf Empfangsschalter. Auch hier dominiert karge Baustellen-Ästhetik. Graue Rolltische, eine Plexiglasscheibe als Spuckschutz sowie rechts und links Bauzaunplane für etwas Privatsphäre bei Prüfung und Aufnahme der Personalien.
„Wir haben hier bewusst auf hochwertigeren Messebau verzichtet“, sagt Messechef Hans Peter Schneider. Das System mit den Bauzäunen erlaube es nämlich, das Zentrum flexibel umzugestalten, falls sich die Planung der Stationen und Wege als doch nicht so praxistauglich entpuppe.
Empfangsschalter, ein Wartebereich, die Tische für die Aufklärungsgespräche und die eigentlichen Impfboxen belegen ein gutes Drittel der Halle. Ein weiteres Drittel ist als Ruhebereich vorgesehen. Hier werden 50 Feldbetten und 50 Stühle die vorgeschriebene halbstündige Beobachtungszeit unmittelbar nach der verabreichten Impfung etwas bequemer machen. Am Rande weitere sechs Boxen aus jeweils vier Bauzäunen, in denen Notfallbetten bereitstehen. „Spontane allergische Reaktionen auf den Impfstoff sind nicht vollständig auszuschließen und es sollen ja auch schon Leute rein durch den Anblick einer Nadel mit Spritze umgefallen sein“, sagt Gesundheitsressort-Sprecher Lukas Fuhrmann.
Limitierender Faktor
Das letzte Drittel der Halle bleibt vorerst ungenutzt. „Auf dieser Fläche können wir das Zentrum noch hoch skalieren, wenn es notwendig wird“, sagt Schneider. So wie es jetzt ausgelegt ist, seien in einem Zwölf-Stunden-Betrieb bis zu 1500 Impfungen pro Tag möglich. Doch dazu wird es zumindest am Anfang nicht kommen. Denn ab wann welche Mengen des Impfstoffs verlässlich zur Verfügung stehen, ist noch ungeklärt. „Das ist zum Auftakt der große limitierende Faktor“, sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke).
Angekündigt ist bislang eine erste Charge von 50.000 Impfdosen, davon 10.000 für Bremerhaven. Weil zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen notwendig sind, reicht das in der Stadt Bremen für die ersten 20.000 Einwohner. „Alle Dosen unmittelbar zu nutzen und darauf zu hoffen, dass wir innerhalb der drei Wochen den notwendigen Nachschub bekommen, war eine Wette, die wir nicht eingehen wollten“, sagt Bernhard. Im schlechtesten Fall wären die Impfungen komplett verschwendet. „Das ist der heutige Stand, bekommen wir verbindliche Zusagen über rechtzeitige weitere Chargen, werden wir neu überlegen.“
Wer die 20.000 ersten Geimpften sein werden, ist im Detail offen. Derzeit sind die verbindlichen Empfehlungen der ständigen Impfkommission dazu in der Abstimmung mit Fachverbänden und Bundesländern. Am Ende soll eine Verordnung aus dem Bundesgesundheitsministerium alles regeln. Kommt noch im Dezember, heißt es. Fest steht prinzipiell, dass besonders gefährdete, ältere Menschen in den Pflegeheimen zu den Ersten gehören werden.
Darum wird es zum Auftakt der Impfkampagne zusätzlich zum Impfzentrum sieben mobile Impfteams geben, die Pflegeheime besuchen werden. Dafür hat das Land mit den Johannitern eine Vereinbarung über drei Monate getroffen. Ob aber zunächst allein die Bewohner geimpft werden oder auch das Personal, wenn man schon mal vor Ort ist? Das wäre nach Einschätzung von Bernhard sinnvoll, ist aber Teil der amtlichen Empfehlungen zur Corona-Impfung und damit auch noch in der Abstimmung.
Offen ist auch, wer angesichts limitierter Impfstoffmengen innerhalb der empfohlenen bevorzugten Gruppen zum Auftakt ausgewählt wird. Zufallsprinzip? Nach Alphabet? Oder doch noch mal abgestuft, nach Alter und geschätzter besonderer Gefährdung? „Wir sind in der Beratung“, sagt Bernhard und hofft auf möglichst klare, einheitliche Vorgaben aus Berlin, damit in Niedersachsen nicht anders geimpft wird als in Bremen.
Etwa zehn Millionen Euro hat das Land bislang für Aufbau und gut sechs Monate Betrieb des Zentrums und der mobilen Teams bewilligt. Die Gesamtkosten sind mit mehr als 20 Millionen höher kalkuliert. In dieser Summe sind die Ausgaben für ein Impfzentrum in Bremerhaven sowie die dortigen zwei mobilen Teams enthalten. Offen ist dabei noch, wie sich die gesetzlichen Krankenversicherungen beteiligen müssen.
Kühlung mit Trockeneis
Zentrale Impfzentren entstehen derzeit in ganz Deutschland aus einem einzigen Grund: Die Lagerung und der Transport des ersten Impfstoffes von Biontech muss bei mindestens minus 72 Grad erfolgen. Mit handelsüblichen Kühlwagen und Kühlcontainern ist das nicht zu bewältigen. Die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern ist dabei klar geregelt: Der Bund liefert den Impfstoff an die Bundesländer kostenfrei quasi bis zur Bordsteinkante, das heißt an eine dem Bund übermittelte Zustelladresse; danach übernehmen die Länder die Verteilung innerhalb ihres Hoheitsgebiets.
Für den Stadtstaat Bremen mit zwei Impfzentren ist dieser Teil der Logistik keine sonderliche Herausforderung. Aus Bremerhaven wird wohl täglich ein Lkw die vorgesehene Tagesdosis aus Bremen abholen. Gelagert werden soll die wertvolle Ware an einem ungenannten zentralen Ort. Eigens dafür hat das Land Kühlcontainer angeschafft. Da ist wenig Hightech involviert: Im Grunde sind das isolierte Behälter, in denen mit Trockeneis die notwendigen Minusgrade erreicht werden.
Entgegen erster Meldungen ist der Impfstoff laut Biontech auch leichter händelbar als anfänglich gedacht. Die offiziell als BNT 162-b2 bezeichnete Substanz wird vom Hersteller in Trockeneisboxen ausgeliefert, in denen er bereits ohne weiteres Zutun 30 Tage lang gekühlt werden kann. Zudem lässt der Impfstoff sich laut Biontech für bis zu fünf Tage in handelsüblichen Kühlschränken bei zwei bis acht Grad aufbewahren. Eine Lagerung in Gefrierschränken sei nur erforderlich, wenn er länger gelagert werden soll. Doch damit rechnet angesichts der Pandemie aktuell eigentlich niemand.