Die Sommerwelle schwächt sich nach Beobachtungen des Robert Koch-Instituts bundesweit ab. Auch in Bremen ist die Zahl der Infektionen in den vergangenen Tagen gesunken – am Dienstag gab es mit 339 neuen Fällen (Montag: 253) erstmals seit Tagen wieder eine Zunahme. In den Krankenhäusern müssen mit 94 Patienten 15 mehr als am Vortag behandelt werden, sieben von ihnen intensiv. Dass sich die Situation verbessere, „merken wir noch nicht, das ganze Personal ist maximal belastet“, heißt es etwa aus dem St. Joseph-Stift und ähnlich auch aus den anderen Kliniken im Stadtgebiet.
Anders als in den ersten beiden Sommern der Pandemie, in denen das Infektionsgeschehen stark zurückgegangen war, sind die Kliniken in der ersten Sommerwelle durchgehend belastet. „Bedingt durch Krankheit, Urlaub, Erschöpfung und Fachkräftemangel ist die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft hoch“, schildert Sprecherin Dorothee Weihe die Situation im Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK). „Es gibt keine Entspannungsphasen.“
20 Prozent Personal fehlt
Rolf Schlüter, Sprecher der vier Häuser des Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno), spricht von einer „Gratwanderung“ in diesem Sommer. Normalerweise gebe es im Sommer weniger Patienten, in den zurückliegenden Wochen sei ihre Zahl aber auch aufgrund von Corona-Fällen „unerwartet hoch“ gewesen. Das binde zusätzliche Ressourcen beim ohnehin knappen Personal, sagt auch Maurice Scharmer, Sprecher des St. Joseph-Stifts, das im Moment 17 Covid-Patienten versorgt. Im RKK sind es laut Sprecherin Weihe in der Regel sechs bis acht.
Hinzu kämen auch beim Personal viele Ausfälle durch Infektion oder Quarantäne – zusätzlich zur Urlaubszeit. „Aktuell fehlen uns wegen Urlaub oder Krankheit insgesamt zwischen 1500 und 1600 Leuten“, sagt Schlüter, „rund 20 Prozent des gesamten Personals.“ Im Gegensatz zum Monatsanfang habe sich die Situation in den vergangenen Tagen leicht verbessert. „Wenn da die Zahlen weiter gestiegen wären, hätten wir Mitarbeiter aus ihrem Urlaub zurückholen müssen“, sagt der Geno-Sprecher. Im St. Joseph-Stift fehlen laut Sprecher Scharmer zusätzlich zu einem „recht hohen“ allgemeinen Krankenstand unter den rund 1100 Beschäftigten konstant etwa 20 wegen Infektion/Isolation.
Die Folgen für Patienten: In vielen der Bremer Krankenhäusern können wie schon seit Monaten nicht alle Betten belegt werden. Und es kann nach wie vor vorkommen, dass wegen Ausfällen beim fachspezifischen Personal nicht lebensnotwendige Operationen verschoben werden. „Diese Ausfälle können immer schwieriger durch einspringende Kollegen und Kolleginnen ersetzt werden“, sagt Hans-Joachim Bauer, ärztlicher Direktor der Roland-Klinik. Hinzu kämen OP-Verschiebungen durch positiv getestete Patienten oder kurzfristige Absagen, wenn sich beim PCR-Test in der Klinik eine Corona-Infektion herausstelle.
Bereitschaftsdienst statt Notaufnahme
Die Notaufnahmen, so heißt es aus allen Kliniken, seien teils am Limit, aber die Behandlung von akuten Notfällen sei grundsätzlich gesichert. Die Versorgung der Patienten gelinge auch aufgrund des Teamgeistes „zurzeit gerade noch“, sagt etwa für das Gröpelinger Diako Sprecherin Regina Bukowski. Was die Lage in den Notfallambulanzen nach Angaben der Kliniken zusätzlich erschwert, ist ein bekanntes Sommerphänomen: Patienten, deren Haus- oder Fachärzte im Urlaub sind und die bei Beschwerden direkt ins Krankenhaus kommen.
„In den meisten Fällen ist für diese Menschen der kassenärztliche Bereitschaftsdienst zuständig, der in Bremen fast rund um die Uhr erreichbar ist“, sagt St. Joseph-Stift-Sprecher Scharmer. „Viele schätzen ihren Gesundheitszustand falsch ein.“ In den Notaufnahmen führten diese minder schweren Fälle zum einen dazu, dass für ihre Betreuung Personal gebunden werde, das anderswo gebraucht werde. Zum anderen, sagt RKK-Sprecherin Weihe, müssten weniger akute Fälle mit langen Wartezeiten rechnen. „Schwerstkranke haben absolute Priorität.“ Auch Geno-Sprecher Schlüter empfiehlt, bei allen nicht-lebensbedrohlichen Beschwerden die Hotline 116 117 anzurufen.
Ein anderes, schon vor der Pandemie bekanntes Problem, das die Situation in den Ambulanzen verschärft, ist laut Scharmer der Mangel an Personal und Fahrzeugen bei externen Dienstleistern der Krankentransporte: „Wenn Patienten nach Behandlungen lange warten und entsprechend betreut werden müssen, bindet das auch Kapazitäten.“
Mit Blick auf den Herbst fordern die Krankenhäuser angesichts der weggefallenen Bundeshilfen eine bessere Unterstützung: Möglicherweise eine neue Corona-Welle, steigende Preise und Energie-Engpässe – „das dürfte für viele Krankenhäuser ein sehr gefährlicher Cocktail werden“, so RKK-Sprecherin Weihe.