Mit Paxlovid hat die Europäische Arzneimittelbehörde am Donnerstag das erste Covid-19-Medikament zugelassen, das auf Rezept auch in der Apotheke erhältlich sein könnte. Insgesamt sind damit acht Medikamente für die Covid-19-Therapie in der EU nutzbar. Auf der Liste, die der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) veröffentlicht hat, stehen sechs weitere Arzneimittel, die derzeit noch geprüft werden. Doch bis die Anti-Corona-Pille wirklich beim Hausarzt zu bekommen ist, wird es wohl noch dauern.
Paxlovid (Wirkstoff Nirmatrelvir) soll die Vermehrung des Virus im Körper stoppen und nach Angaben des US-Pharmakonzerns Pfizer sehr erfolgreich schwere Krankheitsverläufe bei Hochrisikopatienten verhindern. Die deutsche Bundesregierung hat für 2022 bereits eine Million Dosen bestellt. Seit Anfang Januar bereits eingesetzt wird das ebenfalls antiviral wirkende Lagevrio (Wirkstoff Molnupiravir), von dem zunächst 80.000 Dosen eingekauft wurden. Es ist in der EU zwar noch nicht offiziell zugelassen, darf aber in Deutschland laut Bundesgesundheitsministerium rechtmäßig verwendet werden.
"Die ganz neuen Sachen, die antiviralen Medikamente wie Paxlovid und Lagevrio, habe ich noch nicht im Einsatz gesehen bei uns", sagt Michael Bojarra, Leiter der Corona-Normalstation im Rotes-Kreuz-Krankenhaus Bremen. Der Bedarf sei nicht da, weil diese Mittel in den ersten fünf Tagen nach Symptombeginn eingesetzt werden sollten, um die Vermehrung des Virus zu stoppen. "Aber viele Patienten kommen erst, wenn sie schon fünf oder sechs Tage mit der Erkrankung zuhause waren."
Thomas Real, stellvertretender Vorsitzender des Bremer Apothekerverbands, sieht auch bei der Verwendung von Paxlovid und Lagevrio in Hausarztpraxen praktische Hindernisse. Bis ein PCR-Test gemacht und die Infektion bestätigt sei, vergingen aktuell bereits zwei bis drei Tage, dann müsse noch ein Hausarzt das Medikament verschreiben und die Apotheke es bestellen. "Dass die zeitlichen Abläufe hinkommen, halte ich für unwahrscheinlich", sagt Real.
Vision für die Zukunft
Paxlovid in Hausarztpraxen zu verschreiben, sei möglicherweise eine Vision für die Zukunft, meint Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbands. "In dem Moment, wo es gut etabliert und verfügbar ist, macht es Sinn, das an die Frontlinie, also die Hausarztpraxen, zu geben", meint er. Dann könne das Mittel vielleicht die Standardtherapie für Menschen mit positivem Coronatest werden. Doch diese Situation sei derzeit nicht gegeben, die Erfahrung mit dem Arzneimittel fehle. Außerdem sei es nur an zentralen Stellen überhaupt zu erhalten.
Die Wirkmechanismen der Medikamente, die gegen das Virus Sars-CoV-2 eingesetzt werden, sind unterschiedlich. Laut vfa gibt es neben den antiviralen Mitteln wie Paxlovid und Lagevrio auch solche, die die Abwehrreaktionen des Körpers begrenzen. Sie sorgen im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung dafür, dass das Immunsystem nicht mehr Schaden anrichtet als das Coronavirus und werden in Bremer Kliniken bereits eingesetzt.
"Die meisten Leute kommen ja mit Problemen an der Lunge, mit Atemnot", sagt Bojarra vom Rotes-Kreuz-Krankenhaus. Wer künstlichen Sauerstoff brauche, erhalte dazu Dexamethason, ein Kortisonpräparat, das das Immunsystem dämpft und schon seit 2020 für die Covid-19-Therapie verwendet wird. Die meisten Erkrankten sterben laut Bojarra letztendlich an einer Überreaktion des Immunsystems, an Lungenversagen oder -embolien. Außerdem seien blutverdünnende Arzneimittel der Standard bei Coronapatienten. Beide Mittel würden auch auf der Normalstation regelmäßig eingesetzt.
Die Kliniken des Gesundheitsverbunds Nord (Geno) nutzten auf den Intensivstationen Dexamethason und Tocilizumab, heißt es von der Geno-Pressestelle. Dexamethason komme bei Menschen zum Einsatz, die einen schweren Verlauf haben und eine Sauerstofftherapie benötigen, Tocilizumab werde bei einer rapiden Verschlechterung des Gesundheitszustands dieser Patientinnen und Patienten gegeben. Das Diako-Krankenhaus möchte sich nicht dazu äußern, welche Arzneimittel konkret zur Covid-19-Therapie verwendet werden. Die Pressestelle erklärt, sich an die Leitlinie zur stationären Therapie bei Covid-19 zu halten und im engen Austausch mit einem der Autoren zu stehen. Zudem würden Therapien für ambulante Patientinnen und Patienten mit Risikomerkmalen für einen schweren Verlauf angeboten, die von Haus- oder Facharztpraxen an die Klinik verwiesen werden.
Fachleute wie die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek betonen, dass die Arzneimittel keine Alternative zur Impfung darstellen. Sie seien im Vergleich zur Immunisierung teurer, nicht für alle Personengruppen geeignet und könnten Nebenwirkungen hervorrufen. Außerdem sind die Vorräte bislang begrenzt.