Noch ist kein Impfstoff verfügbar, aber viele Menschen lehnen es ab, sich künftig gegen Covid-19 impfen zu lassen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung, die das Hamburg Center for Health Economics (HCHE) geleitet hat. Wie Jonas Schreyögg, wissenschaftlicher Direktor des HCHE, im „Spiegel“ berichtet, sei die Impfbereitschaft in den vergangenen Monaten kontinuierlich gesunken. Laut der aktuellsten Befragung im September wären 57 Prozent der deutschen Bevölkerung zu einer Impfung gegen Covid-19 bereit – bei der ersten von drei Erhebungen im April lag die Zustimmung bei 70 Prozent.
Das HCHE hat dem WESER-KURIER auf Anfrage gesonderte Daten für Bremen und Niedersachsen zur Verfügung gestellt. Hierbei handelt es sich um Zahlen, die bei der zweiten Befragung im Juni erhoben wurden. Zu diesem Zeitpunkt lag die Impfbereitschaft in Bremen/Niedersachsen mit 68 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt (61 Prozent).
Die Hauptursache für die zunehmende Impfskepsis, sagt Schreyögg gegenüber dem „Spiegel“, sei das fehlende Vertrauen in die Sicherheit der Impfstoffe. Insbesondere bei wenig gebildeten Menschen sei die strikte Ablehnung gestiegen. Bereits bei der Befragung im Juni hatten die Forscher eine deutlich rückläufige Impfbereitschaft (61 Prozent) festgestellt. „Bedenklich ist, dass zunehmend mehr Menschen eine Impfung gegen Covid-19 ablehnen, und dies sind weit mehr Menschen als die, die grundsätzlich Impfungen ablehnen“, erklärte Schreyögg dazu. Vor allem die Angst vor Nebenwirkungen oder einer nicht ausreichenden Wirksamkeit des Stoffes wurde häufig als Argument angeführt. Gegner waren in allen Altersklassen zu finden, Befürworter oft unter Senioren und Menschen mit Vorerkrankung.
Der Pharmazeut und Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske von der Uni Bremen sieht neben nachlassender Angst vor dem Virus auch den Konkurrenzkampf um den ersten Impfstoff als Grund für die Skepsis vieler Menschen. „Das globale Wettrennen hat zu einer Schwächung der gesamten Impfbereitschaft geführt“, meint Glaeske. Vor allem der verfrühte Test in Russland, für den zuvor Entwicklungsphasen übersprungen worden waren, habe viele verunsichert. In London infizieren Ärzte aktuell Freiwillige zu Testzwecken mit Covid-19 – ein Verfahren, das hier zu Lande undenkbar ist.
Vertrauen schaffen
„Ich vermute, dass ein Impfstoff in Deutschland im zweiten Quartal 2021 verfügbar sein wird. Das wären zwei Jahre Entwicklung, normal sind oft fünf bis sieben“, sagt Glaeske. Er attestiert den deutschen Herstellern eine große Sorgfalt, aber die Ängste der Menschen müsse man trotzdem verstehen. Es liege in der Verantwortung der Politik, Vertrauen zu schaffen. Dazu gehöre, möglichst verständlich zu vermitteln, wie ein Testverfahren in Deutschland abläuft. Zum anderen müssten Politiker schon jetzt kommunizieren, wie der zukünftige Impfstoff gerecht verteilt werden kann. Daten, wie jetzt vom HCHE ermittelt, seien für die Planung von Impfkampagnen sehr wichtig. „Weil sie zeigen, welche Gruppen intensiv angesprochen werden müssen“, sagt Glaeske.
Die Forscher haben in ihren Ergebnissen aus dem Sommer ein grundsätzliches Nord-Süd-Gefälle ausgemacht. Während in Norddeutschland mehr als zwei Drittel aller Befragten angaben, sich gegen Covid-19 impfen lassen zu wollen, waren es im Süden (Bayern und Baden-Württemberg) 56 Prozent. Aus der Befragung im September gebe es noch keine aufgeschlüsselten Daten für einzelne Bundesländer, so HCHE-Geschäftsführerin Andrea Bükow. Sie bestätigt jedoch, dass sich der Trend einer höheren Impfbereitschaft im Norden fortgesetzt habe.
Das Bremer Gesundheitsressort von Claudia Bernhard (Linke) erhebe selbst keine Zahlen oder Umfragen zur Impfbereitschaft, sagt Sprecher Lukas Fuhrmann. „Wir sprechen aber regelmäßig mit den Ärzten, die natürlich guten Kontakt zu den Patienten haben.“ Eine leicht rückläufige Bereitschaft zur Impfung gegen Covid-19 sei erkennbar. Die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVBH) könne zu diesem Thema aktuell noch keine seriöse Einschätzung geben, so ein Sprecher. Auffallend sei jedoch die Bereitschaft vieler Bremer, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Die KVBH hoffe auf eine ähnliche Resonanz bei einer Covid-19-Impfung.
Für das Bremer Gesundheitsressort spielt die Studie des HCHE bei der Planung einer Impfkampagne noch keine Rolle, sagt Behördensprecher Lukas Fuhrmann. Was die Verteilung eines möglichen Impfstoffes betrifft, sei noch zu vieles unklar. „Das ist ein sehr mobiler Prozess. Wir müssen dann schauen, wer sich impfen lässt, wo besonderer Bedarf besteht“, sagt Fuhrmann. Das Thema werde konkreter, wenn sich der Termin für einen Impfstoff abzeichne: „Dann wollen wir natürlich vorbereitet sein.“