Immer weniger Kinder und Jugendliche in Bremen können schwimmen. In den vergangenen Jahren kam es daher hin und wieder zu Badeunfällen, die teilweise auch tödlich endeten.
Stolz stehen die Kinder mit ihrem Seepferdchen-Abzeichen auf der Badehose am See. Einer der Jungen hat sogar den Freischwimmer. Das Wasser des Badesees ist noch kühl, der Boden sandig und matschig. Immer weiter, immer tiefer gehen die Kleinen in das Gewässer. Bloß nicht nach hinten schauen. Die Badeinsel ist nicht mehr weit. Sie fangen an zu schwimmen und merken irgendwann: Das rettende Ufer ist ganz schön weit weg.
25 Meter mussten die Anfänger beim Seepferdchen schwimmen und einen Gegenstand mit den Händen aus schultertiefem Wasser holen. Jetzt sind es bestimmt 50 Meter, und die Kraft in den kleinen Armen lässt nach. Ein Horrorszenario, das einige Kinder, Eltern und vor allem Rettungsschwimmer kennen. „Um in einem See zu schwimmen, reicht das Seepferdchen-Abzeichen nicht aus“, warnt Heiko Adler, Ausbildungsleiter beim Landesverband der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Bremen.
Das Seepferdchen sei nur eine Vorstufenqualifikation, um den Freischwimmer zu machen. „Mit dem Abzeichen suggerieren die Eltern, dass ihr Kind schwimmen kann. Das ist aber bei Weitem nicht so“, warnt DLRG-Ausbildungsleiter Adler. Kinder sollten frühzeitig das Schwimmen lernen, am besten gleichzeitig mit dem Fahrradfahren. Denn immer weniger Kinder und Jugendliche können schwimmen. Was die Nichtschwimmer angehe, liege Bremen im Bundestrend, so Adler.
Viele Nichtschwimmer in Bremen
Er nennt mehrere Gründe dafür: Manche Eltern sähen die Notwendigkeit nicht mehr, dass ihre Kinder schwimmen lernen müssen. Andere seien auch von den Kosten für Schwimmbadbesuche oder -kurse abgeschreckt worden. „Viele verlassen sich auch darauf, dass den Kindern das Schwimmen in der Schule beigebracht wird“, sagt Adler. Schwimmunterricht in der Schule wird ab der dritten Klasse angeboten. Doch unter den Schülern seien dann bereits ein Drittel bis ein Viertel Nichtschwimmer.
„20 Prozent aller Kinder in der dritten Klasse können nicht Schwimmen. Die anderen 70 Prozent sind nicht unbedingt sichere Schwimmer, da die Bildungsbehörde auch Seepferdcheninhaber als Schwimmer rechnet“, ergänzt Philipp Postulka, Pressesprecher der DLRG Bremen. Aber weder die Schulen, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft oder die Bäder seien dafür verantwortlich. „Grundsätzlich sind die Eltern zuständig“, betont Postulka.
In den vergangenen Jahren kam es im Bremen immer wieder zu Badeunfällen von Kindern und Jugendlichen, die teilweise auch tödlich endeten. Der Abgeordnete Matthias Güldner (Bündnis 90/Die Grünen) hatte dazu eine Anfrage an den Senat gestellt, die Mitte Juni in der Sitzung der Deputation für Kinder und Bildung beantwortet wurde.
Folge der Bäderschließung
Güldner wollte eine öffentliche Diskussion über die Schwimmfähigkeiten von Kindern und Jugendlichen und das Schulschwimmen anregen. Es stellt sich immer wieder die Frage: Wie gut schwimmen eigentlich die Bremer? Aus der Antwort des Senats ergibt sich, dass am Ende des Jahrgangs drei des Schuljahres 2014/15 in Bremerhaven 25 Prozent und in Bremen 20 Prozent aller Schülerinnen und Schüler als Nichtschwimmer bezeichnet werden müssen. In Bremen wird an allen Grundschulen in den dritten Klassen verpflichtend Schwimmunterricht durchgeführt, mit dem Ziel, dass möglichst viele Schüler mindestens das Frühschwimmer-Abzeichen (Seepferdchen) erreichen.
Das deckt sich mit einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid. Demnach können 23,3 Prozent der deutschen Bevölkerung nach eigenen Angaben gar nicht oder nur schlecht schwimmen. Während 76,7 Prozent der Befragten ab 14 Jahre angaben, schwimmen zu können, sinkt der Ausbildungsgrad der jüngeren Kinder im Durchschnitt nach Angaben der Eltern auf 66,1 Prozent. Das seien erste sichtbare Folgen der Bäderschließung und der Probleme des Sportunterrichtes in den Schulen, heißt es in einer Analyse der DLRG zu der Umfrage.
Bei Badeunfällen sind es jedoch nicht Kinder, die ihre eigenen Fähigkeiten und Kräfte falsch einschätzen. Allein im Achterdieksee (Oberneuland) sind seit 2014 drei junge Menschen ertrunken. Im Mai 2016 schaffte es ein 23-jähriger Iraner nicht, die Badeplattform in der Mitte des Sees zu erreichen. Ähnlich war es im August 2015, als ein 18-jähriger Syrer verunglückte. 2014 ging ein 24-Jähriger in dem knapp acht Hektar großen See unter: Der Mann, der dort seinen Geburtstag feierte, wollte zur Badeinsel schwimmen und ertrank im Achterdieksee.