Die Pläne von Innensenator Ulrich Mäurer, die Video-Überwachung in Bremen auszubauen, nehmen Gestalt an: Die Zahl der Kameras wird zunächst am Bahnhof aufgestockt. „Dort gibt es viele Ecken, die bislang noch nicht erfasst werden“, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin der Innenbehörde. Auch an anderen sogenannten Risikostandorten im Stadtgebiet sollen zusätzliche Kameras installiert werden.
Derzeit arbeitet das Ressort an einem Konzept. Für die Echtzeit-Auswertung von Live-Bildern sollen bei der Polizei acht bis zehn Stellen entstehen. Am Mittwoch hatte Mäurer im Gespräch mit dem WESER-KURIER angekündigt, im neuen Polizeigesetz die rechtlichen und im neuen Haushalt auch die finanziellen Grundlagen für den verstärkten Kamera-Einsatz schaffen zu wollen, um auch eine Überwachung in Echtzeit zu ermöglichen (wir berichteten).
„Man muss live mitbekommen, was da gerade passiert“, erklärte Mäurer nach einer Konferenz mit seinen SPD-Länderkollegen in Isernhagen bei Hannover. Allerdings sei ein Einsatz der Technik nur an einzelnen Brennpunkten vorgesehen. Eine flächendeckende Ausstattung werde es nicht geben.
Am Bremer Hauptbahnhof und an der Disco-Meile am Breitenweg ist eine solche Live-Überwachung bereits möglich. Bislang werde diese aber nur anlassbezogen etwa bei Demonstrationen oder Fußballspielen eingesetzt, sagt Gerdts-Schiffler. Die Bilder werden ins Lagezentrum der Polizei übertragen.
Mehr Personal üer Senatsbeschluss sichergestellt
Allerdings müssten die Mitarbeiter dort neben der Beobachtung der Bildschirme zurzeit noch diverse andere Aufgaben erfüllen. Eine effektivere Auswertung, gerade auch von weiteren Plätzen, die künftig überwacht werden sollen, könne nur erfolgen, wenn mehr Personal dafür zur Verfügung stehe, so die Sprecherin der Innenbehörde.
Dies sei im September per Senatsbeschluss sichergestellt worden. Die geplanten acht bis zehn Stellen würden zusätzlich geschaffen und nicht in die Zielzahl von 2600 Polizeibeamten in Bremen, die das Ressort für 2019 anstrebt, eingerechnet.„Mich freut diese Personalzusage“, sagt Bremens Datenschutzbeauftragte Imke Sommer.
Es sei besser, wenn ausgebildete Beamte der Bremer Polizei vor den Bildschirmen säßen, als wenn dieser Auftrag an eine Fremdfirma vergeben werde. „Wir werden diesen Vorschlag aber genau prüfen und uns jede neue Kamera einzeln anschauen“, sagt Sommer. „Dazu werden wir schauen, ob die vorhandenen Kameras für dieses Vorhaben nicht bereits ausreichen“.
Grüne beurteilen Live-Überwachung grundsätzlich positiv
Die Live-Übertragung stelle einen stärkeren Eingriff in die Grundrechte der Bürger dar als die konventionelle Kamera-Überwachung, bei der die Bilder nur zur Aufklärung von Straftaten ausgewertet würden. Gleichwohl sei die Überwachung in Echtzeit sehr viel besser zur Prävention geeignet. „Kameras suggerieren den Bürgern ohnehin eine Live-Überwachung“, so Sommer. „Da ist es doch ein Fortschritt, wenn dieses Versprechen jetzt auch eingelöst wird.“
Die Bremer Grünen beurteilen den Einsatz der Live-Videoüberwachung grundsätzlich positiv. „Das anlasslose Sammeln und Speichern von Daten macht keinen Sinn“, sagt der innenpolitische Sprecher Björn Fecker. Eine Live-Überwachung an Brennpunkten sei da deutlich zielführender.
Der Grünen-Politiker befürwortet auch Mäurers Plan, für die Echtzeit-Auswertung zusätzliches Personal einzustellen: „Wir können der Polizei nicht zumuten, diese Aufgabe aus eigener Kraft zu stemmen“. Wilhelm Hinners, innenpolitischer Sprecher der Bremer CDU-Fraktion, hält Mäurers Vorstoß hingegen nicht für zielführend.
"Wir brauchen nur mehr Kameras"
„Das Personal wird auf der Straße und nicht vor dem Bildschirm gebraucht“, sagt er. Das bisherige Prinzip sei völlig ausreichend. „Wir brauchen nur mehr Kameras.“ Etwa an der Sielwallkreuzung im Steintor sei eine Videoüberwachung dringend erforderlich. „Da finden täglich Drogenhandel, Diebstähle, Schlägereien und andere Straftaten statt“, sagt Hinners.
Der Einsatz von Überwachungskameras sei an diesem Brennpunkt von Bremens rot-grünen Landesregierung bislang aber verhindert worden. Bei den Linken steht man den Plänen von Innensenator Mäurer ebenfalls kritisch gegenüber. „Auch eine Videoüberwachung in Echtzeit wird Straftaten nicht verhindern“, sagt der innenpolitische Sprecher Horst Wesemann.
Statt in teure Kameratechnik zu investieren solle das Innenressort lieber die bisherigen Defizite wie etwa die vielen Überstunden bei der Polizei ausgleichen. „Stattdessen wird über Mittel für neue Kameras diskutiert, die noch gar nicht vorhanden sind“, so Wesemann.
Freie Demokraten lehnen flächendeckende Überwachung ab
„Ich bin skeptisch, was die jetzigen Pläne zur Ausweitung der Videoüberwachung betrifft“, sagt auch Peter Zenner, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Eine flächendeckende Überwachung lehnen die Freien Demokraten ab. Das Beispiel London zeige, dass die reine Anzahl der Kameras keinen Einfluss auf die Sicherheit habe.
Die englische Hauptstadt habe zwar die meisten Videokameras, aber gleichzeitig auch die höchste Attentatsdichte. Die FDP-Fraktion fordert als Alternative zum Ausbau der Videoüberwachung mehr Stellen bei der Polizei. „Videoüberwachung darf den Einsatz von Beamten nicht ersetzen. Mehr Personal an kriminalitätsaffinen Orten bringt mehr Prävention und ein besseres Sicherheitsgefühl.
Wir setzen uns deshalb für mindestens 2900 Polizeibeamte in Bremen und 540 in Bremerhaven ein“, so Zenner. In der nächsten Bürgerschaftssitzung wird das Thema Videoüberwachung erneut auf der Tagesordnung stehen. SPD und Grüne haben dazu einen gemeinsamen Dringlichkeitsantrag eingebracht.
Kamera-Hauptstadt London
Mit mehr als zwei Millionen Kameras gilt London als eine der stärksten überwachten Städte der Welt. Bei Scotland Yard laufen die Videos der zahlreichen Kameras in einem Einsatzzentrum zusammen. Die präventive Wirkung der Technik ist in Großbritannien umstritten. Nach Angaben der Polizei ist die Kriminalitätsrate in London seit der Jahrtausendwende stetig gesunken. Experten streiten aber darüber, ob diese Entwicklung an der fast flächendeckenden Videoüberwachung festzumachen ist. Kritiker bestreiten die präventive Wirkung. Die Kriminalität verlagere sich nur in weniger überwachte Bereiche. Tatsächlich werden statistisch nur etwa drei Prozent aller Straftaten in Großbritannien durch Video-Bilder aufgeklärt. Nach Angaben der Metropolitan Police kam in London im Jahr 2008 nur ein gelöster Fall auf 1000 Überwachungskameras.