Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Junger Unternehmer im Gespräch Erfinder von koffeinhaltigem Kakao mit frischen Ideen zurück in Bremen

Der Bremer Heiko Butz hat es mit der Marke Koawach in die Regale von 7.000 deutschen Filialen gebracht. Nun ist er in seine Heimat zurückgekehrt – mit frischen Ideen. Nun hilft er Schnarchern per App.
22.02.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Benjamin Piel

Herr Butz, Sie haben zusammen mit einem Freund aus dem Nichts ein Unternehmen aus dem Boden gestampft, das nun in fast 7.000 Lebensmittel-Filialen steht und das im Jahr mehrere Millionen Euro umsetzt. Was für eine Persönlichkeit braucht es dafür?

Heiko Butz: Nach dem Abi in Osterholz-Scharmbeck hat für mich beruflich nichts so richtig gepasst. Ich habe dann Geoökologie in Tübingen studiert und bin immer wieder auf Forschungsreisen im Ausland gewesen. Eine Frage kam immer wieder auf: „Könnte man aus der Idee nicht ein Geschäft machen?“ Für mich war das eine naheliegende Frage. Aber ich habe festgestellt, dass andere sich die eher nicht gestellt haben. Ich hatte schon Bock auf Erfolg.

Und, hat der sich gleich eingestellt?

Absolut nicht. Das ist auch eine falsche Erwartung. Wer unternehmerisch erfolgreich sein will, muss bereit sein, Schleifen zu drehen und Misserfolge zu verschmerzen. Misserfolg ist eigentlich das falsche Wort. Man macht Erfahrungen, es klappt nicht so, wie man es sich gedacht hat, und daraus entstehen wieder neue Wege. Jedes Ende bringt einen neuen Weg mit sich, den man ohne das, was vorher war, gar nicht gesehen hätte. In Deutschland spricht man etwas zu oft über Misserfolge und etwas zu selten über neue Chancen.

Also war es eher ein Testen, Scheitern, Neues starten. Was stand denn ganz am Anfang?

Im Studium habe ich mich unter anderem mit Pilzen beschäftigt, die, vereinfacht gesagt, im Boden der Tomatenpflanze beim Wachsen helfen. Ich hatte die Idee, dieses Prinzip in die industrielle Produktion zu bringen und den Ertrag zu verbessern. Dafür habe ich mit einem Unternehmen in den Niederlanden zusammengearbeitet. Aber letztlich war die Idee zu kompliziert. Es ist nichts daraus geworden.

Für die Natur haben Sie offenbar etwas übrig, denn die findet sich in Ihrem Lebenslauf immer wieder.

Ja, das hat mit meinem naturwissenschaftlichen Studium zu tun und damit, dass mir schon der Kampf gegen den Klimawandel am Herzen liegt. Wirtschaftlicher Erfolg ist mir wichtig, aber das alleine wäre zu wenig. Da brauche ich schon den Eindruck, etwas zu entwickeln, dass jemandem hilft.

Während eines Auslandsaufenthalts hatten sie dann die Idee, Tourismus und Forschung miteinander zu verbinden.

Während des Studienaufenthalts in Panama hatte ich jemanden mit einer Finca im Urwald kennengelernt. Da dachte ich mir, dass das doch eine besondere Form von Ökotourismus wäre, wenn Menschen dort Urlaub machen und Forschern über die Schulter schauen könnten. Den Besitzer der Finca konnte ich davon überzeugen. Das ist sowieso eine meiner größten Stärken: Ich kann Menschen begeistern. Doch eines Tages kam ein großer Sturm auf und zerstörte die einzige Brücke zur Finca. Da war meine Idee gestorben. Was ganz ok war, sonst säße ich vielleicht heute noch im Dschungel.

Und plötzlich waren Sie mit Ihrer Gründung Koawach mitten im Getränke-Business.

Das war verrückt. In Köln lernte ich Daniel Duarte kennen. Der hatte auch den Wunsch, unternehmerisch erfolgreich zu sein. Er ist gebürtiger Kolumbianer und wir hatten erstens Bock, Kleinbauern in Südamerika zu fördern und zweitens nicht so viel Bock auf Kaffee. So ist die Idee entstanden, Kakao und Guarana-Samen zu kombinieren, die viel Koffein enthalten.

Sie haben also aus einem Kinder- ein Erwachsenengetränk gemacht. Eigentlich recht einfach.

Tja, so ist das ja oft. Vieles sieht am Ende einfach aus. Man muss nur der Erste sein, der die Idee hat und sie zweitens in die Tat umsetzen. Wir haben einfach guten Geschmack mit Funktionalität kombiniert.

Was ja dann doch nicht so einfach war.

Vor allem waren wir zwei Studenten in einer WG. Wir hatten erstmal keine Ausstattung für so ein Unterfangen und an einen industriellen Produzenten war nicht zu denken. Wir haben einfach angefangen, in der WG-Küche irgendwelche Mixturen herzustellen und haben experimentiert, bis es immer besser wurde. Die ganze WG stand säckeweise voll mit Zutaten. Eigentlich ein Wunder, dass die Mitbewohner das mitgemacht haben. Wir haben dann einen Wettbewerb gewonnen und in dem Zuge 500 Packungen verkauft. Die hatten wir aber gar nicht und mussten Nacht für Nacht in einer angemieteten Gastro-Küche Koawach produzieren mit den ersten Freunden, die wir dafür eingestellt haben. Tagsüber haben wir geschlafen, nachts Pulver gemischt, abgefüllt, etikettiert und verpackt. Wir hatten dann den ersten Webshop und es gingen immer weiter Bestellungen ein. Das war eine völlig irre Zeit, aber wir haben gemerkt, dass da ein Markt ist und dass unsere Idee trägt. Das Studieren haben wir dann erstmal sein gelassen und weiter Leute eingestellt.

Hatten Sie nie Angst, dass das schiefgehen könnte?

Und wie. Es gehören zum Aufbau einer Firma alle Emotionen dazu, die man sich nur vorstellen kann. Begeisterung, Freude, Herzklopfen. Aber es gibt auch die Täler, in denen man denkt, dass alles vorbei ist. Ohne das geht es nicht. Niemand steigt immer nur auf. Mein Leben war lange nichts als diese Firma. Da bleibt auch viel auf der Strecke, da muss man sich nichts vormachen.

Für Sie war ja dann auch die damals noch junge TV-Sendung „Die Höhlen der Löwen“ wichtig.

Sogar sehr. In der Sendung entschied sich Jochen Schweizer für uns. Der Deal kam nach der Sendung dann doch nicht zustande. Das war aber nicht entscheidend, denn wir konnten unser Produkt vor einem Millionenpublikum präsentieren und das hat uns auf einen Schlag richtig nach vorne gebracht.

Wie sah das in Zahlen aus?

Wir hatten im Jahr vor der Sendung 50.000 Euro umgesetzt, was für uns als Studenten eine gewaltige Sache war. Anschließend kamen wir 2015 auf 1,3 Millionen Euro. Eine fast unglaubliche Steigerung in so kurzer Zeit. Es ging dann mit dem stationären Handel los. 31.000 Bestellungen gingen bis Jahresende ein und das war der Moment, in dem wir uns professionalisiert haben. Dafür brauchten wir Investoren, die Geld nachschoben und Aufbauhilfe. Inzwischen sind wir bei Edeka, Rewe, dm und anderen in knapp 7000 Filialen gelistet und haben circa 25 Millionen Produkte verkauft.

Doch wenn man in den Bundesanzeiger schaut, stehen da keine Gewinne, in manchen Jahren gar Millionenverluste. Warum?

In vielen Startups geht es am Anfang um Wachstum statt Profitabilität. Als Food-Startup haben wir positive Auswirkungen auf Kleinbauern in Lateinamerika und das können wir durch größere Mengen maximieren. Wir sind sehr stark gewachsen und das kostet Geld. Dafür haben wir Investorengelder aufgenommen. Wir können die Strategie jederzeit anpassen und weniger Geld in Wachstum investieren und dadurch profitabel werden.

In Bremen entsteht gerade eine Start-Up-Factory, die die Lücke zwischen Forschung an der Uni und Gründungen schließen will.

Das halte ich für sehr wichtig. Junge Unternehmer haben oft tolle Ideen, die zukunftsfähig sind. Aber ganz ohne Hilfe geht es kaum. Deshalb sind solche Strukturen genau das Richtige. Für Bremen ist das sowieso gut. Und es dürfte mehr über die Erfolge dieser Stadt geredet werden. Nur Spiegel-TV-Dokus über die Lage am Hauptbahnhof werden uns nicht weiterhelfen. Und Bremen ist eben auch viel mehr als das.

Warum sind Sie im vergangenen Jahr nach Bremen zurückgekehrt?

Nach zwölf Jahren in Berlin war es an der Zeit, mal wieder was anderes zu machen. Bei Koawach bin ich weiterhin beteiligt, aber aus dem operativen Geschäft raus. Der Norden hat nach mir gerufen.

Und das nächste Start-Up haben Sie auch schon gegründet.

Ja, Diametos. Eine KI analysiert über das Smartphone und per App Snorefox verlässlich, ob jemand an Schlafapnoe leidet. Das sind Atemaussetzer im Schlaf, beim Schnarchen, und bei vielen passiert das völlig unentdeckt. Unerkannt kann das zu Erkrankungen wie Bluthochdruck führen. Über eine Ampel zeigt die App an, wie hoch das Risiko ist. Wir haben bisher 100.000 Nächte durchgemessen.

Wobei das ja im Schlaflabor auch möglich ist.

Schon, aber der Aufwand ist groß und die Umgebung künstlich. Auf der Couch, im eigenen Bett und im Alltag geht es eben anders zu. Ein amerikanischer Investor ist eingestiegen und das Unternehmen hat inzwischen 22 Mitarbeiter. Nach vier Jahren Startup-Aufbau steht die Firma nun ohne mich wunderbar da, deshalb bin ich auch da mittlerweile operativ rausgegangen.

Auch das geht Richtung Hilfe im Alltag. Hat sich der Blick auf Unternehmer eigentlich durch so etwas gewandelt?

Deutschlands kriselnde Wirtschaft hat jedenfalls vielen Menschen klargemacht, wie wichtig die Wirtschaft für die Gesellschaft ist. Eine starke Wirtschaft bietet gute Arbeitsplätze, Menschen verdienen ordentlich, können leben und so geht es einem Land unterm Strich gut. Gerade steht das infrage. Ohne starke Unternehmen geht die Rechnung nicht auf. Man muss sich nur die Simpsons ansehen, dann wird es ja schon klar: Der Unternehmer hat den größten aller Schreibtische und macht Rendite auf dem Rücken von Mensch und Umwelt. Das geht an der Realität oft total vorbei.

Kein Klischee ist dagegen, dass die Start-Up-Szene ganz schön männlich ist, oder?

Ja, da ist was dran. Es mangelt ein bisschen an weiblichen Vorbildern. Und dann ist Risikobereitschaft etwas, das gerne Männern zugeschrieben wird. Zum Glück gibt es Initiativen wie Belladonna, die dort ansetzen und sich zum Ziel gesetzt haben, Gründerinnen zu unterstützen.

Machen Sie sich um die Wirtschaft insgesamt Sorgen?

Wir sehen da gerade erst den Anfang. Das Kernproblem ist, dass die Geschäftsmodelle in vielen Bereichen an ihre Grenzen kommen. 50 Jahre lang hat das bestens funktioniert, aber nun wandelt sich vieles und selbst gewaltige Konzerne wie VW bekommen Probleme. Mit einem Mal ist das digital vernetzte Entertainment-System im Auto den Kunden wichtiger als die Technik des Motors. Bei solchen Entwicklungen können Start-Ups übrigens oft helfen, deswegen plädiere ich für Partnerschaften zwischen ihnen und etablierten Unternehmen nicht zuletzt aus dem Mittelstand. Manchmal denke ich, dass sich da viel schneller noch viel mehr tun müsste. Vielleicht geht es uns immer noch zu gut. Was könnten wir alles tun, während Tausende Menschen in ganz Deutschland in irgendwelchen Warteschlangen stehen, weil es für das, worauf sie dort physisch warten, keine digitalen Prozesse gibt. Pragmatismus und Mut täten uns gut.

Ein Beispiel?

Für die Schnarch-App brauchen wir KI-Entwickler. Die gibt es in Deutschland kaum. Aber wenn Sie einer Fachkraft aus dem Ausland, die sich wirklich aussuchen kann, wo auf der Welt sie arbeiten will, erklären müssen, wie hoch die bürokratischen Hürden in Deutschland sind, gehen die eben woanders hin. Wir sind da in Deutschland nicht sehr gut. Also: Eine Prise Aufbruch, bitte!

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Irgendwann sehe ich wieder ein Problem und habe eine Lösungsidee. Dann wird es mir in den Fingern jucken und ich werde loslegen. Vielleicht verändert sich die Rolle hin zu mehr Beratung oder Finanzierung. Aber in den Fingern jucken wird es.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)