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Interview mit Bürgermeister Carsten Sieling "Der Druck vor Ort ist wirklich groß"

Vor welchen Herausforderungen steht Bremen 2018? Im Interview sieht Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) den Senat vor allem bei Bildung und Kita-Versorgung gefordert.
01.01.2018, 14:28 Uhr
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Von Jürgen Theiner

Ihr Senat konnte vor dem Jahreswechsel eine wichtige Hausaufgabe erledigen: Die Bürgerschaft hat den Haushalt für 2018/19 beschlossen. Er setzt Schwerpunkte vor allem bei Bildung und Sicherheit. Was wird man davon im neuen Jahr spüren?

Carsten Sieling : Es wird mehr Lehrer geben, vor allem in den Schulen, die vor ganz besonderen Herausforderungen stehen. Und wie schon 2017 wird jedes Kind, das einen Kitaplatz braucht, auch einen bekommen. Wir haben in diesem Jahr 27 neue Kindertagesstätten eröffnet, über 2000 Plätze geschaffen, und der Ausbau wird weitergehen. Man wird auch merken, dass wir einen Ordnungsdienst in der Stadt haben, es soll sicherer und sauberer werden. Letzteres ist auch Ziel der Neustrukturierung von Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, die Anfang Juli 2018 wirksam wird.

Noch ist die öffentliche Wahrnehmung eine andere. Beispiel Bildung: Da beklagen viele Eltern und Pädagogen ein Scheitern von Inklusion und auch Integration, insbesondere in sozial schwierigen Quartieren. An der Grundschule Wigmodistraße in Blumenthal etwa will kaum noch ein Lehrer arbeiten.

Ich weiß, dass die Lehrkräfte gerade an Standorten wie der Wigmodistraße bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit arbeiten. Deshalb konzentrieren wir unsere Kräfte und werden Verstärkungen genau da ansetzen, wo es besonders schwierig ist. Jedes Mitglied des Senats weiß, dass der Druck vor Ort wirklich groß ist. Wir müssen die Qualität der Schulversorgung verbessern. Deshalb hat die Koalition auch noch einmal über vier Millionen Euro für diese Unterstützungsmaßnahmen bereitgestellt.

Bei der Inneren Sicherheit haben Sie sich vorgenommen, den Justiz- und Polizeiapparat zu stärken. Aber auch hier gibt es den Kontrast zur öffentlichen Wahrnehmung. Die Menschen hören zwar Ihre Ankündigung, doch an der hohen Belastung durch Kriminalität ändert sich dadurch noch nichts. Auch nicht an der Bedrohung durch islamistische Gefährder.

Der Senat hat eine Polizeireform auf den Weg gebracht, deren Ziel es ist, die Präsenz der Polizei auf der Strasse zu erhöhen. Es wird mehr Personal geben, die Polizei soll schneller und flexibler reagieren können. Und auch bei der Abschiebung von Kriminellen und Gefährdern kommen wir voran. Innensenator Ulrich Mäurer stellt gerade eine Einheit auf, die sich ausschließlich mit diesem Problem beschäftigt. Die Sorgen der Menschen verstehe ich, die Sicherheit hat deshalb hohe Priorität. Auf unserem Weihnachtsmarkt ist alles ruhig geblieben. Das ist doch ein erfreuliches Zeichen.

Bei vielen Mittelstandsfamilien ist eine Abstimmung mit den Füßen in Gang gekommen, das hat die jüngste Bevölkerungsstatistik gezeigt. Die Probleme im Bildungssystem, bei der Inneren Sicherheit und der Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums treiben die Leute in die niedersächsischen Umlandgemeinden, wo sie noch eine etwas heilere Welt vermuten.

Dass sich Menschen im Umland ansiedeln, ist etwas, das viele Großstädte trifft, auch uns. Und natürlich reagieren wir darauf. 2017 sind rund 2000 neue Wohnungen entstanden, auch 2016 gab es schon ähnliche Zahlen, Bremen verbessert sein Angebot. In den Vorjahren ist auf diesem Gebiet sicher zu wenig geschehen, weil man nicht damit gerechnet hat, dass die Nachfrage eine solche Dynamik entfaltet. Wir legen jetzt nach, auch wenn es dabei mal Konflikte gibt, Stichwort Rennbahnquartier. Aber ich bin überzeugt: Wir müssen mehr gute Wohnungen gerade für Familien anbieten und wir können uns nicht erlauben, große Freiflächen in unserer Stadt brach liegen zu lassen.

Ein positiv besetztes Thema ist die Innenstadtentwicklung. Der Unternehmer Kurt Zech hat erst vor wenigen Tagen grünes Licht für den Kauf des Parkhauses Mitte erhalten, wo ein Einzelhandelskomplex entstehen soll. Wo stehen wir bei diesem Projekt Ende 2018?

Mir war sehr wichtig, dass wir das noch dieses Jahr hinkriegen. Bereits im Januar werden wir mit Herrn Zech den Zeitplan für sein Projekt diskutieren. Da kommen wir mit Sicherheit zu einer Verständigung. Spätestens Mitte des Jahres sollte dann der Kaufvertrag für die Immobilie unterschrieben sein. Den Bebauungsplan werden wir parallel vorantreiben, im Februar geht das los. Ein Parkraumkonzept wird 2018 ebenfalls vorliegen. Das Parkhaus selbst wird aber wohl auch über 2019 hinaus noch zur Verfügung stehen.

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Ihre Zukunftskommission hat im August die Arbeit aufgenommen. Mit welchen Ergebnissen ist da im Laufe der nächsten Monate zu rechnen?

Ergebnisse werden wir, wie angekündigt, im Herbst 2018 vorlegen. Mir war wichtig, dass wir nach dem Erfolg bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen zügig damit beginnen, uns über das nächste Jahrzehnt Gedanken zu machen. Das ist, wie ich finde, gut gelungen. Wir haben bereits eine Reihe von Workshops gemacht, an denen sich mehr als 300 Menschen beteiligt haben. Die Handelskammer hat vor wenigen Tagen Ideen für ihre Mitwirkung in der Zukunftskommission vorgelegt, auch der DGB hat Überlegungen eingebracht. Also: Alle bekennen sich zu dem Prozess, alle arbeiten mit und bis zur nächsten Zusammenkunft des Zukunftsrats im März werden wir erste Themen konkretisiert haben.

Nennen Sie doch mal Beispiele.

Der Prozess ist in vollem Gange und ich kann und will hier noch keine konkreten Maßnahmen nennen. Die Ziele sind doch bekannt: deutliche Verbesserungen im Bildungsbereich, weitere Stärkung von Wirtschaft und Wissenschaft, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Die Vorschläge der Zukunftskommission werden natürlich mit dem verknüpft sein, was wir heute schon tun. Mehr können Sie mir heute nicht entlocken.

2018 ist das letzte komplette Jahr vor der Bürgerschaftswahl 2019. Was immer Sie in der Zukunftskommission erarbeiten, wird erst mittel- bis langfristig wirksam werden. Welche politischen Akzente können Sie kurzfristig 2018 noch setzen? Sie müssen schließlich was tun, denn bei der Bundestagswahl kam Ihre Partei, die SPD, in Bremen nur noch auf 26 Prozent.

Es geht nicht um kurzfristige Effekte. Ich will die grundlegenden Problemlagen Bremens angehen. Ein Beispiel: Zu Beginn dieser Legislaturperiode gab es massive Schwächen bei den zentralen Dienstleistungen der öffentlichen Hand. Deshalb haben wir den Bürgerservice neu aufgestellt, organisatorisch und dann auch mit Personal und Geld. Bei der Kindergartenversorgung und im Schulbereich werden wir uns in ähnlicher Weise bewähren. Vorankommen werden wir auch bei der Stadtentwicklung, Stichwort Kelloggs-Gelände. 2018 besteht für unser Bundesland zudem Gelegenheit, eine unserer ganz großen Stärken zu präsentieren. Ich spreche vom internationalen Raumfahrtkongress im Herbst. Kurzum: Wir werden auf vielen Feldern deutlich machen, dass Bremen ein starkes Bundesland ist, Potential und eine gute Zukunft hat. Ich will, dass Bremen dauerhaft aus dem unteren Tabellendrittel wegkommt, auch deswegen sind mir langfristige Erfolge wichtiger als kurzfristige Akzente.

Finanzpolitisch hängen Sie aber noch im Tabellenkeller fest.

Auch diese Ära geht zu Ende. Wir befinden uns in der Schlussphase der Haushaltskonsolidierung. 2020 werden wir keine neuen Schulden mehr machen. Schon am Ende des Haushaltsjahres 2017 steht ein Überschuss. Das sind ganz neue Meldungen, und so wollen wir 2018 weitermachen.

Bei der CDU wird Ende Januar feststehen, mit welchem Spitzenkandidaten sie 2019 in die Bürgerschaftswahl ziehen wird. Richten Sie sich auf Carsten Meyer-Heder ein, den Internet-Unternehmer aus der Überseestadt?

Mit Blick auf die CDU richte ich mich auf gar nichts ein. Herr Meyer-Heder ist ein freundlicher Mensch und ein erfolgreicher Geschäftsmann. Alles Weitere wird sich zeigen.

Für Ihre eigene Kandidatur für die Wahl im kommenden Jahr gilt...

... dass die Bremer SPD im Laufe des Jahres entscheiden wird, wann sie ihren Spitzenkandidaten benennt. Aber Sie können davon ausgehen: Ich bin gerne Bürgermeister und ich will es auch weiter sein.

Das Gespräch führte Jürgen Theiner.

Carsten Sieling (58) ist seit Juli 2015 Bürgermeister. Von 2005 bis 2009 war der promovierte Ökonom Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion und anschließend bis zu seinem Wechsel ins Rathaus Mitglied des Bundestages.

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