Herr Marthiens, warum braucht es eine Bremer ALS-Stiftung?
Knut Marthiens: Weil Förderer notwendig sind, um Mediziner dabei zu unterstützen, die ALS zu erforschen. Ich möchte mit der Stiftung eine finanzielle Hilfe auf Dauer ermöglichen – eine, die so lange besteht, bis die Nervenkrankheit heilbar ist.
Hat denn die Ice Bucket Challenge, bei der sich Menschen mit Eiswasser übergossen, um Spenden für die ALS-Forschung zu sammeln, nicht genug Geld eingebracht?
Weltweit wurde während der Challenge viel Geld gespendet. Mittlerweile ist die Bereitschaft, die Forschung finanziell zu unterstützen, jedoch wieder zurückgegangen.
Sie versuchen also jetzt im Kleinen fortzusetzen, was im Großen aufgehört hat?
So sehe ich das. Es gibt immer mehr Erkenntnisse über ALS, um den Verlauf der Erkrankung hinauszögern. Aber es gibt eben noch nicht genug Wissen, um sie zu heilen.
Mit wie viel Geld konnte Ihre Stiftung die Forschung bisher unterstützen?
Früher konnte eine Stiftung mit den Zinsen ihres Kapitals unterschiedliche Projekte fördern. Jetzt gibt es so gut wie keine Zinsen mehr. Darum ist das Kapital der ALS-Stiftung in Aktien angelegt, die etwas mehr Rendite versprechen.
Was heißt das in Zahlen?
Pro Jahr hat die Stiftung ungefähr 20.000 Euro zur Verfügung, um damit Forschung und Projekte zu fördern.
Wie sieht es mit Förderern aus, die Sie bei Ihrer Arbeit unterstützen?
Die gibt es, aber es sind nicht so viele, wie ich es mir wünsche. Förderer wird meistens nur, wer selbst von ALS betroffen ist.
Warum?
Mittlerweile ist die Krankheit zwar bekannter als beispielsweise noch vor zehn Jahren. Doch die meisten Menschen wissen nach wie vor nicht, dass es sie gibt. Und noch weniger haben eine Vorstellung davon, was es bedeutet, ALS zu haben.
Und was bedeutet es?
Bei ALS hat man es mit einer Krankheit zu tun, die in der Regel schnell voranschreitet. So schnell, dass vieles, was Krankenkassen an Hilfeleistungen bewilligen, letztlich zu spät kommt.
Die Kassen arbeiten demnach zu langsam?
Ich sage es mal so: Sie arbeiten in einer Art und Weise, die ihnen vom Gesetzgeber vorgegeben wird.
Und wie sollten sie arbeiten?
Zunächst sollte es bei ihnen immer einen Ansprechpartner geben, der sich speziell mit seltenen Erkrankungen wie der ALS auskennt. Das würde vieles einfacher machen und beschleunigen.
Aber auch ein spezieller Ansprechpartner muss so arbeiten, wie es das Gesetz verlangt...
...Deshalb müssen meiner Meinung nach bei ALS-Patienten und anderen Betroffenen, die eine schnell verlaufende Krankheit haben, die Vorgaben geändert werden. Und zwar so, dass bereits Hilfsmittel bereitstehen, bevor sie eigentlich gebraucht werden.
Wie soll das gehen?
Durch vorausschauendes Genehmigen – der Verlauf der ALS und die Hilfe, die ein Patient nach und nach benötigt, sind oftmals identisch. Aber auch der Abbau der Bürokratie muss vorangetrieben werden.
Wie meinen Sie das?
Bisher ist es so, dass ein Arzt sagt, was ein Patient braucht – und ein Gutachter noch einmal prüft, ob beispielsweise der beantragte Elektrorollstuhl tatsächlich Sinn macht. In anderen Ländern vergeht nicht so viel Zeit, um einem Kranken zu helfen.
Und was ist, wenn Zubehör nicht sofort lieferbar ist, weil es im Ausland bestellt werden muss, wie im Fall von Tobias Laatz?
Ich bin der Auffassung, dass ein Hilfsmittellager für jedes medizinische Gerät und Zubehör in Deutschland notwendig ist – eine Zentralstelle, auf die alle Zugriff haben, denen sofort geholfen werden muss.
Und was sagen Krankenkassen, Behörden und Politiker zu Ihren Vorschlägen?
Das kann ich momentan nicht einschätzen. Die Gespräche laufen noch.
Die Fragen stellte Christian Weth.
Zur Person
Knut Marthiens (76) hat 2016 eine private Stiftung in Bremen gegründet, um die Erforschung der ALS zu fördern. Seine Frau ist an der Nervenkrankheit gestorben. Marthiens, studierter Betriebswirt, ist wieder verheiratet und hat vier Kinder.