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Serie: Kurz die Welt retten - Teil 2 Die Acker-AG

In unserer Serie "Kurz die Welt retten" stellten wir diesmal die Acker-AG vor. Bremens größtes Projekt für Gemeinschaftsgärtner, besteht im zweiten Jahr.
17.03.2019, 22:07 Uhr
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Die Acker-AG
Von Patricia Brandt

Hannelore Schaar stemmt sich mit ihrem Gewicht auf den Spaten. Sie hebt eine Rille als Markierung für eine Wegbegrenzung aus, Uta Biertümpfel zupft das Maßband zurecht. Der Weg an den Saatreihen soll diesmal weniger schief ausfallen als im vergangenen Jahr, sagt sie lachend. Die Acker-AG, Bremens größtes Projekt für Gemeinschaftsgärtner, besteht im zweiten Jahr. Die beiden Frauen gehören zu 30 Hobbygärtnern, die hier seit Projektbeginn Obst und Gemüse für den eigenen Bedarf anbauen. Praktischer Klimaschutz im Alltag.

An diesem kalten Vormittag sind ein Dutzend Frauen und Männer damit beschäftigt, den Acker vorzubereiten. Der liegt auf dem Gelände des Naturschutzbunds (Nabu) in Hemelingen. Gleich hinterm Gatter hat jemand Stallmist aufgeschüttet. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft laden ihn auf Schubkarren und verteilen ihn auf dem Feld. „Wir haben den Mist von der Dreptefarm bekommen“, berichtet Projektleiterin Jessica Wildner.

Die Stadtbauern arbeiten schweigend. Vier Schubkarren sind gleichzeitig im Einsatz. Dumpf klonkt es jedesmal, wenn Mistforken auf Metall treffen. Der Wind ist schneidend. Die Gesichter der Helfer sind von der Kälte und der Arbeit gerötet, jemand schnieft. „Hier kann ich mich mal austoben“, sagt Hannelore Schaar und versucht, den Spaten noch etwas tiefer in die harte Erde zu bohren. Sie hilft, die rund 800 Quadratmeter große Fläche in verschiedene Abschnitte aufzuteilen. An einigen Stellen stecken bereits Stöcke. „Da sollen die Wege verlaufen“, erklärt die 66-Jährige und lässt den Spaten kurz in der Erde stecken.

„30 Jahre haben wir einen Kleingarten gehabt“, erzählt Hannelore Schaar. Doch wegen des Berufs habe sie keine Zeit mehr für die Parzelle gehabt. Zumal sie sich auch noch um ihren Hausgarten in Hemelingen kümmern müsse. „Zu Hause habe ich einen Garten, kein Ackerland“, begründet sie ihr Engagement bei der Acker-AG. In ihrem eigenen Garten pflegt sie Rasen und Blumen, beim Nabu baut sie Tomaten, Mangold und Brokkoli an. „Da kann man noch was dazulernen“, hat Hannelore Schaar festgestellt.

Das Gärtnern beim Nabu findet immer unter biologischen Gesichtspunkten und unter Anleitung statt. „Mit dem Klimaschutzprojekt wollen wir mehr Leute an das Thema Garten heranführen und ihnen auch die Angst vor dem Gärtnern nehmen“, sagt Projektleiterin Jessica Wildner, die jetzt den Stand des Wegebaus besichtigt. Viele in der Arbeitsgemeinschaft hätten wie die Hemelingerin Vorerfahrungen, andere seien Anfänger. Nach Jessica Wildners Einschätzung sind es alles Leute, die sich dafür interessieren, wie man traditionelle Gemüsesorten wie den Bremer Scheerkohl anbaut und „die lernen wollen: Wie sieht so ein Bremer Scheerkohl überhaupt aus?“ Der Scheerkohl, das sagt sie auch, sei ein milder Schnittkohl, der ein wenig erdig schmecke.

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Die Acker-AG gehört zu 27 Klimaschutzprojekten in Deutschland, die unter dem Titel „Kurze Wege für den Klimaschutz“ vom Bundesumweltministerium gefördert werden und deren Ziel die Errichtung eines Stadtteil- oder Gemeinschaftsgartens ist. „Es geht bei uns um praktischen Klimaschutz im Alltag. Das fängt schon beim Essverhalten an. Viele Kräuter, die wir im Supermarkt kaufen, sind auf schnelles Wachstum gezüchtet, die werden schnell verwelken und sind meistens noch auf Erde mit Torf gezogen“, sagt Jessica Wildner. Selbst vorgezogene Pflanzen sparten zudem den Transportaufwand. Wer sich klimafreundlich verhalten will, sollte schauen, welches Obst und Gemüse saisonal und regional vorhanden ist: „Dafür haben wir die Acker-AG gegründet.“

Das, was die Arbeitsgemeinschaft anbaut, kommt bei deren Mitgliedern auf den Tisch. „Günstiger kommt man nicht an gutes Biogemüse“, sagt Wiebke Altvater im Vorbeigehen. Die Sozialarbeiterin schiebt eine Schubkarre vor sich her. „Und dazu gibt's frische Luft, das tut der Seele gut“, ruft sie über die Schulter. Für mehr Konversation hat sie offenbar keine Zeit. Ihre blaue Jacke leuchtet bereits am hinteren Ende des Ackers. Von irgendwo ist das I-aah des Nabu-Esels zu hören.

Beim Nabu ist man überzeugt, dass das Gemeinschaftsprojekt den Nerv der Zeit trifft. „Viele Leute, die einen Garten haben, schaffen es heutzutage nicht mehr allein, diesen auch zu bewirtschaften“, meint Jessica Wildner. Ohne dass das Projekt groß beworben wurde, hätten sich beim Planungstreffen im Januar sofort 30 Frauen und Männer bereiterklärt, fest mitzuarbeiten. Dazu kämen 20 Personen, die mit dem Projekt sympathisierten. Die meisten hätten sich für eine Nabu-Mitgliedschaft entschieden.

Die Acker-AG ist nicht auf eine bestimmte Teilnehmerzahl begrenzt. „Wir könnten jederzeit ausweiten“, meint die Biologin. Das Nabu-Gelände ist groß genug, insgesamt 3000 Quadratmeter stünden zur Verfügung. Damit sei die Acker-AG das größte Gemeinschafts-Gartenprojekt in der Stadt. Es ist aber längst nicht das einzige: Seit 2013 beleben die ehrenamtlichen Stadtgärtner „Ab geht die Lucie“ mitten in der Stadt den zuvor brachliegenden Lucie-Flechtmann-Platz mit Hochbeeten und Pflanzen. Inzwischen wurde die etwa fußballfeldgroße Fläche auch entsiegelt.

Die nächsten Schubkarren werden befüllt, der Misthaufen ist immer noch brusthoch. Die Arbeitseinsätze sind auf jeweils zwei Stunden angelegt, doch zumeist gebe es Arbeit für drei oder manchmal sogar vier Stunden. Im Sommer trifft sich die Acker-AG dreimal die Woche, im Winter seltener. „Im Sommer ist einfach mehr zu tun – Gießen, Schnecken sammeln“, zählt Jessica Wildner auf. Sonnabends setzen sich die Mitglieder dann oft noch zum Picknick zusammen. Wobei das Gelände den Mitgliedern der AG jederzeit offen stehe.

„Ich fand das im letzten Sommer immer so schön, wenn ich hier mal allein gießen war, dann habe ich manchmal die Mäuse im Mais fressen sehen“, berichtet Uta Biertümpfel fröhlich. Die Erntemenge sei unglaublich groß gewesen: „Mit 30 bis 40 Leuten haben wir den Mangold nicht alle gekriegt.“ Mit Zierpflanzen kennt sich Uta Biertümpfel aus, aber über Gemüseanbau wusste die 63-Jährige bisher wenig: „Ich habe erst hier gesehen, wie Rosenkohl wächst.“ Uta Biertümpfel schätzt an der AG, dass die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt wird. Den Boden vorzubereiten sei nicht so ihre Sache. Aber auf die Aussaat im Gewächshaus freue sie sich schon: „Das mache ich gern.“

Info

Zur Sache

Hier können Sie mitgärtnern:

Auf dem Acker des Nabu in Hemelingen

jessica.wildner@nabu-bremen.de

Bei der Stiftung Friedehorst in Lesum

alke.rockmann@friedenhorst.de

Bei Urban-Gardening-Projekten in Huchting

klima@arbeit-oekologie.de

Beim Gemeinschaftsgarten in Blumenthal

sonja.pannenbecker@umwelt.bremen.de

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