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Zu Gast bei Grünen-Fraktionschefin Maike Schaefer / Politische Karriere war nicht geplant „Die Familie ist wichtiger als Politik“

Vegesack. Maike Schaefer unterbricht das Kaffeekochen und legt den Löffel beiseite. Der Vorwurf der CDU, sie habe sich in den Koalitionsverhandlungen nicht genug für Bremen-Nord eingesetzt, ärgert sie.
30.11.2015, 00:00 Uhr
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Von Volker Kölling

Maike Schaefer unterbricht das Kaffeekochen und legt den Löffel beiseite. Der Vorwurf der CDU, sie habe sich in den Koalitionsverhandlungen nicht genug für Bremen-Nord eingesetzt, ärgert sie. „Das teile ich überhaupt nicht. Im Koalitionsvertrag ist ein Riesenkapitel zum Gelände der Bremer Wollkämmerei. Da schielen andere Stadtteile in Bremen drauf.“ Ein politischer Hausbesuch bei der Grünen-Fraktionschefin aus Vegesack.

Das Festival Maritim habe sie „verstetigt, das ist mein Erfolg.“ Die Aue-Renaturierung, die Unterschutzstellung der Binnendüne zählt sie auf und betont, dass jede beschlossene Arbeitsförderungsmaßnahmen auch Menschen in Bremen-Nord helfe. Aber dann ist da noch das Spicarium: War es schlau, wegen eines vergleichsweise kleinen Einsparbetrages so viel Porzellan in Bremen-Nord zu zerschlagen? „Das Spicarium stand auf der Streichliste von zwei Fraktionen. Und man kann in solch schwierigen Verhandlungen nicht erwarten, dass jeder Stadtbezirk Abstriche machen muss und nur Bremen-Nord unbeschadet davonkommt.“

Der Kaffee ist gut und Maike Schaefer strahlt über das ehrliche Kompliment: „Ich bin ja eigentlich nicht so der Typ perfekte Hausfrau. Ich improvisiere mich so durch. Aber deshalb muss ich ja auch arbeiten gehen.“ Die Tür zum Esszimmer hat sie mit ihrem Mann Lars Andresen zum Durchbruch erweitert. Das bringt mehr Licht in das alte Kapitänshaus mit den hohen Decken voller echtem Stuck. Bei der Frage nach dem Haus weiß sie wie aus der Pistole geschossen, dass sie vor zehn Jahren und zwei Wochen aus der Neustadt nach Vegesack gezogen ist: „Wir hatten hohe Decken und Stuck eigentlich nur als Nice-To-Have auf unserer Liste und dann standen wir plötzlich hier in diesem Haus, das einfach alles hatte und nur halb soviel kostete wie etwas Vergleichbares im Viertel.“

Maike Schaefer darf solche Anglizismen wie Nice-To-Have – schön zu haben – einstreuen. Nach der Schule hat sie für anderthalb Jahre als Au-Pair-Mädchen in einem Londoner Stadtteil gelebt, der auch bei Prominenten beliebt ist: „Eine Freundin war bei Queen-Gitarrist Brian May, den ich überhaupt nicht kannte. Alles war ganz normal bei denen, mit einem zerschlissenen Sofa und so. Dementsprechend baff war ich, als ich da in der Küche plötzlich vor Freddie Mercury stand.“

100 Sprachen hat sie aus London noch im Ohr, Erinnerungen an Restaurants mit Essen aus aller Welt. Die Internationalität habe sie an London geliebt. Und den Mix der Nationalitäten in Vegesack empfinde sie eben auch als Teil der hohen Aufenthaltsqualität hier. „Hier trifft man in der Kneipe die Leute aus der Superjacht-Branche und die Studenten aus der Jacobs Universität. Und doch hat alles noch den gemütlichen Charme einer Kleinstadt. Wenn man sich draußen in der Welt umsieht, ist das hier bei allen Problemen absolut heile Welt.“

Mit dem Rucksack war sie in Indien unterwegs, ihre Freundin Suse in Delhi besuchen: „Wenn du den ersten Slum mit Wellblechhütten siehst, bist du geschockt. Und dann guckst du auf die Menschen, die mitten im Verkehr ungeschützt auf der Fußgängerinsel wohnen und gar nichts haben.“ Maike Schaefer kommt kaum zum Kaffeetrinken, so sehr wollen ihre Hände ihre Erzählungen untermalen.

Mit CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp ist sie in der Bürgerschaft beim Thema Flüchtlinge und Asylgesetzgebung so richtig aneinander gerasselt. Sie klappt ihren Tablet-PC auf und zeigt einen Fernsehausschnitt aus der Debatte. Sie hätten sich angeschrien. Sie habe aber in dieser Situation gewusst, dass sie auch damit entspannt umgehen könne: „Meine Familie ist mir viel wichtiger als die Politik – und solche Sachen gehören eben zum Job. Man sollte sich selbst nicht zu ernst nehmen.“

Vielleicht hat ihr diese Leichtigkeit mit zum schnellen Aufstieg bei den Grünen verholfen. Nach Bremen kam sie ursprünglich, um hier Biologie zu studieren. 1997 machte sie ihr Diplom. „Und irgendwie war es für uns Biologen eben keine Frage, mit welcher Partei man sympathisiert. Die Grünen sind eben die Umweltpartei schlechthin. Es war nur die Frage, ist man in der Partei oder nicht.“

2002 wurde Schaefer Grüne, 2003 Beiratsmitglied in der Neustadt, 2007 Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft und 2015 Fraktionsvorsitzende in einer Abstimmung gegen weitere Kandidaten. „Das war mal gelebte Demokratie.“

Die gebürtige Schwalmstädterin beteuert, dass sie nie vorgehabt habe, politische Karriere zu machen. Nur soviel: Als Biologin müsse man spätestens alle zwei Jahre wieder um neue Projekte kämpfen. Feste Jobs sind in dem Bereich rar gesät. Maike Schaefer: „Außerdem wollte ich ausprobieren, wie es ist, wenn man selbst Entscheidungen fällt.“

Sie zählt sinnvolle Verkehrsprojekte aus anderen Großstädten wie Kopenhagen auf, die sie dort gesehen hat. Die Verlegung der Radwege auf die Straße macht ihr allerdings mit ihrem fünfjährigen Sohn Louis selbst Bauchschmerzen: „Da habe ich mit einem Kind ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis und möchte nicht auf der Straße fahren.“ Das Thema führt unweigerlich zum Stolz ihrer Fahrzeugsammlung: einem Transportrad mit dem Kinderwagen praktisch noch vor dem Lenker – natürlich aus Holland. Ein Blick in den Garten: Ein Gerätehaus rot-weiß, gestrichen wie ein dänisches Strandhäuschen und tatsächlich hat ihr Ehemann dänische Wurzeln. Eine Schaukel, ein Fußball auf dem Rasen – schöner Wohnen in Vegesack. Und mit ihren Nachbarn an der Ecke machen sie jetzt auch das Straßenbegleitgrün schön, nachdem sie den festen Schotter mit dem Kuhfuß aus dem Untergrund gestemmt haben. Überhaupt strahlt Maike Schaefer beim Thema Nachbarn: Ihre alte Schulfreundin Suse ist mit ihrem Mann Patrick Hain vor wenigen Wochen in die gleiche Straße gezogen – nach sieben Jahren in Indien.

Patrick Hain kommt zum letzten Kaffee aus der Kanne und gibt eine Ehrenerklärung für die Integrität der Freundin ab: „Ihre Stärken sind ihre Spontaneität, ihre Direktheit und ihre Ehrlichkeit.“ Toll sei die Nachbarschaft mit der Möglichkeit, sich gegenseitig in allen Dingen zu unterstützen. Nur das Tempolimit auf der Bremer Autobahn kreidet er ihr an: „Ich rase gerne. Maike Schaefer erzählt lachend von einer Spontanparty mit Hausmusik am Wochenende: „Patrick fand mein Saxofonspiel schlecht.“ Der Musiklehrer grinst und hält sich zurück.

Fast beim Tschüss-Sagen zeigt sich mit Blick auf ein Seglerfotos noch ein Leben der Maike Schaefer neben der Politik: Eine schmuckes, knapp neun Meter langes Kajütsegelboot ist ein Familienerbstück. Das Boot ist von der Ostsee in den Grohner Jachthafen umgezogen. Maike Schaefer ist nicht nur bei den Grünen Mitglied, sondern auch im Verein Wassersport Vegesack. Wer will da noch über Politik reden.

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