Der „Hirt mit Schweinen“ an der Sögestraße hat viele Fans. Das beweist die große Anteilnahme, wann immer der Skulpturengruppe etwas zustößt. Weder Hirte noch Hund konnten bisher verhindern, dass im regen Lieferverkehr an der Zufahrt zur Fußgängerzone Ferkel angefahren werden. Was auch geschieht, den Bremerinnen und Bremern entgeht es nicht.
Als kürzlich eines der Ferkel zur aufwendigen Reparatur abgeholt wurde und für eine Weile eine Lücke in der Herde hinterließ, hatte WESER-KURIER-Leser Heribert Aleweld die Befürchtung, irgendwann sei eine arge Schweinerei passiert: Bei genauerer Betrachtung, so schien es ihm, hätten früher noch zwei weitere Schweinchen zu der Herde gehört, die, falls nicht alles ein Irrtum sei, ebenfalls nicht mehr an der Sögestraße stünden.
Der Kulturbehörde unterdessen sind keine Ferkelverluste bekannt. Und das Archiv dieser Zeitung belegt, dass „Bausenator Hans Stefan Seifriz unter den Klängen einer Polizeikapelle im Oktober 1974 die vier Ferkel und fünf Säue, den Hirten und den Hund offiziell enthüllt“ hat. Kein Schwein mehr oder weniger hatte demnach der in Bremen geborene Künstler Peter Lehmann (1921-1995) in seinem Atelier in Bissel bei Großenkneten geschaffen. Sein Sohn Enno Lehmann, der ebenfalls Künstler ist und in Freising lebt, bestätigt die Zahl, nachdem er Rücksprache mit zwei seiner Geschwister und der Mutter gehalten hat.
In den 50er- und 60er-Jahren hatte Peter Lehmann diverse Tierskulpturen zur Kunst im öffentlichen Raum Bremens beigetragen. Pausenhöfe, Spielplätze und Parks wurden unter anderem mit seinen Werken „Storch“, „Seelöwengruppe“, „Schnecke“, „Wildeber“ und „Fischreiher“ bestückt. Letzterer, der an der Schule Schönebeck aufgestellt worden war, galt in der Tat eine Zeit lang als verschollen, fand sich dann aber in einem Abstellraum wieder. Anders als beispielsweise das bronzene „Fohlen“, das Herbert Kubica, einer von Lehmanns Lehrern an der Kunsthochschule Bremen, 1950 geschaffen hatte. Die Plastik stand am Wehrschloss am Weserwehr und gilt bei der Kulturbehörde als „nicht mehr vorhanden“.
In Krefeld hat die Polizei wegen eines anderen Lehmann-Werkes ermittelt: Die zwei Kinder, die zum Denkmal für den Erfinder des Bandoneons, Heinrich Band, gehörten, wurden vor etwa zwei Jahren gestohlen. Inzwischen arbeitet Enno Lehmann daran, sie nachzuempfinden. Mit Bronzearbeiten hatte sich der 63-Jährige bislang nicht näher befasst: „Aber wenn es irgendjemand machen würde, damit wären wir als Familie nicht einverstanden. Gefühlt sehen wir uns schon als Nachfolger.“ Ende der Woche will er mit den Formen fertig sein, dann werden das Mädchen und der Junge in der Rintelner Gießerei Barth nachgegossen – wo auch Hirt und Schweine entstanden sind. Im Sommer sollen die Figuren aufgestellt werden.
Weder von dem Krefelder Kunstwerk noch von der Bremer Herde gibt es noch originale Gussformen. Die Kulturbehörde plant, Kunstwerke im öffentlichen Raum digital zu vermessen, um Rekonstruktionen sicherstellen zu können. „Die Formen haben noch bis in die 90er-Jahre auf dem Dachboden gelegen, dann sind sie aber verschwunden“, sagt Enno Lehmann. Im aktuellen Fall konnte sich der Bremer Bronzegießer Thomas Schmalz am gussgleichen Zwilling des beschädigten Ferkels orientieren, denn Peter Lehmann hatte den Sögestraßen-Kaufleuten, die sich das Ensemble 100.000 D-Mark (rund 51.000 Euro) hatten kosten lassen, eine „Schmunzelplastik zum Anfassen“ versprochen, aber keine Unikate.
Einige der Formen könnten noch einmal zum Einsatz gekommen sein, vermutet Enno Lehmann: 1990 wurden in Herten die Schweine-Skulpturen seines Vaters aufgestellt. Deren Stifterin, die aus einer Fleischfabrikantenfamilie stammte, hatte auf eben jenen Bremer Effekt gesetzt. Das Kunstwerk, hatte sie sich gewünscht, solle Kindern Freude machen.