Die Vegesacker sind an schwere Stürme und Sturmfluten gewöhnt. Doch Orkantief Xaver versetzt den Norden der Stadt in erhöhte Alarmbereitschaft.
Das Orkantief Xaver wird nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes voraussichtlich in Schleswig-Holstein am stärksten wüten. Am Donnerstagnachmittag ist demnach an der Nordseeküste mit Böen der Stärke 12 zu rechnen. „Wir rechnen für das Binnenland mit Windstärke 11 plus“, sagte Andreas Desczka, Schichtleiter bei der Bremer Feuerwehr. Die Brandschützer behalten die Unwettermeldungen im Blick und verständigen im Zweifelsfall die Behörden. „Wir füllen noch keine Sandsäcke. Aber ab einer bestimmten Höhe werden die Deichscharte geschlossen“, so Desczka.
Für den Küstenschutz in Bremen-Nord ist der Deichverband am rechten Weserufer zuständig. Der war ab Mittwochmittag in erhöhter Alarmbereitschaft. Am Morgen war Klaus Hasler, beim Verband zuständig für die Hochwasserüberwachung, noch davon ausgegangen, dass der Pegelstand in Vegesack gegen 4.15 Uhr Freitagmorgen 4,40 Meter über Normalnull (NN) erreichen würde.
Wenige Stunden später musste er sich schon korrigieren. „Jetzt werden 2,75 Meter über dem mittleren Tidehochwasser, das entspricht 5,15 Meter über Normalnull, erwartet. Das ist jetzt schon eine schwere Sturmflut, so hoch wie 2007“, sagte Hasler am Mittwochmittag.
In den vergangenen sieben Jahren hat es im Bremer Norden nahezu 20 Sturmfluten mit Wasserständen von über vier Metern über NN gegeben. Am 9. November 2007 kletterte der Pegel in der Nähe des Schulschiffs sogar auf 5,02 über NN. Damals sorgten einige außendeichs geparkte Autos für Aufmerksamkeit: „Die sind alle abgesoffen“, erinnert sich Hasler. Zum Vergleich: Bei der Flut-Katastrophe von 1962 stieg der Pegel bei Windstärke 11 auf 5,40 Meter über Null. Damals türmten sich die Eiswasser-Wellen zwei Meter und höher auf und die Deiche liefen über. Bei der Katastrophe starben 380 Menschen in Norddeutschland, sieben in Bremen.
„Wir haben jetzt unser gesamtes Personal in Bereitschaft versetzt“, berichtete Klaus Hasler. Wie hoch das Wasser tatsächlich steigen wird, könnten selbst Fachleute erst drei bis vier Stunden vor dem Hochwasser abschätzen. „Der Sturm wird im Laufe des Donnerstags am stärksten sein. Der Sturm baut in der Nordsee einen hohen Wasserstand auf und dieser wird erst mit der nächsten Tide in die Weser gedrückt“, erläuterte Hasler. Bei einem Wasserstand von 4,80 Meter über NN werde eine Katastrophenschutz-Zentrale eingerichtet. Hasler: „Wenn wir feststellen, da weicht ein Deich auf, wird über die Zentrale auch das THW verständigt.“
Nach Einschätzung des Bremischen Deichverbands werden die Deichtore am Kito in Vegesack und an der Bürgermeister-Dehnkamp-Straße in Blumenthal in der Nacht von Donnerstag auf Freitag geschlossen. Während der Fährbetrieb zur Insel Juist wegen der Sturmflut- und Orkanwarnung am Donnerstag und Freitag voraussichtlich eingestellt wird, wollen die Fähren Bremen-Stedingen den Pendelverkehr höchstens kurzzeitig unterbrechen. „Wenn der Deichverband die Deichscharte schließt, dann stellen wir den Betrieb ein. Das passiert ein bis zwei Mal im Jahr stundenweise“, sagt Michael Krüger, Betriebsleiter bei der Gesellschaft. Er blieb trotz der Unwetterwarnung gelassen: „Wasser ist unser Metier.“
Ob in Bremen ob des Tiefs die Schule ausfällt, blieb gestern offen. Die Bildungsbehörde wies auf ihren Internetseiten darauf hin, dass bei Windstärken über neun und zehn mit orkanartigen Böen Stärke 11 stürzende Dachziegel und Bäume eine Gefahr bedeuten. „Im Zweifelsfall geht Sicherheit vor Unterricht“, meinte Ressortsprecherin Christina Selzer.
Aufgrund der Sturmwarnung hat es in der Region bereits die eine oder andere Terminänderung gegeben. So teilte die Volksbank Schwanewede am Mittwoch mit, dass die Vorschulkinder des Kindergartens Dreienkamp den Weihnachtsbaum in der Schalterhalle des Kreditinstituts nun doch erst am Montag schmücken und nicht – wie ursprünglich geplant – heute.
Vorsichtshalber hat gestern übrigens auch Lilo Kannacher ihren Mann Santush in den Garten geschickt. Er sollte dort die Weihnachtsbeleuchtung am Haus vertäuen. Das Rentnerpaar aus Schwanewede hat sein Haus in der Leibnizstraße mit rund 20000 Lichterketten geschmückt. „Die Ketten sind überall nur drübergelegt. Mein Mann will sehen, was er mit Kupferdraht und Kabelbinder festmachen kann.“
Die Umweltbehörde richtet am Mittwoch einen Ansagedienst zum Hochwasser (Telefon: 36110400) ein.