Vor den Fenstern steigen Seifenblasen auf, große und kleine. Ein schöner Anblick bei blauem Himmel und Sonnenschein – doch könnte das ein Omen sein? Blasen, die zwangsläufig platzen, je höher sie steigen. Geplatzte Träume. Träume sind es aber nicht, die am Freitag besprochen werden, im Gegenteil. Hinter den Fenstern sitzen die Teilnehmer einer Anhörung zur Zukunft der Innenstadt. Der Festsaal im Haus der Bürgerschaft ist gesteckt voll, so enorm ist das Interesse. Mal aus erster Hand erfahren, was Stand der Pläne ist. Von den Investoren, die einer nach dem anderen ans Pult treten, um ihre Projekte der nächsten fünf Jahre zu erläutern.
Da ist Kurt Zech, der das Parkhaus Mitte kaufen und abreißen will, um zusammen mit den Häusern von Karstadt und Galeria Kaufhof eine City Galerie zu entwickeln. Da ist Christian Jacobs, der in diesen Tagen anfängt, das Stammhaus seiner Familie abtragen zu lassen, um an gleicher Stelle ein neues Gebäude zu errichten und in Verbindung mit der historischen Stadtwaage dahinter und dem Kontorhaus in der Langenstraße einen Brückenschlag hin zur Weser zu organisieren. Da ist Joachim Linnemann von der Firma Justus Grosse, der auf der anderen Seite des Flusses auf dem bisherigen Mondelez-Gelände rund 300 Wohnungen bauen will. Und da ist das erste Mal bei einer öffentlichen Veranstaltung auch ein Vertreter der israelischen Familie Schapira, die das Sparkassen-Areal am Brill gekauft hat und dort bis Ende 2023 nach eigenen Angaben zwischen 200 und 300 Millionen Euro investieren will.
Zech spricht von der "Gnade der späten Geburt". Was er meint: Die Innenstadt ist stehen geblieben, vor vielen Jahren schon, sie hat sich nicht so entwickelt wie in den anderen großen Städten. Dieser Nachteil, so der Unternehmer, könnte sich jetzt als Vorteil entpuppen. Das Einkaufen habe sich total gewandelt, die großen Flächen seien im Zeitalter der Digitalisierung und des Online-Handels nicht mehr notwendig. "Innenstadt muss neu definiert werden, als Smart City." Die Angebotsvielfalt müsse sich deutlich erhöhen - mehr Wohnen, mehr Gastronomie, mehr Aufenthaltsqualität. Bremen könne das in diesem Stadium möglicherweise besser als andere Städte. Zech: "Wer heute ein ECE-Center hat, hat es deutlich schwerer."
Jacobs nimmt diesen Ball auf: "Wir sollten die Innenstadt wieder als Wohnstandort begreifen und darauf achten, dass es eine soziale Mischung gibt." Der Unternehmer wünscht sich Verdichtung für die City, höhere Häuser. Wichtig sei auch, mehr Öffentlichkeit in die Innenstadt zu holen, öffentliche Institutionen. Im Hintergrund wird das gerade im Zusammenhang mit dem Sparkassen-Areal und dem angrenzenden Telekom-Gelände im Stephaniviertel diskutiert. Ein Ort für die Hochschule?
Wohnungen und Geschäfte
Linnemann hat für das Mondelez-Gelände einen neuen Namen erfunden: Weser-Höfe – "das klingt doch gleich viel schöner". Eine gewerbliche Nutzung sei in so toller Lage nicht mehr zeitgemäß. Das Wohnen, auch für Studenten und andere Menschen mit kleinem Geldbeutel, will er mit viel Grün flankieren, auf den Dächern, an den Wänden. 10 000 Quadratmeter Grundfläche, die zur Verfügung stehen. "Den ersten Spatenstich planen wir für Frühjahr 2019", erklärt Linnemann. Den Büroturm von Mondelez hat Christian Jacobs erworben. Möglich, dass der Turm stehen bleibt, möglich auch, dass er abgerissen wird.
Martin Fecke, der für die Schapira-Investorengruppe spricht, plant am Brill einen Mix aus Wohnen, Hotel, Einzelhandel und Dienstleistung. "Wir wollten kein Einkaufszentrum", sagt Fecke, der als Vorstand zum Berliner Planungsbüro Assmann gehört. Je nachdem, was planungsrechtlich möglich sei, könnten in den Untergeschossen bis zu 700 Autostellplätze entstehen. Einiges an Fläche solle der öffentlichen Nutzung zugeschlagen werden. Als Kompensation brauche man eine gewisse Baumasse, also Gebäude mit vielen Stockwerken. "Frühester Beginn ist im Oktober 2020, wenn die Sparkasse auszieht, mit der Fertigstellung rechnen wir für Ende 2023."
Veranstalter der öffentlichen Anhörung sind die Fraktionen von SPD und Grünen. SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe drückt zur Begrüßung seinen Respekt vor so viel privatem Engagement aus. Und er räumt ein, erstaunt zu sein: "Das alles soll so kurzfristig möglich sein?" Maike Schaefer, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erklärt die Pläne unumwunden für eine "riesige Chance, die wir wuppen sollten". Die Innenstadt müsse als Ganzes entwickelt werden und nicht in der Abfolge von Einzelprojekten. Schaefer fordert, dass klimafreundlich gebaut wird, mit viel Grün und genügend öffentlichen Plätzen dazwischen. Eine Grüne, die das sagt, doch es hätten auch die Investoren sein können, sie wollen nämlich das Gleiche.