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Konzept für Bremen-Nord Die Probleme werden größer

Der Norden der Stadt läuft Gefahr, von sozialen Problemen zerrissen zu werden. Davor warnen die Verfasser eines Bremen-Nord-Konzepts, das jetzt im Entwurf vorliegt
20.11.2017, 19:56 Uhr
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Die Probleme werden größer
Von Patricia Brandt

Bremen-Nord. An Kitas und Schulen in den sozialen Brennpunkten mit hohem Migrantenanteil und hoher Arbeitslosenquote fehlt es an Erziehern und Lehrern. Dass Fünfjährige mit Sprachförderbedarf einen Kitaplatz bekommen, ist nicht sichergestellt. Ein guter Schulbetrieb ist in den Problemvierteln kaum noch zu gewährleisten. Gespräche mit Eltern finden aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten nicht statt. Die soziale und ethnische Trennung einzelner Quartiere in Bremen-Nord birgt ein erhebliches Risiko für die gesellschaftliche Entwicklung. Zu diesem Schluss kommen die Autoren eines Entwurfs für das Integrierte Struktur- und Entwicklungskonzept für Bremen-Nord, kurz ISEK.

Das Nord-Konzept des Senats soll zwar erst 2018 öffentlich vorgestellt werden. Ein rund 80-seitiger, nichtöffentlicher Zwischenbericht liegt der Redaktion aber bereits vor. Erstellt wurde das Papier von einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe. Beteiligt waren unter anderem auch die Handels- und Arbeitnehmerkammer sowie Nordbremer Akteure.

Die Autoren sehen in Bremen-Nord aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung und seiner Entfernung zum Stadtzentrum den „wohl eigenständigsten Teil Bremens“. Heute sei der Bremer Norden aber „mehr als maritimes Erbe, Parks am Wasser oder Industriestandort im Strukturwandel“. Bremen-Nord sei eine wichtige Stadtregion mit eigenem Zentrum Vegesack, das mittelzentrale Funktionen nicht nur für den Bremer Norden, sondern auch das niedersächsische Umland erfülle. Doch es gibt auch viele Probleme, die Politik und Verwaltung vor eine Herausforderung stellen.

Seit zwei Jahren sei ein rapider Anstieg der Bevölkerung und damit eine massive Verjüngung des Bremer Nordens zu beobachten: „Die Zahl der Kinder wächst überproportional.“ Nachdem die Einwohnerzahl zwischen 1995 und 2013 von rund 105 000 Einwohnern auf etwa 96 000 geschrumpft war, gab es seitdem in allen drei Stadtteilen Bevölkerungszuwächse: „Die Menschen, die nach Nord ziehen, stammen nicht aus Bremen oder dem Umland, sondern aus anderen deutschen Städten und seit 2010 vor allem aus dem Ausland – eine Entwicklung, die auch schon vor den aktuellen Flüchtlingszuzügen eingesetzt hat“, heißt es im Bericht.

Insbesondere in Blumenthal und in Vegesack seien verstärkte Maßnahmen zum Ausbau der Kindertageseinrichtungen und der schulischen Kapazitäten notwendig. Trotz Platzmangels müsse sichergestellt werden, dass alle Fünfjährigen mit Sprachförderbedarf einen Kita-Platz bekommen. Nach Darstellung des ISEK prüft die Senatorin für Kinder und Bildung bereits für zahlreiche Schulstandorte im Bremer Norden, wie sich eine moderate Ausweitung der Zügigkeit und gegebenenfalls die Einrichtung eines Ganztagsangebots und inklusive Beschulung verwirklichen lassen.

Viel Grün, viel Wasser. Bremen-Nord gilt mit seinen flussnahen Gebieten und Parklandschaften zwar seit jeher als attraktiver Wohnort. Trotzdem ist das Image des Stadtbezirks schlecht. Schuld, heißt es im Entwurf, seien die sozialen Brennpunkte. Die Zustände sind offenbar alarmierend: Die „stark ausgeprägte und weiter ­zunehmende soziale und ethnische“ Trennung einzelner Quartiere werten die Fachleute als „eine erhebliche Schwäche“. Laut ISEK birgt diese Abspaltung „erhebliches Risiko für die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung“.

Ein Lösungsansatz sollen Quartiersbildungszentren (QBZ) im Norden sein. Hier arbeiten Schule, Kitas und Stadtteileinrichtungen gemeinsam für bessere Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen. Die Arbeitsgruppe schlägt als einen Standort für ein QBZ die Schule am Pürschweg in Lüssum-Bockhorn vor. Sorgen bereiten vor allem Schulstandorte mit hohem sozialen Problem-Anteil. Hier zeige sich zunehmend ein Mangel an Lehrkräften: „Wenn wir dort ­keine Entlastung schaffen, ist langfristig ein guter Schulbetrieb an solchen Standorten nicht mehr zu gewährleisten.“

Es müsse ein Konzept entwickelt werden, wie die soziale Durchmischung an den Schulen gewährleistet werden kann. „Veränderungen der Schuleinzugsgrenzen sind zu prüfen.“ Auch Sprachmittler für die Elternarbeit sind im Bericht ein Thema.

Die hohe Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit gehört dem ISEK zufolge zu den drängendsten Problemen im Bremer Norden. Insbesondere in Blumenthal, Lüssum-Bockhorn, Grohn und Marßel sei die Arbeitslosenquote deutlich höher als im städtischen Durchschnitt. Wie aus dem Bericht hervorgeht, plant der Senator für Wirtschaft zurzeit in Zusammenarbeit mit dem Berufsförderungswerk Friedehorst, dem Jobcenter Bremen-Nord und Betrieben im Bremer Norden ein Modellprojekt für langzeitarbeitslose Alleinerziehende.

Nach Meinung der Autoren muss es zentrales Anliegen sein, die Trennung zwischen den Quartieren abzubauen. Es seien besondere Integrationsbemühungen zu unternehmen, um die Risiken in den Griff zu bekommen. „Dazu gehört auch das Angebot an attraktivem, bezahlbarem Wohnraum für Haushalte mit eher niedrigem Einkommen.“ Eine Chance biete das Haven Höövt mit seinem Ansatz, Wohnen und Arbeiten am Museumshaven. Für den gesamten Stadtbezirk soll eine flächendeckende Nahversorgung sichergestellt werden. „Die Ortsteile ­Grambke, St. Magnus, Schönebeck, Fähr-Lobbendorf, Rönnebeck und Rekum sind derzeit nicht ausreichend versorgt.“

Es sei zwar nach wie vor eine besondere Herausforderung für Politik und Wirtschaft, den Strukturwandel im nördlichen Zipfel Bremens zu mitzugestalten. Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung sieht das Autorenteam zunächst in Verbindung mit dem kommenden Ringschluss der A 281, aber auch in der Kooperation mit den niedersächsischen Umlandgemeinden zum Beispiel bei der Entwicklung ehemaliger militärischer Flächen in Farge/Rekum. Zudem sollen die Potenziale im Industrie-Park genutzt und die Vermarktung der historischen Gebäude wie die Sanierung der ehemaligen Sortiererei auf dem BWK-Gelände vorangetrieben werden.

Einen wichtigen Part soll auch die Jacobs University in Grohn bei der Ausrichtung des Stadtbezirks übernehmen. Als „­Außenstelle“ des Kongress-Centrums soll durch den Umbau der bereits bestehenden Einrichtungen ein „un-conventional center“ entstehen, in dem digitales Erleben Teil von Konferenzsituationen werden soll. Dieses Tagungsgebäude sei für die weitere Entwicklung des Bremer Nordens von größter Bedeutung, steht im Bericht.

Zudem soll offenbar an der University unter dem Begriff „Welt-Speise“ ein gastronomisches Ausbildungs-Zentrum entwickelt werden. „Jungen Menschen aus aller Welt, die als Flüchtlinge nach Bremen kommen, wird eine Ausbildung als Koch und als Servicepersonal geboten.“ Dabei soll ein Gastronomie-Angebot entstehen, das sowohl für die Mensa als auch für den Stadtteil genutzt werden kann.

In Zukunft dürfe es keine Konkurrenz mehr zwischen den drei Stadtteilen geben, fordert die Arbeitsgruppe. Als bedeutsam wird die Stärkung des Vegesacker Zentrums gewertet. Die Maritime Meile mit Hafen, Weserpromenade und Stadtgarten werte den Standort auf. „Über den Tages-Tourismus hinaus könnten Übernachtungen attraktiv gemacht werden.“ Weitere Hotel-Ansiedlungen sind offenbar ein Thema, über das nachgedacht wird.

Als Hauptanlaufpunkte nennt das ISEK den Denkort Bunker Valentin in Blumenthal, den Hafenspeicher Vegesack und Haus Kränholm in Burglesum. Priorität müsse eine Erweiterung der nationalen Mahnstätte Bunker Valentin zu einer Mahnregion unter Einbeziehung der Lagerstraße bis hin zu den Baracken Wilhelmine und 27 und die Verbesserung der Verkehrsanbindung des Denkorts haben, so die Autoren. Eine von vielen Projektideen ist es, die Parks, die ehemalige BWK und das Thema Walfang- und Heringsloggerflotte für die Imagebildung zu nutzen.

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