Rehe leben besonders gefährlich: Auf Bremer Straßen sind im Jagdjahr 2023/2024 insgesamt 147 Böcke, Ricken und Kitze bei Unfällen ums Leben gekommen. Neuerdings verfügen die Jäger über insgesamt sechs Drohnen samt Wärmebildtechnik und können so Rehkitze orten, ehe die Mähmaschinen zum Einsatz kommen. „Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 30 Kitze gerettet.“
Im Moment seien es vor allem Jährlinge, junge Böcke, „die sich selbstständig machen“ und mitunter ungestüm unterwegs seien, warnt Stadtjägermeister Richard Onesseit. Mit der Brunftzeit von Ende Juni bis August verstärkt sich die Wildwechsel-Gefahr im Verkehr. Und bis Ende Mai haben die Rehe Setzzeit – und leben selbst im Grünland gefährlich: Im Mai, schätzt Marcus Henke, Präsident der Landesjägerschaft Bremen, steht auch die erste Mahd an. Und dann fliegen die Drohnen.
Außer den Jägern sind auch der Bremische Landwirtschaftsverband und die private Rehkitzrettung Bremen im Einsatz, den Wildtiernachwuchs zu sichern. Henke hat jüngst drei Drohnensysteme in Empfang genommen, die ein Bremer Unternehmen bislang zu Untersuchungsflügen an Industrieanlagen genutzt und ausrangiert hat. „Die Ausrüstung ist bestimmt 15.000 Euro wert“, schätzt der Jägerpräsident. „Das ist ein tolles Signal an die Ehrenamtlichen.“ Bisher sei das Piloten-Team der Bremer Jäger auf das Blockland beschränkt gewesen. Dort hatte die Fliegerei im sogenannten Prädatorenmanagement, bei dem beispielsweise Füchse mit Sendern versehen wurden, und dem Wiesenvogelschutz vor rund zehn Jahren ihren Anfang genommen.

Still, geruchlos und gut versteckt im hohen Gras: Rehkitze bleiben unauffällig, bis sie in der Lage sind, selbstständig zu flüchten – zum Beispiel vor Mähwerken.
Die dabei verwendete Drohne sei aber für die Kitzrettung weniger geeignet, weil die Wärmebildtechnik damals noch nicht empfindlich genug gewesen sei, die Tiere auch bei warmen Tagestemperaturen und nicht nur im Morgengrauen aufzuspüren. Im vergangenen Jahr konnte dann eine Drohne Modell „Fliegender Wildretter“ angeschafft werden: Zusammen mit dem Ortsamt Blockland und mit Geld aus dem Leader-Programm zur Regionsförderung wurden rund 14.000 Euro investiert, inklusive Schulung. Mit dem Gerät, hieß es, könnten künftig auch Wiesenvögel und Neozoen wie Marderhund, Waschbär und Nutria beobachtet werden. Bis zu 80 oder 90 Meter schraubt sich der „Retter“ empor und kann dabei 20 Hektar pro Stunde abfliegen.

Drohnenflugausbildung am Modell ”Wildretter” im vergangenen Jahr: Hendrik Schumacher (von links), Tobias Dahms und Marcus Henke. Die Bremer Jägerschaft hat inzwischen weitere Drohnen im Einsatz.
Ganz so hoch stiegen die gespendeten Drohnen nicht auf, sagt Marcus Henke. Dafür sei ihr Einsatz nicht auf das Blockland beschränkt. Insgesamt rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Bremens, 6763 Hektar, sind nach Angaben der Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft Grünland – der potenzielle Aufenthaltsort für Rehwild. Noch müssten die neuen Flieger bei der Umweltbehörde und beim Luftfahrtbundesamt angemeldet werden, ehe sie samt Pilot Landwirten gegen eine Spende zur Verfügung stünden, sobald die Saison beginne. „Es kann sein, dass früh gesetzte Kitze dann schon fluchtfähig sind.“ In jedem Fall sei die Mahd ein „Flaschenhals“, sagt Henke: „Sobald das Wetter stimmt, wollen alle mähen.“
Winterhochwasser hat Folgen
Außer den 147 bei Verkehrsunfällen getöteten Rehen waren im vergangenen Jagdjahr 84 weitere Tiere zum sogenannten Fallwild zu zählen – im Jahr zuvor waren es 52: Das, erläutert Stadtjägermeister Onesseit, seien Tiere, die sich beispielsweise in Zäunen verfangen und verletzt hätten, aber auch Rehe, denen das Winterhochwasser und seine Folgen so zu schaffen machten, dass sie verendet seien. Erlegt wurden 310 Rehe, im Vorjahr waren es 320. „Durch die Kitzrettung und weil in diesem Winter die Jagd eingestellt wurde, ist der Rehwildbestand höher als normal.“ Noch hätten sich die Wildtiere nicht wieder „in der Fläche verteilt“, sagt Onesseit und stellt klar: „Nein, wir retten die Kitze nicht, um mehr zum Totschießen zu haben, sondern, damit sie nicht vom Mähbalken zerfleischt werden.“ In jedem Falle müsse der Bestand reguliert werden.
Um Rücksicht auf Rehe zu nehmen, empfiehlt der Stadtjägermeister, langsam zu fahren, das Fahrverbot auf Feld- und Wirtschaftswegen zu beherzigen und Hunde anzuleinen. „Kitze werden abgelegt und können verlassen erscheinen. Nicht anfassen. Die Mutter ist in der Nähe und versorgt die Kitze mehrmals, bis sie ihr selbstständig folgen können.“ Sollten sich Rehe im Garten aufhalten, könnten Stecken mit blauen Müllsäcken helfen, ihnen den Weg zu weisen – entsprechend den Reflektoren an Straßenbegrenzungspfählen. „Man sollte den Tieren die Möglichkeit geben, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen.“ entsprechend den Reflektoren an Straßenbegrenzungspfählen. "Man sollte den Tieren die Möglichkeit geben, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen."