Die Häuser – hüfthoch im Hochwasser. Alle zwanzig Jahre könnte rechnerisch so viel Regen fallen, dass dieses Szenario im Ihletal eintritt und die Gebäude des Neubaugebietes überschwemmt werden. Im Frühjahr hat das Umweltressort mit diesen Berechnungen quasi eingestanden, dass bei den Planungen Fehler gemacht worden sind. Die will man nun mit einem Damm durch das Tal korrigieren.
Klaus Peter Postulka wohnt am Klostermühlenweg. Er hatte nie Ärger mit Hochwasser vor der Haustür und findet sich mit seinem Grundstück nun doch in dem Bereich, der auf der Behördenkarte hellblau gekennzeichnet ist – Hochwasserrisiko.
„Die Kuhle des Heidbergbads war unser Schutz. Wir haben immer Maßnahmen zum Hochwasserschutz gefordert, als das Gelände um das Bad aufgeschüttet wurde“, ärgert er sich. Postulka fordert in einem Bürgerantrag an den Beirat Burglesum Schutzmaßnahmen und hätte am liebsten eine Spundwand einmal quer durch das Tal. Und mehr Rückhaltemöglichkeiten für den Regen im Ruschdahlmoor.
Seit der Veröffentlichung der Hochwasser-Karten sei es für die Grundstücksbesitzer im Neubaugebiet schwierig bis unmöglich geworden, eine bezahlbare Versicherung gegen Überschwemmungen abzuschließen, weiß Postulka. Deshalb rät das Umweltressort, sich in der Versicherungsproblematik direkt im Amt beraten zu lassen. Der zuständige Wasserwirtschafter Jens Wunsch weiß von diesen Zuständen und meint, dass Versicherungen die Karten falsch interpretieren.
Postulkas Vorwurf, die Behörde beanspruche private Grundstücke an der Ihle als Überschwemmungsflächen, kann Jens Wunsch nicht nachvollziehen: „Das ist an der Ihle kein Überschwemmungsgebiet wie wir es etwa an der Ochtum oder der Wümme ausweisen. Außerdem wollen wir ja etwas tun.“
Die Behörde habe die Szenarien ganz nüchtern und ohne Blick auf die Vorgeschichte der Planungen mit neuen Techniken und viel Aufwand berechnet. Konkret ging es darum zu schauen, was bei einem Jahrhundertunwetter mit entsprechendem Regen an der Ihle passiert, was bei einem alle 20 Jahre nur einmal auftretenden Sturm und was bei einem 200-jährigen Riesensturm.
Das Ergebnis sind die Risiko-Karten mit dem blau gefärbten Tal und die Einsicht im Umweltressort, dass etwas zugunsten der Anwohner geschehen muss. Wunsch: „Wir haben seit der Fertigstellung der Karten viele Varianten geprüft und glauben, jetzt die optimale Lösung gefunden zu haben.“ Ins Detail will Jens Wunsch noch nicht gehen, aber im Prinzip geht es um den Bau eines Damms direkt zwischen dem Neubaugebiet und den Sportplätzen des TSV Lesum. Präsentieren würde das Ressort die ausführlichen Vorschläge gerne im November- oder Dezemberbeirat.
Auf den neuen Kunstrasenplatz des Vereins angesprochen heißt es, der sei nicht „ganz glücklich“ gebaut worden, habe er doch weiteren Rückhalteraum für Regenwasser gekostet. „Es ist so: Bei bestimmten Szenarien werden die Sportplätze mit dem Dammbau überschwemmt. Aber das wird nur alle zig Jahre vorkommen. Und mit der Maßnahme erreichen wir einen hundertprozentigen Schutz der Wohngebiete selbst für ein Jahrhunderthochwasser.“
Laut Ressortsprecher Jens Tittmann geht es momentan hinter den Kulissen sogar schon ums Geld für den Dammbau. Den Damm dürfe man sich nicht wie einen Deich vorstellen. Die Ihle sei nicht die Weser und ein Sturzhochwasser nach starken Regenfällen anders einzudämmen als ein über Wochen ansteigendes Hochwasser in einem Fluss. Eine Summe im unteren sechsstelligen Bereich werde das Ganze aber schon kosten: „Wir sind dazu in Gesprächen mit dem Deichverband“, so Tittmann.
Auf die fehlerhafte Planung angesprochen führt Tittmann aus, dass das externe Ingenieurbüro bei seinen Berechnungen von falschen Annahmen ausgegangen sei.
Peter Hincke kann wie Klaus Peter Postulka nur betonen, dass das Bauressort früh von den alten Anwohnern des Neubaugebietes vor der Hochwasserproblematik gewarnt worden sei. Hinckes Elternhaus steht nicht nur Am Deichweg 8, er hat als Verfahrensingenieur mit Erfahrung im Wasserbau sogar früh berechnet, wie groß die Menge Regenwasser ist, die an der Ihle vor der Wohnbebauung zurückgehalten werden muss: „Man braucht Platz für 70 000 Kubikmeter Wasser, das sind zehn Fußballfelder, auf denen das Wasser einen Meter hoch steht. Es gab 55 000 Kubikmeter Rückhaltevermögen. Nach der Bebauung des Heidbergbads haben sie jetzt nur noch maximal Platz für 25 000 Kubikmeter.“
Auf eine Diskussion von Hinckes Zahlen will man sich im Ressort nicht einlassen. Nur eines wird offenbar grundsätzlich anders betrachtet. Laut Jens Tittmann wirkt das hoch aufgeschüttete Neubaugebiet für alle tiefer liegenden Grundstücke eher wie ein großer Pfropfen, der das Wasser zurückhält. Der Damm werde in jedem Fall so hoch gebaut, dass er genug Rückhalteraum schaffe, heißt es. Tittmann: „In jedem Fall werden wir nach dem Bau die Gefahrenkarten neu rechnen. Und das kann man schon sagen: Wir werden dann in den Wohngebieten kein Risiko mehr haben.“