Manege frei für ein umstrittenes Projekt: Der „Circus Voyage“ darf – trotz gegenteiliger Willensbekundungen der rot-grünen Koalition – in Bremen abermals sein Zelt aufstellen. Explizit wirbt das Unternehmen mit den „afrikanischen Giganten“, die der Direktor Alois Spindler während der Show präsentiert: „Elefanten, Giraffen und ein Flusspferd.“ Geplant ist im August ein dreiwöchiges Gastspiel auf dem Brenor-Gelände an der Ermlandstraße in Blumenthal.
Rein rechtlich spricht nichts dagegen, auch wenn die Bürgerschaft schon im Dezember 2011 für ein Wildtierverbot gestimmt hat. Denn der Umweltausschuss des Bundestages hat gerade gegen das „Wildtierverbot in reisenden Unternehmen“ gestimmt. Am 21. Juni wurde der Antrag zum Schutz der Tiere, den die Linken gestellt hatten, von SPD und CDU/CSU und abgelehnt. Die Grünen stimmten für das Verbot.
Mit Entsetzen hat Peter Höffken von der Tierschutzorganisation Peta das Abstimmungsergebnis zur Kenntnis genommen. Der 45-Jährige leitet die Kampagnen zum Thema Zirkus und Zoo und hatte gehofft, dass SPD, Grüne und Linke das Wildtierverbot gemeinsam durchbringen würden, zumal die Sozialdemokraten diese Bereitschaft im Vorfeld signalisiert hatten. „Aber die SPD hat gekuscht“, bedauert Höffken. „Die Chance ist jetzt leider vertan. Dabei ist artgerechte Haltung im Zirkus definitiv nicht machbar.“
Von 28 EU-Ländern hätten mittlerweile 22 Regierungen bestimmte Tierarten in Zirkussen verboten, so der Peta-Experte, darunter seit wenigen Tagen auch Rumänien und Lettland, die ein komplettes Wildtierverbot erlassen hätten. Als erstes Land habe Österreich bereits 2005 ein solches Gesetz verabschiedet. „Aber die Deutschen haben nichts verboten“, kritisiert Höffken.
Unterdessen feierten die Schausteller vom „Circus Voyage“ die Abstimmung im Bundestag. Noch am Tag der Entscheidung schrieb ein Mitglied des Unternehmens bei Facebook: „CDU, CSU und SPD haben gegen den Antrag gestimmt und somit eindeutig bewiesen, dass sie sich nicht von emotionalen Behauptungen und Hetzen ideologistischer Tierrechtsvereinigungen in die Irre führen lassen! Seit Jahren versuchen Tierrechtsorganisationen mit falschen Behauptungen und emotionalen Bildern auch auf politischer Basis ein vollkommen grundloses Verbot von Tieren im Zirkus zu erwirken. Der Tierschutz wird in Deutschland groß geschrieben und ein reisender Betrieb wird heutzutage von den amtlichen Tierärzten strenger als jeder andere Tierhaltungsbetrieb überwacht und geprüft.“ Das bestätigt auch Christina Selzer, Sprecherin der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz: „Die Tierhaltung unterliegt der Kontrolle und wird durch unsere Tierärzte überprüft.“
Die Option, ein Gastspiel der Wildtier-Zirkusse zu untersagen, gebe es aber nicht. Selzer verweist hier auf einen gerichtlichen Beschluss vom 12. Januar 2017. In einem Eilverfahren hatte damals die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover entschieden, dass es einer Kommune nicht gestattet ist, für Zirkusaufführungen ein „Wildtierverbot“ auszusprechen.
Keine rechtliche Handhabe
Die Antragstellerin, ein deutsches Zirkusunternehmen, beabsichtigte auf einer öffentlichen Fläche der Stadt Hameln ein Gastspiel durchzuführen, in welchem auch Wildtiere gezeigt werden sollten. Sie beantragte bei der Stadt, ihr dafür eine öffentliche Fläche zur Verfügung zu stellen. Der Rat der Stadt beschloss am 15. Juni 2016, dass kommunale Flächen nur noch für Zirkusbetriebe zur Verfügung gestellt werden sollen, die keine Tiere wildlebender Arten mit sich führen und lehnte den Antrag des Zirkusunternehmens ab.
Diesen Ratsbeschluss erklärte die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts daraufhin für rechtswidrig, da ein Verbot wildlebender Tiere in Zirkussen einzig vom Bundesgesetzgeber geregelt werden könne. Dieser habe aber im Rahmen des Tierschutzgesetzes lediglich festgelegt, dass das gewerbliche Zur-Schau-Stellen von Tieren in Zirkussen einer behördlichen Erlaubnis bedürfe.
Anders als beispielsweise beim Tempolimit, gebe es für den Tierschutz tatsächlich keine regionalen Bestimmungen, bedauert Peter Höffken: „Tierschutz unterliegt der Ermächtigung des Bundes.“, Deshalb rate die Tierschutzorganisation Peta den Bundesländern nun, den Wildtier-Zirkussen die Gastspiele mit Blick auf die Sicherheit der Bürger zu untersagen. Sowohl Giraffen als auch Flusspferde oder Elefanten seien gefährliche Tiere, und die Gefahrenabwehr sei regional geregelt.
Als der „Circus Voyage“ im Mai 2015 ebenfalls an der Ermland gastierte, sorgte das Gastspiel für Proteste. Unter anderem demonstrierten Tierschützer – und Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen und der SPD reagierten erbost. Die Nordbremer Bürgerschaftsabgeordnete Insa Peters-Rehwinkel (SPD) sagte damals: „Das ist für mich ein Zustand, der überhaupt nicht geduldet werden darf.“ Es sei einfach würdelos, was ein Zirkus mit Tieren veranstalte.
Vor zwei Jahren war noch der Großmarkt Vermieter des Areals, inzwischen ist Immobilien Bremen zuständig. Peter Schulz, Sprecher der Liegenschaftsverwaltung, sagt: „Es gibt keine Handhabe zu sagen: Wir machen das nicht.“ Das gebe die Rechtslage nicht her, betont auch er. Es gebe aber im Vertrag zwischen Mieter und Vermieter einen Passus, dass die Tiere artgerecht gehalten und gepflegt werden müssen. Kontrollieren können wir das aber nicht, dass ist Aufgabe des Veterinäramtes.“