Boyd Papprott ist kein Arzt, fährt aber trotzdem täglich zu Schwerkranken. Mal besucht er sie in Kliniken, mal zu Hause. Papprott, 38, erklärt und installiert Geräte, die Menschen brauchen, um am Leben zu bleiben. Der Mann ist Medizintechniker. Auch bei Tobias Laatz war er. Papprott hat ihm und seiner Frau gezeigt, wie die Apparate funktionieren und worauf sie achten müssen. Er brachte vor allem Beatmungstechnik, weil Tobias Laatz nur noch kurz und mit Mühe allein atmen kann.
Papprott weiß, was es bedeutet, ALS zu haben. Während seines Studiums ging es nicht bloß um Technik, sondern auch um die Krankheiten, bei denen Technik zum Einsatz kommt. Er sagt, dass Tobias Laatz durch die Geräte keine Muskelkraft zurückgewinnen wird. „Die Krankheit wird voranschreiten.“ Aber die Apparate, meint Papprott, können dafür sorgen, dass ein Schwerkranker länger Kraft hat, um am Leben zu bleiben. „Wer Hilfe beim Atmen bekommt, der schont sich.“
Der Medizintechniker demonstriert, was die Geräte bei Tobias Laatz machen. Ein Dummy, der so aussieht wie eine Trainingspuppe für Erste Hilfe, liegt auf dem Tisch. Sie hat wie Tobias Laatz eine Kanüle im Hals. Papprott verbindet die Kanüle mit einem Schlauch, der zu einem schuhkartongroßen Kasten führt. „Das ist das Beatmungsgerät.“ Er drückt auf Tasten, um Werte einzustellen, die er auch bei Tobias Laatz‘ Apparat eingestellt hat. Die Lunge der Puppe, ein Beutel aus Kunststoff, füllt sich, leert sich, füllt sich, leert sich,...
Papprott sagt, dass es die neueste Technik ist. Seit fünf Jahren gibt es sie. Davor waren die Beatmungsgeräte so laut, dass man die Turbinen im Inneren ständig rauschen hörte. Jetzt sind sie so leise, dass man sie nicht mal wahrnimmt, wenn es im Zimmer mucksmäuschenstill ist. Früher pumpten die Maschinen eine unveränderbare Menge Luft in die Lungen. Nun lassen sie sich auf das Millibar genau einstellen. „Alles“, meint Papprott, „kann auf den Patienten abgestimmt werden.“
"Mobil bleiben geht heute einfacher"
Und wie jede Technik, wird auch die Medizintechnik immer kleiner und leichter. Als Papprott vor elf Jahren sein Studium beendet hatte, waren die Geräte dreimal so groß und dreimal so schwer. „Mobil bleiben geht heute einfacher.“ Der Medizintechniker zeigt erst auf den Tragegriff des Apparates, dann auf eine Halterung, mit der er an einen Rollstuhl befestigt werden kann. Unterwegs übernimmt ein Akku die Stromversorgung. Es gibt zwei für den Notfall. Genauso wie ein Patient immer zwei Beatmungsgeräte bekommt.
Immer kleiner, leichter, mobiler. Für Olaf Eick hört der Fortschritt damit aber noch lange nicht auf. Auch er ist Medizintechniker. „Medical Engineering“ steht auf seiner Visitenkarte. Und dass er einen Lehrstuhl an der Hochschule in Bremerhaven hat. Eick, 50, bringt Studenten bei, wie Geräte kranken Menschen helfen können. Zugleich ist er an Forschungsprojekten beteiligt. Eick sagt, dass die Medizintechnik entwickelt, was der Arzt braucht, um die Lebensqualität eines Patienten zu verbessern.
Und um die Belastung für ihn so gering wie möglich zu halten. Eick hat ein Patent angemeldet für ein Ultraschallgerät, mit dem das Herz eines Kranken stimuliert werden kann. „Eine Operation“, sagt er, „braucht es nicht.“ Der Patient trägt einen Gurt um die Brust. Das Gerät erkennt, wenn der Herzrhythmus langsamer wird – und sendet einen Schallimpuls, der ihn wieder beschleunigt. Das Prinzip ist so ähnlich wie bei einem Lautsprecher einer aufgedrehten Musikanlage. Wer vor der Box steht, spürt die Bässe auf der Haut und im Körper.
Demnächst will sich Eick mit einer Studentengruppe an einem Projekt der Uni Bremen beteiligen. Dort wird untersucht, wie Gehirnströme in Impulse umgewandelt werden können, um beispielsweise einen Computer zu bedienen. Eick meint, dass dieses Verfahren vielen Patienten helfen könnte, die nicht mehr in der Lage sind zu sprechen. Patienten wie Tobias Laatz. Noch steuert er seinen Sprachcomputer mit den Augen. Doch irgendwann wird er auch sie nicht mehr bewegen können, weil die Muskeln versagen.
Eick hält den Forschungsbereich der Medizintechnik für dynamisch. Er sagt, dass die Entwicklung neuer Geräte zügig voranschreitet, am zügigsten bei der Diagnosetechnik. „Immer mehr Krankheiten können früher erkannt und damit eher behandelt werden.“ Eick weiß, dass die Gerätemedizin auch kritisch gesehen wird. Er redet mit Studenten darüber. Seine Hoffnung ist es, dass sie selbstkritisch bleiben, um später als Medizintechniker nicht wie eine Maschine zu handeln.