Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Ein Leben mit ALS Wenn technische Hilfen versagen

Um sprechen zu können, bedient Tobias Laatz mit seinen Augen einen Sprachcomputer. Allerdings funktioniert die Technik nicht immer. Oft verlieren die Augen den Kontakt oder die Schmerzen sind zu groß.
26.05.2018, 10:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Wenn technische Hilfen versagen
Von Christian Weth

Es passiert immer wieder: Tobias Laatz will mit den Augen schreiben, was der Sprachcomputer für ihn sagen soll, kann es aber nicht. Die Sensoren des Rechners verlieren den Kontakt. Mal sind Tobias Laatz‘ Augen vom Schreiben so trocken, dass er sie immer wieder schließen muss, mal zu nass vor Tränen, die ihm die Schmerzen in die Augen treiben. Das Ergebnis ist das Gleiche. Der Computer schaltet den Vorgang ab – und bleibt stumm.

Tobias Laatz bekommt Morphium und Tilidin, weil er permanent Schmerzen hat. Manchmal sind sie so groß, dass er die Augen zusammenkneift. Dann können Pfleger und seine Frau nur raten, was mit ihm los ist. Sie müssen warten, bis der Schmerz nachlässt und Tobias Laatz wieder schreiben kann, wo es gerade weh tut. Doris Laatz sagt, dass es für sie nur schwer auszuhalten ist, helfen zu wollen, aber in diesen Momenten nicht helfen zu können. Es sind Augenblicke, die ihr Mann am meisten fürchtet: „S-i-c-h n-i-c-h-t m-i-t-t-e-i-l-e-n z-u k-ö-n-n-e-n, i-s-t f-u-r-c-h-t-b-a-r.“

Lesen Sie auch

Der Computer verliert nicht nur den Kontakt zu seinen Augen. Manchmal findet er auch keine Verbindung zum Internet. Tobias Laatz schreibt, dass es ihm mehr bedeutet, online zu sein, als anderen Menschen. „M-e-h-r a-l-s n-u-r e-i-n Z-e-i-t-v-e-r-t-r-e-i-b.“ Das Netz ist für ihn die einzige Möglichkeit, Kontakt zu seiner Mutter aufzunehmen, zu seinen Brüdern, seiner Schwester, seinen Freunden. Und es ist für die ihn die einzige Chance, Berichte und Zwischenstände von Pharmakonzernen zu lesen, die seine Krankheit erforschen. Tobias Laatz hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er geheilt werden könnte.

Kann er weder schreiben noch lesen, was andere schreiben, fühlt er sich „h-i-l-f-l-o-s-e-r d-e-n-n j-e“. Beides ist beinahe das einzige, was er noch kann – außer lächeln und wie in Zeitlupe den Kopf von der einen Seite zur anderen bewegen. Tobias Laatz hat Angst davor, irgendwann nur noch dazuliegen. Nur noch zu hören und zu sehen, was um ihn herum geschieht. Nur noch Gedanken zu haben, sie aber niemandem mitteilen zu können. Er weiß, dass diese Zeit kommen wird. Er hat es gelesen. Tobias Laatz stellt sich vor, dann wie ein Geist zu sein. Ein Geist, den jeder sehen, aber keiner hören kann.

Lesen Sie auch

Einmal kam er sich schon so vor. Das war, als der Sprachcomputer in der Nacht kein Warnsignal von sich gab, obwohl Tobias Laatz dringend Hilfe brauchte, weil ihm die Luft wegblieb. Der Akku des Rechners war zu schwach – und der Ersatzakku machte nicht das, was er machen sollte: im Notfall für Strom sorgen. Seither schläft Tobias Laatz nur noch mit Licht und hat ein Gerät mehr am Bett. Nachts wird jetzt auf seinem Kopfkissen ein Apparat in Position gebracht, der wie ein kleines Mikrofon aussieht. Das Mikrofon ist ein Sensor. Er löst einen Alarm aus, sobald sich Tobias Laatz ihm um wenige Zentimeter nähert.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)