An ihnen scheiden sich die Geister. Entweder man liebt sie – oder man hasst sie. Jedenfalls kommt mir das stets so vor, wenn ich von ihnen schwärme. Von ihrer schlichten Eleganz, der von ihnen verkörperten Tradition, ihren sensorischen Versprechungen, die sie immer wieder aufs Neue zu halten wissen. Von dem einfachen, aber überzeugenden Genuss, den sie bieten. Ja, ich bin ein Pferdewürstchen-Affiner. Und wo gibt es die besten Rosswürstchen der Welt? Auf dem Bremer Freimarkt!
Diese wurstige Affäre pflege ich seit meiner Kindheit. Der Schlachter um die Ecke war ein Pferdeschlachter, der kindliche Gaumen wurde damit schon früh pferdewurstmäßig geprägt. Und es ging mitnichten nur um die Wurst. Wenn Zuhause Pferdesteaks (mmh mit Zwiebeln und Champignons) oder Pferderouladen auf den Tisch kamen, waren das stets Festessen.
Aber die kleinen Würstchen waren und sind bis heute meine Nummer eins im Reigen der Pferdefleisch-Erzeugnisse. Meine Mutter prägte für sie übrigens den Begriff Hü-Würstchen, den ich bis heute verinnerlicht habe. Kann es eine genialere Bezeichnung geben? Hü und hot – eine wunderbare Kombination.
TV-Ritual
Gerne erinnere ich mich an ein Ritual, das ich mit einem Freund in unseren längst vergangenen Kinder- und Jugendtagen pflegte: Zum Spätfilm im Fernsehen ließen wir uns jeweils zehn gebratene Exemplare dieses Produktes höchster Fleischerkunst schmecken.
Sicher, es gibt auch die Rostbrat- und die Currywurst. Sind auch lecker. Aber bei ersterer beißt man immer mal wieder auf einen Knorpel, bei zweiter ist oft die Soße nix. Bei Pferdewürstchen habe ich noch nie ein knorpeliges Kauerlebnis gehabt. Und Soße spielt hier keine Rolle, Pferdewürstchen kann man nur mit Senf genießen. Den richtigen Senf für das perfekte Date mit den HÜ-Würstchen zu finden, ist allerdings nicht leicht, das muss ich einräumen.
Den ersten Pferdewurst-Stand auf dem Freimarkt kann ich schon olfaktorisch erfassen, sobald ich den Nordausgang des Bahnhofes verlassen habe. Er steht immer an derselben Stelle, seit ich denken kann. Und das ist gut so. Weil er am Rand steht. So muss ich nicht extra über den ganzen Markt laufen, um zur Quelle meiner pferdefleischlichen Gelüste zu gelangen.
Ein Mysterium
Auf dem Freimarkt gibt’s die Hü-Würstchen immer im Dreierpack (gut, man könnte auch eine einzelne Wurst bestellen, was aber ob der Größe völlig sinnlos wäre). Auch in diesem Jahr werde ich mich wieder fragen, warum dieses Trio immer so viel besser schmeckt, als die Würstchen aus der eigenen Pfanne. Liegt es an der Atmosphäre? Am Senf? Kommen auf dem Freimarkt nur Würstchen von besonderen Pferden in die Bräter? Ich weiß es nicht, und ich will es auch nicht wissen. Es ist doch schön, wenn es noch Mysterien gibt.
In diesem Sinne werde ich auf dem 984. Bremer Freimarkt wieder öfter sagen: Einmal drei bitte!