Der Agent stellt sich als ein guter, alter Bekannter heraus. Es ist kurz vor 18 Uhr am Donnerstagabend, und das Rätselraten hat gleich ein Ende. In wenigen Augenblicken wird sich der sogenannte Agent enttarnen und den Mitgliedern der Landjugend Blockland mitteilen, welche Aufgaben sie in den nächsten 72 Stunden zu erledigen haben.
Um Punkt 18 Uhr ist das erste Rätsel gelöst. „Ah, der Denny“, ruft jemand, als Denny Drewes ein weißes Blatt Papier aus der Jackentasche zieht und entfaltet. „Da 007 im letzten Film gestorben ist, haben sie mich genommen“, sagt Agent Drewes. Er war bis vor einigen Jahren selbst Mitglied der Landjugend Blockland und deren Vorsitzender. Jetzt hat er im Vorfeld der 72-Stunden-Aktion mit dem Heimatverein Blockland und der Niedersächsischen Landjugend als Veranstalter abgestimmt, was getan werden soll.

Agent im Auftrag der Niedersächsischen Landjugend: Denny Drewes teilt den Teilnehmern mit, welche Aufgabe sie zu erfüllen haben.
„Wenn ihr euch umschaut, habt ihr vielleicht schon eine Ahnung, was auf euch zukommt“, sagt Drewes. Auf dem Platz vor der Landjugendhütte im Niederblockland haben sich alle versammelt, und ein Blick zur Seite verrät: Für die alte Scheune und den windschiefen Schuppen in der Kurve könnte die letzte Stunde geschlagen haben. Und so ist es: „Gerne darf der Schuppen weichen“, sagt Drewes. Bis Sonntag soll dort, wo jetzt noch eine Bauruine mit zerschlagenen Fenstern und verzogenen Türen steht, etwas Neues entstanden sein. Was, das können die Landjugendlichen gleich selbst entscheiden.
„Aber das ist noch nicht alles“, sagt Drewes, „es soll ja nicht zu leicht werden.“ Also müssen sie auch noch einen Lehrpfad durch das Blockland anlegen. Mit Tafeln? QR-Codes? Auf platt- oder hochdeutsch? Auch darüber zerbrechen sich die 25 Leute, die am ersten Abend dabei sind, gleich den Kopf.

So sieht es aus, als die Jugendlichen ihre Arbeit aufnehmen. Ihr Auftrag: Hütte und Scheune sollen weg und Neues entstehen.
Mehr als 40 Landjugend-Mitglieder – Schüler, Studenten, Azubis und ein paar, die schon mitten im Berufsleben stehen – werden es am Ende sein, die bis Sonntag mitangepackt haben. Fast 5000 sind es in ganz Niedersachsen bei der Veranstaltung, die alle vier Jahre stattfindet. 128 Ortsgruppen machen mit. Überall drehen sich die Projekte um Kultur- und Heimatpflege, um Naturschutz oder Bildung.
Im Blockland rauchen jetzt die Köpfe. Wer macht was? Womit fängt man am besten an? Die jungen Frauen und Männer haben sich in der Landjugendhütte auf Sofas gequetscht und werfen Ideen in die Runde. Es wird Pizza serviert. David, Laura, Marieke und Friederike stehen draußen vor der Tür und machen ihr eigenes Brainstorming. Ein Vordach schützt sie vor dem Nieselregen. „Vielleicht sollte man bei den Fahrradständern auch an eine Überdachung denken“, sagt David. „Gute Idee“, findet Laura, „und drüben im Schuppen haben wir ja vielleicht Latten übrig.“ Friederike schmunzelt: „Cool. Das wäre dann ja sogar nachhaltig.“ Alle lachen.

Lagebesprechung in der Landjugendhütte: Die Aufgabenstellung ist bekannt, jetzt geht es daran, einen Plan aufzustellen und das Vorgehen zu koordinieren.
Ein schönes Fleckchen haben sie sich im Blockland hier hergerichtet. Eine Grillhütte hat die Landjugend bei einer früheren 72-Stunden-Aktion an dieser Stelle gebaut. Vor vier Jahren haben sie die Terrasse vor der Landjugendhütte gepflastert und ein 200 Meter langes Stromkabel zum nahegelegenen Festplatz verlegt. Bis zum Dorfgemeinschaftshaus ist es nur ein Steinwurf. „Hier trifft sich das Dorf“, sagt Marieke Hoehne, aktuell Landjugend-Vorsitzende. Hier feiern die Blocklander Hochzeiten und Feten, hier brennt jedes Jahr das Osterfeuer.
Irgendwann haben sie in der Hütte genug geredet. Jetzt geht es an die Arbeit. Der Plan steht: Als Erstes sollen Scheune und Schuppen weg. Maik sperrt den Bereich mit Flatterband ab und befüllt die Motorsäge. Die anderen inspizieren die Ruine. „Schmeißt nicht alles weg“, ruft einer. Die Türen zum Beispiel lassen sich als Deko nutzen. Und auch mit den alten Eichenbalken lässt sich noch etwas anstellen.

Bevor die Scheune dem Erdboden gleichgemacht wird, bringen Helfer die Türen in Sicherheit. Für sie lässt sich bestimmt noch eine Verwendung finden.
Friederike schlägt vor, die alten Wagenräder und Achsen eines verfallenen Pferdewagens zu fotografieren, „die Bilder kann ich dann gleich bei eBay reinstellen“. Etwas Geld können sie nämlich gut gebrauchen. Deshalb werden sie bis Sonntag im Dorf auch noch einmal Spenden einsammeln. Einige Höfe, Cafés, Bäckereien und Baumärkte haben sie in den Tagen vorher schon erfolgreich abgeklappert. In einigen Geschäften bekommen sie nun Prozente. Das Frühstück spendiert eine Gaststätte aus der Nähe, ein Bauer hat Eier gesponsert, die Getränke – Bier, Cola, Wasser – sind schon geliefert. So lässt es sich aushalten.
Ein Teil der Scheune fällt noch am ersten Abend. Wer will, schläft im Dorfgemeinschaftshaus, wer will, darf ein paar Stündchen aber auch zu Hause übernachten. Am nächsten Morgen ist der kleine Schuppen fällig. Zu diesem Zeitpunkt ist hoher Besuch vor Ort. Anne, Nico und Marcel sind von der Niedersächsischen Landjugend. Sie besuchen die Ortsgruppen aus den Kreisen Osterholz, Rotenburg und Verden.

Der erste große Schritt ist getan: Schuppen und Hütte sind abgerissen. Jetzt muss der Schutt weg.
Was sie im Blockland sehen, gefällt ihnen. Jakob sitzt im Trecker und macht sich gerade daran, den Schuppen einzureißen. Mit der Greifschaufel drückt er gegen die Dachkante. Nach dem ersten Stoß steht der Schuppen schief, will aber noch nicht in die Knie gehen. Also noch einmal stoßen, diesmal bricht das Gebälk krachend zusammen. David, Lukas und zwei andere Jungs zerlegen den Rest; biegen Balken, hämmern Holz, drücken Dachpappen.
„Die Landjugend kann nicht nur feiern, sondern packt auch an“, sagt Marcel Habeck. „Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass ehrenamtlich etwas für die Gemeinschaft getan wird“, sagt Anne Dörgeloh. Auch den Landjugendgruppen selbst täten diese Aktionen gut, sagt Marieke Hoehne, „das stärkt den Spirit, das sorgt für eine neue Dynamik im Team“.

Scheune und Hütte sind weg: Dafür stehen jetzt Fahrradständer und Bänke dort. Die freie Fläche wird mit Rasen eingesät.
In den 72 Stunden seit Donnerstag trägt dieser Geist die Blocklander Landjugendlichen weit. Als am Sonntag um 18 Uhr Schluss ist mit Graben, Hämmern, Sägen und Pflastern haben sie alles geschafft, was sie schaffen sollten. Dort, wo Scheune und Schuppen standen, ist Rasen eingesät und sind Blumen eingepflanzt, Bänke und Fahrradständer gehören zum neuen Ensemble. Sogar den alten Pferdewagen haben sie wieder auf Vordermann gebracht. Und den gewünschten Lehrpfad gibt es jetzt auch. „Einfach mal machen“ lautet das Motto der Landjugend. Im Blockland haben sie genau das drei Tage lang getan.

Noch schnell etwas harken, dann den Rasen einsäen und ein paar Blumen pflanzen: Die Landjugend Blockland hat die ihr gestellten Aufgaben erfüllt.