Der Oslebshauser Kater Schröder, auf den geschossen wurde, ist das Opfer in einem der jüngsten Fälle von Tiermisshandlung. Vor wenigen Monaten wiederum hat ein 53-Jähriger eine Katze samt Transportbox in den Waller See geworfen. Ein junger Mann rettete das Tier. Sarah Ankermann versorgte sie. "Die Katze hat das gut überstanden", sagt die Tierärztin beim Tierheim Bremen, die auch eine der Geschäftsführerinnen der Bremer Tierärztekammer ist. Dass auf Tiere geschossen werde, erlebe sie immer wieder. "Anfang des Jahres gab es eine ganze Serie von Fällen, in denen Tauben angeschossen wurden." Alle Fälle würden bei der Polizei angezeigt. "Gefühlt ist es so, dass der Umgang rauer wird."
Das sieht auch Sina Fehr so. Die Leiterin des vom Bremer Tierschutzverein betriebenen Tierheims hat den Eindruck, dass Tiere immer weniger wertgeschätzt würden. "Momentan schient der Spaßfaktor im Trend zu liegen: Tiere schnell anschaffen und sie schnell wieder loswerden." Aktuell seien Menschen oft mit ihren Hunden und Katzen überfordert. Katzen, die einzeln gehalten werden, könnten verhaltensauffällig und "unverträglich" werden. "Wenn einem ein Welpe am Arm geknabbert hat, ist das vielleicht süß, wenn der Hund dann sechs Monate alt ist, ist das aber nicht witzig", sagt Sina Fehr. "Was ich schade finde, ist, dass der Wille, Tieren in solchen Fällen zu helfen, oft nicht da ist. Da ist das Tierheim näher als der Hundetrainer oder die Katzenpsychologin."
Gegenwärtig sei das Tierheim mit rund 50 Hunden und 200 Katzen gut belegt, sagt die Leiterin. Viele der Tiere könnten derzeit nicht vermittelt werden, weil sie in behördlichen Ermittlungsverfahren sichergestellt worden oder, wie viele der jungen Katzen, noch nicht geimpft und kastriert seien. Hinzu kämen mehr als 70 sogenannte Exoten: Außer Leguan Bruno, der schon seit fünf Jahren im Heim lebe, gebe es beispielsweise Wasserschildkröten unterschiedlicher Arten. "Die werden oft von den Leuten ausgesetzt, wenn sie zu groß fürs Aquarium werden", weiß Sina Fehr. "Außerdem gibt es Fische und Wasseragame. Und eine Schlange, die in einer viel zu engen Plastikbox gehalten wurde."
Überhaupt grenze eine falsche Haltung der Tiere oft an Misshandlung, stellt Sina Fehr fest: Bartagamen würden falsch gefüttert. Das Fell von Langhaarkatzen sei verfilzt. Schildkröten müssten in grünem Wasser schwimmen, und es gebe "immer wieder die Kaninchen, deren Käfige so klein sind, dass sich nicht mal die Ohren aufstellen können". Ein "Klassiker" sei der am Tierheim angebundene Hund. "Auch Katzen wurden schon in Container auf dem Flur abgestellt." Von der "Not der Menschen" zeuge auch dieses Beispiel: "Wir haben gerade sehr viele Hähne. Die Leute züchten Hühner und stellen dann fest, dass Hähne krähen und aufeinander losgehen, wenn da zu wenige Hennen sind." Einige der Gockel seien in einem Karton auf einem Feldweg gefunden worden.
Perdita Goltz vom Verein Taubenhaus Bremen sorgt sich um andere Vögel. Sie weiß nicht nur von Schüssen auf Tauben, sondern berichtet auch von Giftweizen, der mitunter an Futterplätzen ausgestreut werde. "Man erkennt ihn an der roten Färbung. Wir hoffen immer erst, es sind Linsen, aber das täuscht in der Regel. Das ist ja auch für Kinder und Hunde gefährlich und ebenso verboten wie Stachelhalsbänder für Hunde", sagt sie. "Wirklich gruselig" sei die Situation an einigen Stellen in der Innenstadt, in Bahnhöfen und unter Brücken, wo Netze zum Schutz gegen Tauben aufgehängt sind. "Das ist häufig so schlecht gemacht, dass sich die Tauben dahinter verfangen können oder nicht mehr hinaus finden. Wenn man hoch schaut sieht man: Es hängen viele tote Tauben in den Netzen."
"Quälerei fängt ja damit an, dass man sich nicht ums Tier kümmert", sagt Frank Mergenthal. In seiner Achimer Kleintierpraxis kommen ihm "nur punktuell" Misshandlungsfälle unter. Der stellvertretende Vorsitzende der niedersächsisch-bremischen Sektion des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (BPT) hat aber schon anderes gesehen: "Wir hatten hier auch schon eine Katze mit dem Pfeil eines Bogenschützen im Rückenmark."
Ute Zogbaum leitet den Tierschutzausschuss der niedersächsischen Tierärztekammer, die mit der bremischen "in engem Austausch steht". Wenn es um Tierquälerei geht, legt sie Wert auf die Unterscheidung zwischen "Vorsatz, wie beim Pferderipper" und mangelnder Sachkunde bei Haltern, die bei den Tieren Schmerzen oder dauerhafte Leiden verursache. "Die Leute meinen es gut", räumt die Tierärztin ein. "Aber viele haben keinen Schimmer." Jeder, der einen Fernseher oder ein Auto kaufen wolle, erkundige sich vorab, aber bei Tieren informiere sich kaum jemand gründlich genug. "Ich vermisse immer mehr, dass sich die Leute schlaumachen, wie Tiere ticken. Das sind ja keine Verbrauchsgüter, sondern Familienmitglieder. Da liegt vieles im Argen." Die Corona-Pandemie habe viele Leute auf den Gedanken gebracht, ein Tier sei gut für sie. "Fraglich, ob das umgekehrt auch so ist. Die Tierheime sind voll", sagt Ute Zogbaum. "Und das ist klar: Man darf nicht auf Katzen schießen. Aus die Maus."