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Wundermittel gegen Kater? Das steckt hinter dem Hype um "Elotrans"

Ein Hype in den sozialen Medien sorgt dafür, dass das Durchfallmittel "Elotrans" in Bremer Apotheken nahezu ausverkauft ist. Es soll den Kater nach durchzechten Party-Nächten verhindern. Das steckt dahinter.
12.08.2022, 16:29 Uhr
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Das steckt hinter dem Hype um
Von Judith Kögler

Um den Kater nach einer durchzechten Party-Nacht erträglicher zu machen, greifen feierwütige Menschen zu den verschiedensten Tricks: Einige schwören auf den Döner nach dem Disco-Besuch, andere versuchen, mit dem sogenannten "Zwiwa", dem Zwischenwasser zwischen zwei alkoholischen Getränken, die Kopfschmerzen am Folgetag abzumildern.

In den sozialen Netzwerken wie TikTok oder Instagram gibt es seit Wochen einen Hype um eine Elektrolytmischung aus der Apotheke. Influencer wie die Hamburgerin Caro Dauer halten das Arzneimittel vor Klubbesuchen regelmäßig in die Kamera. Bei Amazon preisen Nutzer die Zucker-Salz-Lösung als "perfektes Gadget für den Wochensuff" an und betonen, dass das Pulver "selbst nach sieben Maß Bier und dem Verlust sämtlicher motorischer Fähigkeiten perfekt hilft."

Hohe Nachfrage nach "Elotrans" in Apotheken

Das Präparat "Elotrans", um das es hier geht, wird vom Arzt eigentlich als Arzneimittel bei schwerem Durchfall gegen Flüssigkeits- und Mineralstoffmangel verschrieben. Seitdem es den Trend im Netz gibt (der Instagram-Account "Elotrans" hat mehr als 11.600 Follower), wird es nun auch als vermeintliches Wundermittel gegen den Kater genutzt. Das macht sich in den Apotheken bemerkbar: Es gibt Lieferengpässe, das wasserlösliche Pulver ist oftmals ausverkauft. "In Bremer Apotheken ist "Elotrans" nur noch schwer verfügbar oder gar nicht mehr erhältlich", sagt Klaus Scholz, Präsident der Bremer Apothekerkammer. Auch vergleichbare Medikamente wie "Oralpädon" seien in diesem Jahr nicht mehr zu bekommen. Helfen solche Elektrolytmischungen wirklich gegen den Kater? 

Bernd Mühlbauer, Arzt und Direktor am Institut für Pharmakologie im Klinikum Bremen Mitte, zeigt sich skeptisch. "Das ist eine nicht geklärte Frage", sagt er. Echte wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit bei übermäßigem Alkoholkonsum gebe es nicht. Warum "Elotrans" dennoch gegen die Folgen durchfeierter Nächte genommen wird: Der Verzehr von alkoholischen Getränken entzieht dem Körper Wasser und stellt – ähnlich wie Durchfallerkrankungen – den Elektrolythaushalt auf den Kopf. Um diesen wieder auszugleichen, wurde früher zu Hausmittelchen wie dem Rollmops gegriffen – und heutzutage eben zu Pulverlösungen aus der Tüte.

Dabei helfen "Elotrans" und vergleichbare Mittel nicht gegen die weitaus größeren gesundheitlichen Folgen von ausschweifendem Alkoholkonsum. "Alkohol interagiert intensiv mit den Nervenzellen im Gehirn", sagt Mühlbauer. Das führe zu den bekannten Effekten – vom angenehmen Stimmungshoch über Störungen von Denken und Motorik bis hin zur Bewusstlosigkeit.

Einnahme kann auch gefährlich sein

Da Alkohol ein Zellgift ist, können bei übermäßigem Konsum Hirnzellen absterben, sich die Gehirnfunktion verschlechtern und das Kleinhirn Schaden nehmen. Weitere körperliche Schäden wie Entzündungen des Magen-Darm-Traktes (Magenschleimhautentzündung), sexuelle Dysfunktion, Krebs- und Lebererkrankungen können ebenso Folgen sein. "Angesichts dieser Effekte halte ich das Problem des Salz-Wasserhaushaltes für weniger relevant", so der Mediziner.

Mühlbauer weist außerdem darauf hin, dass die Einnahme von Glucose-Elektrolyt-Mischungen für einige Personengruppen gefährlich sein kann. Bei Menschen mit Nierenfunktionsstörung, Bluthochdruck oder Herzschwäche sei Vorsicht geboten. "Diabetiker müssten beachten, dass in dem Medikament viel Zucker ist", sagt Apotheker Scholz. Er betont, dass es sich bei "Elotrans" um ein Arzneimittel handelt, das tatsächlich nur bei Durchfallbeschwerden genutzt werden sollte.

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Denn die aktuell herrschenden Engpässe können jene in Bredouille bringen, die auf das Mittel angewiesen sind. Das sind insbesondere kleine Kinder, bei denen das Risiko bei Durchfall oder Erbrechen zu viel Wasser oder Mineralstoffe zu verlieren, hoch ist. Deshalb gelten Zucker-Salz-Lösungen wie "Elotrans" für sie in solchen Fällen als vom Arzt verordnete Standardmedikation.

Der Hersteller von "Elotrans", die Firma Stada, erklärt sich die gestiegene Anfrage übrigens nicht mit dem Internet-Hype, sondern mit der aktuell laufenden Reisesaison. In der Coronazeit sei die Nachfrage stark zurückgegangen, da Menschen weniger gereist seien und sich aufgrund der Kontaktbeschränkungen weniger mit Durchfallerkrankungen angesteckt hätten, sagt das Unternehmen gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". So gehe man davon aus, dass die "aktuell erhöhte Nachfrage an der Bevorratung für die Reiseapotheke liegt."

Pharmakologe Mühlbauer erwartet, dass sich der Trend um das angebliche Katermittel bald wieder legen könnte. "Die wirksamste Vorbeugung vor Kater ist, nicht mehr zu trinken, als man verträgt", sagt er. Sollte das aber doch mal der Fall sein, rät Apotheker Scholz zu Altbekanntem: Den entstandenen Flüssigkeits- und Salzverlust durch "viel Trinken und einen Salzhering kompensieren."

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