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An der Reitbrake in Oslebshausen Erste Fundstücke bei Grabungen

Zwei Meter tief hat sich der Bagger auf dem Gelände des sogenannten Russenfriedhofs in das Erdreich gewühlt. Dabei sind die ersten Fundstücke ans Tageslicht gekommen.
13.07.2021, 19:23 Uhr
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Erste Fundstücke bei Grabungen
Von Frank Hethey

Ein Holzstumpf ragt aus dem Erdreich. "Das dürfte der Eckpfosten des Friedhofgeländes gewesen sein", sagt Landesarchäologin Uta Halle. Nicht weit entfernt ist ein abgebrochener Betonpfeiler zu sehen. "Vielleicht vom Eingangstor", vermutet Halle. Zwei Meter tief hat sich der Bagger in den Boden an der Reitbrake in Oslebshausen gewühlt. Dort, wo einmal der sogenannte Russenfriedhof war. Bei diesen Vorarbeiten wurden in diesen Tagen erste Fundstücke zutage gefördert. Dazu gehören ein paar Meter stark verrosteter Stacheldraht mit besonders eng gesetzten Stacheln,  militärischer Stacheldraht. Aber auch Dinge, die nicht unbedingt zu erwarten waren. Wie etwa zwei geschmolzene Glasklumpen. Oder das Fragment eines Topfes.   

Am Bahngleis klafft jetzt eine etwa 60 Meter lange Grube, die teils mit Planen abgedeckt ist. Sie erstreckt sich längs der südlichen Grenze des früheren Friedhofs. Zwei Gräberreihen umfasst dieser Suchabschnitt, in der Mitte ist die dunkle Verfärbung eines Gangs zu erkennen. Doch die Grube ist nur ein kleiner Teil der Bestattungsstätte für sowjetische Kriegsgefangene und wohl auch Zwangsarbeiter. Insgesamt hatte der Friedhof ein Ausmaß von 20.000 Quadratmetern, eine Fläche von 100 mal 200 Metern.

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Nach dem Überfall auf die Sowjetunion angelegt, wurde auf dem Friedhof eine unbekannte Anzahl von Toten begraben. 446 von ihnen wurden 1948 auf den Osterholzer Friedhof umgebettet, die zentrale Bremer Kriegsgräberstätte. Doch vermutlich waren das nicht alle, schon damals hatte man Hinweise auf deutlich mehr Opfer. Von 750 Personen ging die Polizei bei einer ersten Überprüfung 1946 aus. "Das große Rätsel ist: Warum wurden die Arbeiten eingestellt?", sagt Konrad Elmshäuser, Leiter des Staatsarchivs. "Darauf geben unsere Akten keine Auskunft." Die Frage sei jetzt, ob noch weitere Tote auf dem früheren Friedhofsareal zu finden sind und wenn ja, wie viele. "Wir wollen die Wahrheit wissen."   

Auf menschliche Überreste ist man noch nicht gestoßen, kann man auch nicht gestoßen sein, weil man gerade erst die einstige Oberfläche des Friedhofs erreicht hat. Erst jetzt ist der Bahndamm wieder als solcher zu erkennen, vorher war die Fläche ebenerdig. Abgetragen wurde allerdings nicht nur aufgespülter Sand. Davon wusste man. Aber nicht, dass auch noch zwei Meter Schutt auf dem früheren Friedhof aufgehäuft wurden. Wie es scheint: Trümmerschutt aus der zerbombten Stadt – daher wohl das geschmolzene Glas, die unzähligen Ziegelbruchstücke.  

Der Bagger hat seine Arbeit in diesem Bereich getan, jetzt gehen die Grabungen per Hand weiter, die eigentlichen Ausgrabungen. In etwa zwei Wochen soll es so weit sein, so Landesarchäologin Halle. Anfang August werden die ersten Studierenden von der Bremer Universität zur Unterstützung erwartet, später auch sieben Studierende aus der Ukraine, ehemals ein Teil der Sowjetunion.

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In den ersten Reihen rechnet Halle eher nicht mit menschlichen Überresten. Schlicht und einfach, weil vermutlich bereits 1948 an dieser Stelle gegraben wurde. "Wir müssen im Moment davon ausgehen, dass diese Gräber schon exhumiert worden sind", sagt die 64-Jährige. Aber damit hätte sich die Arbeit keineswegs erledigt. Denn anders als bei mittelalterlichen Grabstätten dürfte es noch lebende Angehörigen geben. "Die Generationenkette kann noch bestehen", so Halle. Und daraus leitet sie den Auftrag ab, so viel wie möglich zu tun für die Identifizierung der umgekommenen Kriegsgefangenen, die als "unbekannte Tote" auf dem Osterholzer Friedhof zur letzten Ruhe gebettet wurden. 

Inzwischen ist die Infrastruktur der Grabungsstätte professionell eingerichtet. Vier Container stehen am Rande des früheren Friedhofsareals. Einer dient als Sozialraum, einer als Büro, die beiden anderen sind für die Lagerung von Fundobjekten vorgesehen. Für den Fall, dass menschliche Überreste geborgen werden, erhalten sie einen besonderen Platz. "Anschließend werden sie anthropologisch ausgewertet", sagt Halle, die vom technischen Grabungsleiter Jan Geidner und der Archäologin Cathrin Hähn unterstützt wird. 

Wie viel Zeit die Grabungen in Anspruch nehmen werden, ist schwer vorherzusehen. Geidner kalkuliert mit 14 Gräberreihen, die freizulegen sind. Angepeilt ist dafür ein halbes Jahr, möglichst ein Ende vor Wintereinbruch. Aber: "Wenn es länger dauert, dauert es länger", sagt Halle. 

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