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Auf vogelkundlicher Tour im Werderland Ewald Friesen führt durch Naturschutzgebiet

Das Werderland wird im Herbst und Winter von tausenden nordischen Gänsen sowie Watt- und Wasservögeln als Raststätte und Winterquartier genutzt. Naturschutzwart Ewald Frieden bietet Führungen an.
08.12.2014, 00:00 Uhr
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Von Klaus Grunewald

„Werderland“ kann mit „Insel im Fluss“ übersetzt werden. Ein gut 800 Hektar großes Natur- und Landschaftsschutzgebiet zwischen Lesum und Weser, das im Herbst und Winter von tausenden nordischen Gänsen sowie Watt- und Wasservögeln als Raststätte und Winterquartier genutzt wird. Doch es gibt Tage, da scheinen sie einen großen Bogen um die teils versumpfte Marschlandschaft zu fliegen.

Ewald Friesen hat die Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen. Ein eisiger Ostwind fegt an diesem Morgen durchs Werderland. Der 77-Jährige ist für die vogelkundliche Pirsch gewappnet. Seit zwei Jahrzehnten wacht er als Naturschutzwart des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) über den Lebensraum von Kiebitz, Knäkente und Kormoran, von Schmetterling Libelle und Frosch, von Armleuchteralge und Laichkraut. Amphibien und Falter haben vor dem anrückenden Winter indes längs Reißaus genommen, den Vögeln gehört in diesen Monaten die Welt im Werderland.

Aber wo sind sie geblieben? „Normalerweise“, erzählt Friesen im überdachten und holzummantelten Beobachtungsstand am Dunger See, „tummeln sie sich im morgendlichen Sonnenschein zu Hunderten auf dem Wasser“. Doch jetzt wundert sich auch ein Kormoran über den verwaisten See. Er fliegt ein paar Erkundungskurven und dreht dann gelangweilt nach Süden ab. „Wie haben keinen guten Tag erwischt“, erklärt Friesen. „Sie haben sich alle vor dem eisigen Wind ins Uferdickicht verzogen.“

Mit „alle“ meint der Lesumer die Pfeif-, Schnatter-, Löffel-, Tafel-, Knäck-, Reiher- und Stockenten, die den Vogelkundlern und Spaziergängern auch in der kalten Jahreszeit eine prächtige Kulisse auf dem Baggersee bieten. Haubentaucher, Zwergtaucher, Bläss- und Saatgänse lassen sich ebenfalls nicht blicken.

Früher eine sumpfige Insel

Zu Abertausenden machen sie Winterurlaub im besonders geschützten Feuchtgrünland. Wie der Silberreiher, der vom Seeufer aufsteigt und Kurs auf ein paar Graugänse nimmt, die mit dem Fernglas zu erkennen sind. In der Nähe der Grenze zur Industrie. Dort, wo die Schlackenberge des Stahlproduzenten Arcelor Mittal in den grau-kalten Himmel ragen.

Das Werderland war einst eine sumpfige Insel zwischen zwei Weserarmen. Im 12. und 13. Jahrhundert begann man mit der Entwässerung durch ein engmaschiges Grabennetz, das auch heute noch die Landschaft prägt.

Der Weserausbau nach Plänen von Ludwig Franzius in den Jahren 1887 bis 1895 führte zum Verlust naturnaher Auenlebensräume. Und die Ansiedlung der Klöckner-Hütte in den Jahren 1955 bis 1957, der die Ortschaften Osterort und Mittelsbüren weichen mussten, reduzierte die rund 2000 Hektar große Gesamtfläche der „Flussinsel“ auf gut 800 Hektar.

Ewald Friesen kennt sie wie seine Westentasche. Schon als jungen Bengel zog es ihn dorthin, wo die Vögel wohnen. Mit acht Jahren, erzählt er und lässt den Blick über den Dunger See schweifen, habe er bereits in den Wiesen gesessen und Vögel beobachtet. Friesen kam 1945 aus seiner Geburtsstadt Danzig zusammen mit seinen Eltern nach Lesum, wo er noch heute wohnt.

Der Dunger See entstand 1979

Als Ornithologe ist er begehrter Informant auf Wanderungen durch Knoops Park, das Ruschdahlmoor oder eben das Werderland. Das einst von den ehemaligen Landgütern „Kleine Dunge“ und „Große Dunge“ dominiert wurde, den ersten Siedlungsstätten auf der Insel im Fluss. Sie sollten in den 1980er-Jahren in Ruhestätten für die Toten verwandelt werden. Für den Bau des geplanten Friedhofs benötigte man Sand. Und so entstand 1979 der rund 33 Hektar große und zehn Meter tiefe Dunger See. Der Gottesacker wurde nie benötigt, Golfspieler bemächtigten sich der Fläche. Und der von unterirdischen Quellen gespeiste Baggersee entwickelte sich zum Zentrum eines artenreichen Schutzgebietes für Flora und Fauna.

An seinem Ufer in der Nähe des Beobachtungsstandes trotzt an diesem Morgen ein Zaunkönig dem eisigen Wind. Sein Erkundungsflug führt ihn zum Brutkasten des äußerst scheuen Eisvogels, der gerne an stehenden Gewässern in von Menschen geschaffenen Hohlräumen haust. Ob ihn die Spaziergänger zu Gesicht bekamen, die im Beobachtungsstand zwei leere Weinflaschen zurückgelassen haben, darf bezweifelt werden.

Beschränkungen für Hundehalter

Inzwischen lassen sich ein paar Stockenten auf dem Graben in der Nähe des Dunger Sees sehen. Vermutlich treibt sie der Hunger aus dem windgeschützten Versteck. Ihr Name ist ein Hinweis auf den Brutplatz, den der Wasservogel früher bevorzugte: eine auf den Stumpf oder Stock gesetzte (zurückgeschnittene) Weide.

Auf den Pott müsste der Naturschutzwart Ewald Friesen dagegen Hundehalter setzen, die ihre Vierbeiner im Natur- und Landschaftsschutzgebiet laufen lassen. Doch um diese Jahreszeit drückt er schon mal ein Auge zu. Brut ist nicht in Gefahr, und ausgewachsene Wat- und Wasservögel sind zu clever für einen domestizierten Golden Retriever. Der 77-Jährige zieht noch einmal die Pudelmütze stramm, bevor er sich aufs Fahrrad schwingt und nach Hause radelt. Dort wartet Schreibarbeit, die Friesen als Mitglied der Grünen und als Vorsitzender des Umweltausschusses im Burglesumer Beirat erledigen muss.

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