Zwei Jahre und zwei Monate hat das Verfahren gedauert. In der vergangenen Woche ist es mit den Urteilen gegen Niels Stolbergund drei seiner früheren Manager zu Ende gegangen. Doch war das tatsächlich der Schlussstrich unter der strafrechtlichen Würdigung derBetrügereien bei der Reederei Beluga? Mitnichten! Am Mittwoch haben sowohl Stolberg als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Im Extremfall könnte das bedeuten, dass der Fall in Teilen neu aufgerollt werden muss. Bis dahin würde eine lange Zeit vergehen, möglicherweise ein Jahr oder mehr. Sollten die Anträge nicht zurückgezogen werden, entscheidet irgendwann derBundesgerichtshof (BGH). Erkennt er an, dass bei dem Prozess Fehler gemacht wurden, müsste das Bremer Landgericht ein neues Verfahren eröffnen.
Nach den Urteilen hatten die Prozessbeteiligten eine Woche Zeit für die Entscheidung, ob sie in die Revision gehen wollen. Das war die Erste der vielen Fristen. Die Zweite betrifft das Gericht. Es muss seine Urteile – dreieinhalb Jahre Haft für Stolberg, Bewährungsstrafen für die anderen – nun auch schriftlich begründen. Die Zeit dafür bemisst sich nach der Anzahl der Prozesstage. Bei Beluga waren es 68. Die Richter haben demnach 19 Wochen, um darzulegen, auf welcher Grundlage sie Recht gesprochen haben. So teilt es das Landgericht mit.
Liegt der Schriftsatz vor und ist zugestellt, müssen Stolberg und die Staatsanwaltschaft binnen eines Monats ihre Revision begründen. Danach geht die Sache zum 5. Strafsenat des BGH. Nach Einschätzung von Bernd Groß, der Stolberg als Verteidiger zur Seite stand, dürften bis zu einer möglichen Entscheidung des BGH anderthalb Jahre ins Land gehen.
Groß hatte das Urteil gegen seinen Mandanten als zu hart bezeichnet. Er wollte eine Haftstrafe auf Bewährung, die bis zu einem Maß von zwei Jahren möglich gewesen wäre. Dass er mit Stolberg in die Revision geht, hat aber wohl nicht nur mit der Höhe der Strafe zu tun. Ein weiterer Hintergrund könnte sein, wie sich die Staatsanwaltschaft nach den Urteilen geäußert hat.
Behördensprecher Frank Passade pochte darauf, dass das Verfahren gegen Stolberg und die drei anderen Angeklagten noch nicht zu Ende sei. Es seien im Verlauf des Prozesses Teile der Anklage abgetrennt worden, um sich eine noch aufwendigere Beweisaufnahme zu ersparen. "Diese Sachen sind im Raum und müssen verhandelt werden", stellte Passade am Mittwoch noch einmal klar. Das Gericht könne das Verfahren in den übrig geblieben Punkten nur dann einstellen, wenn die Staatsanwaltschaft zustimme.
"So könnten wir uns ewig im Kreis herumdrehen", befürchtet Bernd Groß. Er hat kein Verständnis für die Position der Staatsanwaltschaft. Ihm und seinem Mandanten sei daran gelegen, dass man zu einem Ende komme: "Wir wollen den Rechtsfrieden herstellen." Den Weg zur nächsten Instanz beschreiten sie trotzdem. Möglicherweise aber nur deshalb, um im Poker mit der Staatsanwaltschaft bessere Karten zu haben. Fügt sich am Ende, dass vor dem Landgericht nicht weiter verhandelt wird, könnte man auf die Revision verzichten.
Es gibt zwei Arten, eine Revision zu begründen. Die eine zielt auf offenkundige Fehler in der Prozessführung. Dass zum Beispiel das Prinzip der Öffentlichkeit nicht immer beachtet wurde. Oder dass ein Angeklagter kurz mal ohne Verteidiger war. Solche Fehler führen fast zwangsläufig zu einer Neuauflage des Verfahrens. Komplizierter wird es, wenn die Beteiligten mit ihrer Revision monieren, dass das Gericht bestimmte Beweise nicht richtig gewürdigt hat oder erst gar nicht versucht wurde, diese Beweise in den Prozess einzubringen. Da ist stets viel Ermessen im Spiel.