Kneipengänger kennen die Gesichter. Es sind Persönlichkeiten aus dem Bremer Viertel. Die Menschen an der Tür des Clubs, hinter dem Tresen der Stammlokale – Barkeeper, Tresenkräfte oder Kulturschaffende. Insgesamt 16 verschiedene Charaktere aus dem Nachtleben im Ostertor und Steintor hat der Fotograf Nico Hinrichs porträtiert. Es sind Fotografien entstanden von 16 Personen aus 16 verschiedenen Lokalitäten. Die Bilder in einer Größe von 150 mal 100 Zentimeter auf Acrylglas sind nun unter dem Titel „Vierteljahre“ in drei Läden im Viertel ausgestellt: Im Kulturzentrum Lagerhaus, im Litfass und in der Kunstbar. Noch bis zum 31. Oktober sind die Porträts dort zu sehen.
Wer die paar Stufen zum Eingang des Lagerhauses in der Schildstraße nach oben geht, kann das erste Bild schon erkennen. Insgesamt sieben Bilder hängen an den Wänden des Kulturzentrums: ein paar im Zigarettendunst des Raucherraumes, ein paar im Café. Zu sehen sind unter anderem der verstorbene Norbert Schütz (Litfass) und Chris Barfly aus dem Bistro Brasil – zwei Läden, die am Ostertorsteinweg beheimatet sind. Hinzu kommen Aufnahmen aus dem Haltepunkt, dem Haifischbecken, der Steintor Schänke und aus der Kunstbar, alles Lokalitäten an der Straße vor dem Steintor. Außerdem gibt es ein Bild aus dem Bürgerhaus Weserterrassen am Osterdeich.
Start im Bermuda-Dreieck
Der 34-jährige Nico Hinrichs ist Bremer, bis zu seinem 13. Lebensjahr lebte er in Findorff. Mittlerweile wohnt er in Sebaldsbrück. In Findorff hat Hinrichs auch seine Ausbildung zum Fotografen absolviert – ganz klassisch mit Porträt- und Hochzeitsfotografie das Handwerk erlernt. Zuvor hatte er bereits den Beruf des Gestalters für visuelles Marketing absolviert. Nach den Ausbildungen hat er direkt bei dem Foto-Unternehmen Studioline angefangen. Dabei kam er viel herum in Europa: Er hatte Aufträge in Belgien, Niederlande und in ganz Deutschland. Unter anderem fotografierte er Prominente wie Sky Du Mont oder war auf Veranstaltungen für beispielsweise die Parfümerie Douglas aktiv. „Es waren viele mobile Fotoevents“, sagt Hinrichs.
Seit sechs Jahren ist er nun selbstständig. Vor etwa zwei Jahren kam er auf die Idee, die Menschen hinterm Tresen zu fotografieren. „Diesen Menschen begegnet man als gut gelaunter Gast im Viertel immer wieder“, sagt Hinrichs. Angefangen hat das Fotoprojekt im sogenannten Bermuda-Dreieck, mit Felix Grundmann, Chef im Heartbreak Hotel. Die ersten Barkeeper zu finden und von dem Projekt zu überzeugen, sei noch relativ einfach gewesen, da sie Hinrichs kannten. „Irgendwann wurde es aber schwieriger“, sagt der Bremer. Die angesprochenen Personen hätten natürlich erst einmal gefragt, wer er eigentlich sei, was er wolle und warum das alles sein müsste. „Als Berufsfotograf ist es eigentlich anders herum, da kommen die Leute zu einem. Jetzt musste ich den Menschen hinterher gehen“, so der 34-Jährige. Und das sei nicht immer einfach gewesen. Eine Freundin hätte ihm beim Vermitteln geholfen.

Der Bremer Fotograf Nico Hinrichs vor einem seiner Bilder, das im Café des Kulturzentrums Lagerhaus ausgestellt ist.
Hinter der Arbeit der Porträtierten stecke eine riesige Leidenschaft, die es vielen Nachtschwärmern ermöglicht, aus dem Alltag in eine Atmosphäre außerhalb des Trotts einzutauchen. Einige der Modelle arbeiten seit vielen Jahren in den Kneipen und Clubs. „Es sind im Prinzip die Herrscher der Nacht. Viele kennen sie, aber ihre Arbeit wird kaum wahrgenommen“, sagt Hinrichs. Aufgenommen hat er die Menschen dort, wo sie auch arbeiten. Jedes Bild sollte unterschiedlich sein und nur eine Lichtquelle – ein Ringlicht – haben. Verwendet hat er hauptsächlich eine 50 Millimeter Festbrennweite, nur in Ausnahmefällen ein Weitwinkel-Obektiv.
Im zweiten Ausstellungsraum, dem Litfass am Ostertorsteinweg, zieren vier große Bilder die Wand. Im Litfass gibt es immer wieder wechselnde Ausstellungen von Künstlern, die Kunstwerke nur für die schlauchförmige Kneipe anfertigen. Derzeit sind es also die Fotografien, auf denen Janina (Rum Bumpers an der Humboldtstraße), Felix Grundmann (Heartbreak Hotel im Fehrfeld), Kike aus dem Lagerhaus und Nick (Lila Eule Bernhardstraße) zu sehen sind. In der Kunstbar sind es dann Persönlichkeiten aus dem Eisen, Malenchen, Calavera, der Lightplanke oder der Capri Bar.
Die Ausstellung zeige die Menschen so, wie es im Stress einer Kneipennacht nicht möglich sei, erklärt Hinrichs. Jede Arbeitswelt sei anders, vor allem Kneipenjobs seien sehr unterschiedlich. Viele der fotografierten Menschen hätten mit einem Job in der Gastronomie gestartet. Während einige nach dem Studium oder der Ausbildung aufhören, blieben andere in diesem Leben zwischen Abend und Morgen. Diese Viertel-Persönlichkeiten prägen seiner Ansicht nach das Nachtleben, eine Kultur. Es seien Menschen mit Charakter, Feingefühl für Gäste und eine besondere Menschenkenntnis.
Am Freitag, 13. Oktober, will Fotograf Nico Hinrichs eine exklusive Tour veranstalten, also von Bar zu Bar gehen und Fragen zu seinen Bildern beantworten. Los geht es um 19 Uhr im Lagerhaus, dann geht es weiter in die Kunstbar und die Führung endet im Litfass.