Der Fall Kevin, mit dem Bremen 2006 bundesweit in die Negativ-Schlagzeilen geriet, dokumentiert eindrücklich, wie wichtig die Arbeit von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen ist. Wäre der kleine Junge damals rechtzeitig vom Jugendamt aus seiner Familie wegen Kindeswohlgefährdung herausgenommen und in die Obhut einer professionellen Kinderhilfeeinrichtung gegeben worden, könnte er heute noch leben. In Bremen existieren zwei der ältesten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen Deutschlands: die Stiftungen St. Petri Waisenhaus von 1692 und Alten Eichen von 1596. Am heutigen 1. September fusionieren nun die beiden Diakonischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, die bereits seit Jahren eng unter dem Dach der Diakonischen Jugendhilfe Bremen zusammenarbeiten. Die neue Gesellschaft firmiert unter dem Namen Petri & Eichen.
„Unser Ziel ist es, Erfahrungen, Netzwerke und Qualitäten von St. Petri und Alten Eichen zu vereinen. Denn wir blicken auf insgesamt 752 Jahre Erfahrung vom Waisenhaus über das Kinderheim hin zur modernen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung zurück“, betont Geschäftsführer Bernd Schmitt. Ziel sei es gewesen, Prozesse und vor allem das Angebotsspektrum zu optimieren und interne Doppelstrukturen abzubauen. Immerhin hätten in den beiden Stiftungen vier GmbHs existiert, für die jährlich vier Gesellschafterversammlungen hätten abgehalten werden müssen, sagt Schmitt.
Er betont ausdrücklich, dass die Personalstärke von 500 Mitarbeitenden sowie die Tarifstruktur erhalten blieben. Langfristig solle das Personal erweitert werden. "Uns ist bewusst, wie schwierig es ist, neue Fachkräfte zu bekommen". Die neu gegründete Abteilung Qualität und Entwicklung soll dafür sorgen, der Mitarbeiterschaft durch kontinuierliche Weiterbildung auch Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten. Parallel soll das Bremer Fortbildungsinstitut für Kinder- und Jugendhilfe ausgebaut werden. "Wir wollen die Attraktivität von Petri & Eichen für die Mitarbeiterschaft erhöhen", sagt Bernd Schmitt.
Die Gesellschaft Petri & Eichen ist in rund 20 bremischen Stadtteilen und den umliegenden Landkreisen in den Arbeitsfeldern stationäre, teilstationäre und ambulante Angebote, Jugendförderung und Kindertagesbetreuung tätig. Sie erreicht nach eigenen Angaben täglich mehrere Hundert Kinder, Jugendliche und deren Familien. Zu den Angeboten von Petri & Eichen zählen unter anderem 25 stationäre Wohngruppen, sieben Tagesgruppen, zwölf ambulante Teams, mehr als 15 Angebote der offenen Jugendarbeit und sechs Kindertageseinrichtungen.
Coronabedingt keine Personalversammlungen
„Von der Therapeutischen Wohngruppe, einem Kreativ- und Therapiezentrum, Tagesgruppen, Familienhilfen, Jugendhäusern, Kindertageseinrichtungen, Kinderbauernhof, Kunstatelier, Reitangeboten und Frühberatung ist alles dabei“, heißt es in einer Mitteilung des Diakonischen Werkes. Bernd Schmitt bedauert es, dass coronabedingt während der Endphase des Fusionierungsprozesses keine Personalversammlungen abgehalten werden konnten. „Sonst sind wir im IT-Bereich in der Corona-Krise nach wie vor gut aufgestellt“, bilanziert er. Die Kindertagesbetreuung sowie die offene Jugendarbeit seien allerdings zeitweise geschlossen gewesen.
Die Fusion der beiden Stiftungen soll an diesem Dienstag mit einem Festakt ab 16 Uhr auf dem Marktplatz gefeiert werden – unter Berücksichtigung der aktuellen Corona-Regeln. Es sprechen Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) und Landesdiakoniepastor Manfred Meyer.