
Farina Kemp-Bedoui
Religion spielt im Leben von Farina Kemp-Bedoui eine große Rolle. Vor acht Jahren ist die heute 30-jährige Bremerin zum Islam konvertiert und praktiziert seitdem ihren Glauben mit täglichen Gebeten oder dem Verzicht auf Alkohol. „Das ist in der deutschen Kultur eigentlich weniger verankert“, sagt sie. Deshalb sind für sie auch nicht die Weihnachtsfeiertage, sondern das Zucker- oder das Opferfest die Höhepunkte des religiösen Kalenders.
„In meiner Kindheit hat Weihnachten eine große Rolle gespielt“, sagt Kemp-Bedoui. Sie selbst bezeichnet sich als „deutsch-deutsch“, ihr Mann ist gebürtiger Bremer mit tunesischen Wurzeln. Ihr Sohn ist drei Jahre alt. Typische Traditionen wie Adventskalender gibt es bei der Familie nicht, auch einen Weihnachtsbaum schmücken sie nicht. „Viele machen das ja einfach so, ohne die religiösen Hintergründe zu kennen“, sagt sie. Die Vorweihnachtszeit genießt sie dennoch. „Die Atmosphäre mit dem Weihnachtsmarkt und den Lichtern ist einfach toll.“
Der 24. Dezember spielt in der Familie trotzdem eine große Rolle: Kemp-Bedoui ist jedes Jahr mit ihrem Mann und ihrem Sohn bei ihren Eltern eingeladen. Ein Treffen in der Mitte, sagt sie. „Wir feiern kein Weihnachten, sind aber trotzdem mit der Familie zusammen.“ Als sie zum Islam konvertierte, sei ihr selber nicht klar gewesen, ob sie am Weihnachtsfest teilnehmen könne. „Es gibt dazu unterschiedliche Meinungen innerhalb des Islams“, betont sie. Da aber jede Familie für sich entscheide, ob sie mit anderen feiert, stehe der Familientradition nichts im Wege.
Besonders ist dabei das Weihnachtsessen: Kemp-Bedouis Eltern kaufen nicht etwa irgendeinen Weihnachtsbraten, sondern achten sehr genau auf die Zutaten. „Meine Eltern kaufen extra für uns Halal-Fleisch.“ Damit sind Produkte gemeint, für die die Tiere nach islamischer Tradition geschlachtet werden. „Das ist aber nur eine kleine Hürde, um an Weihnachten zusammen zu sein.“ In diesem Jahr gibt es Ente mit Bratensoße und Schupfnudeln, „das ist eine Premiere“, sagt Kemp-Bedoui. Im vergangenen Jahr habe ihr Vater beispielsweise die Soße für das Lammcarré mit Traubensaft statt mit Rotwein angerichtet, damit auch seine Tochter und sein Schwiegersohn ohne Bedenken davon kosten können. Jedes Jahr steht um Punkt 18 Uhr das Essen auf dem Tisch, danach steht die Bescherung an. Kemp-Bedoui und ihr Mann verzichten auf Geschenke. Das sei an diesem Abend auch nicht wichtig, sagt sie. Aber ihr dreijähriger Sohn kann sich jedes Jahr auf Geschenke von seinen Großeltern freuen. Dass ihre Eltern so offen für diese neuen Traditionen sind, dafür ist Kemp-Bedoui ihnen sehr dankbar.

Neil van Siclen
Ein amerikanische Tradition hat Neil van Siclen sich auch nach 30 Jahren in Bremen erhalten: Am 25. Dezember gibt es in seiner Familie ein großes Weihnachtsessen mit einem Braten, in diesem Jahr ist es Gans. „Ich koche sehr gerne“, sagt van Siclen, der seit 1989 in Bremen lebt und als Übersetzer und Dolmetscher arbeitet. Er ist außerdem der Präsident des Carl Schurz Deutsch-Amerikanischen Clubs. Den Heilige Abend hingegen begeht er mit seiner Lebensgefährtin und ihren Eltern ganz traditionell deutsch: Da werden entweder Würstchen mit Kartoffelsalat oder Raclette aufgetischt.
Als Kind in seiner Heimatstadt Boston im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts sah das noch ein bisschen anders aus, sagt van Siclen. Da reisten schon am 23. Dezember Verwandte aus allen Ecken der USA an, um im Haus seiner Eltern die Feiertage zu begehen. Am 24. Dezember wurde dann gemeinsam der Baum geschmückt. „Wir Kinder durften die Glaskugeln nicht anfassen, aber das Lametta durften wir auf den Ästen verteilen.“ Dann gab es erst am Morgen des 25. Dezember die Bescherung. „Wir Kinder dachten, der Weihnachtsmann kommt erst am 25. Dezember zu uns, weil er am 24. in Europa beschäftigt ist“, erinnert er sich. Danach saß die gesamte Familie zum Weihnachtsessen zusammen, es gab meist einen Braten.
Um 15 Uhr aber verließen alle zusammen das Haus, um bei Freunden und Nachbarn zu klingeln und frohe Feiertage zu wünschen. Van Siclen erinnert sich, dass kleine Geschenke übergeben wurden und gemeinsam angestoßen wurde.
Bei seinen Eltern bekamen Gäste klassischen Eggnog, eine Art heißen Eierlikör. „Manche Leute kamen schon leicht betüdelt bei meinen Eltern an“, sagt er. Geschenke waren dabei meist Nebensache.
Pompöse Weihnachtsdekorationen, wie sie die Deutschen meist aus amerikanischen Weihnachtsfilmen kennen, gab es in der Familie van Siclen dann schon. Sein Vater, erinnert sich der Bostoner, habe meist das ganze Haus mit Lichterketten dekoriert – sogar das Dach hat er geschmückt. „Dass er nicht heruntergeflogen ist, ist ein Wunder.“
Inzwischen hält van Siclen von der ganzen Festlichkeit und Hektik in der Vorweihnachtszeit nur noch wenig. „Ich bin ein echter Weihnachtsmuffel geworden. Die Konsumgesellschaft hat mir Weihnachten versaut.“ Einen Baum dekorieren er und seine Lebensgefährtin trotzdem noch kurz vor den Feiertagen. Allerdings keine Tanne: Eine Palme im Wohnzimmer hält alljährlich als Christbaum her.

Bernhard Stecker
Das diesjährige Weihnachtsfest ist für Bernhard Stecker in doppelter Hinsicht ein ganz besonderes. Denn der neue Propst der Katholischen Kirche wird an Heiligabend rund 100 Tage im Amt sein. Gut habe er sich inzwischen in Bremen eingelebt, erzählt der Geistliche. „Ich finde es wunderbar, dass wir einen so großen Zusammenhalt in der Gemeinde haben. Das gilt sowohl für die Hauptamtlichen wie für die Ehrenamtlichen, die sich gleichermaßen engagieren“, betont er. Neben Priestern, die ursprünglich auch aus Kroatien und Polen kämen, seien Menschen aus vielen verschiedenen Nationalitäten Gemeindemitglieder in der Propsteigemeinde Sankt Johann.
In der Zeit des Weihnachtsfestes gehe es darum, sich seines eigenen Glaubens und seiner eigenen Identität zu vergewissern. „Denn wenn wir nicht selber toll finden, was wir machen, wie sollen wir sonst andere davon überzeugen?“, fragt Stecker. Dabei setzt der Propst auf Spiritualität und Reflexion, gerade in der hektischen Adventszeit. In seiner Weihnachtsbotschaft wird Stecker denn auch mit Zuversicht in die Zukunft blicken, Ziele, Ideen formulieren, die im neuen Jahr von Bedeutung sein werden und dabei beleuchten, wohin der Weg führen soll.
Trotz der vielen Arbeit, die für ihn an seiner neuen Wirkungsstätte in Bremen anfällt, wird Stecker, der auch Pfarrer in der Propsteigemeinde Sankt Johann ist, ganz traditionell Weihnachten feiern, mit Familie. „Mein Bruder reist aus Berlin an, meine Schwester aus Münster“, erzählt er. Das Festmahl, das auf den Tisch kommt, ist traditionell Ragout fin. Und selbstverständlich gibt es im Hause Stecker einen Weihnachtsbaum, der genauso festlich geschmückt ist wie der, der in Sankt Johann steht. Ehrensache ist auch, dass die riesige Krippe aufgestellt wird – ein Erbstück von seiner Tante. Dann kann das Christkind ja kommen.

Maria Aronsson
Maria Aronsson öffnet mit einem freundlich-unkomplizierten „Hej, hej“ die Tür. Am Eingang wird man von einem Troll begrüßt, daneben ein Schild mit der Aufschrift: „Zuhause ist kein Ort, sondern ein Gefühl.“ Eigentlich ist die Welt das Zuhause der Schwedin, die 1995 in die Hansestadt kam, um Deutsch zu lernen und seitdem für die Lufthansa als Stewardess rund um den Globus fliegt. Ein „gefühltes Zuhause“ hat sie gleich zweimal, in Bremen, aber auch in Schweden. Und so verbringt Aronsson mit ihren drei Kindern Weihnachten im schwedischen Värmland bei ihren Eltern. „Das wird ein richtiges Familientreffen samt Ski-Fahren in den Bergen.“
Traditionell wird Heiligabend das Smörgasbord aufgetischt, ein Buffet mit schwedischen Spezialitäten, wie Weihnachtsschinken und -brot, aber auch mit Köttbullar, Lachs und Matjes. Zur fröhlichen Weihnacht, auf Schwedisch „God Jul“, gehört nicht nur der typische Glögg, Glühwein mit Rosinen und gehackten Mandeln, sondern auch die Tradition der Lucia-Sängerinnen. Für Maria Aronsson ist es Ehrensache, dass sie bei dem Gastspiel, das die jungen schwedischen Lichtbringerinnen immer in der Adventszeit in Bremen geben, mit dabei ist. „Sie haben so traumhaft schön gesungen“, schwärmt sie. Das Sextett, das dieses Mal nicht aus dem nordschwedischen Umea, sondern aus Stockholm, Aronssons Heimatstadt, kam, habe am zweiten Advent den St.-Petri-Dom mit Stimmen so klar wie ein Gebirgssee geflutet.
Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie es war, als ihre Töchter Filipa und Emilia im Kindergarten selbst die Lucia-Lichterkrone trugen. So alt wie die Legende von der Heiligen Lucia ist auch eine beliebte schwedische Weihnachtsspezialität: das Safransbrot.