Die 25-jährige Indonesierin Restia Keliat macht seit knapp fünf Monaten ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Friedehorst. In einer Wohngruppe betreut sie Menschen mit Behinderungen. Schon jetzt ist klar, dass sie ihren Vertrag verlängern wird, so gut gefällt ihr die Arbeit. Sie ist der Meinung: „Das FSJ ist ein gutes Projekt. Und für junge Menschen aus dem Ausland eine tolle Chance.“
Restia Keliat strahlt, wenn sie von ihrer Aufgabe erzählt. „Die Arbeit mit den Bewohnern berührt mein Herz“, sagt sie. Um ihre Worte zu unterstreichen, legt sie die Hände auf ihre Brust. Sie lächelt. „Alles ist besonders hier. Die Bewohner sind besonders.“ Seit Anfang Juli betreut die 25-jährige Indonesierin Menschen mit Behinderungen in Friedehorst. Dort macht sie – wie derzeit 37 weitere junge Frauen und Männer – ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ).
„In Indonesien ist es anders“, erzählt Restia Keliat über das Verhältnis zu Menschen mit Behinderungen. Dort hätten behinderte Menschen beispielsweise nicht die Möglichkeit zu arbeiten. Und auch betreut würden sie in Einrichtungen nur, wenn ihre Familie genug Geld besitze. Der Umgang mit behinderten Menschen in Deutschland beeindruckt sie.
Familiäre Atmosphäre in der Gruppe
„Ich fühle mich nicht wie bei der Arbeit, sondern wie in einer Familie“, beschreibt sie die Atmosphäre in der Wohngruppe, in der sie arbeitet. Dazu tragen einerseits ihre Kollegen und ihre Vorgesetzte bei, die Restia Keliat von Anfang an unterstützt und ihr beispielsweise geholfen haben, ihr Appartement auf dem Friedehorst-Gelände einzurichten. Aber auch die Bewohner selbst sorgen dafür, dass sich die junge Indonesierin in ihrem Umfeld wohl und aufgenommen fühlt. „Sie sind ,pure’“ – unverfälscht, sagt die 25-Jährige. Die Erfahrungen, die sie mit ihnen mache, seien eine Bereicherung. „Ich habe schon viel von ihnen gelernt. Sie verändern mich – positiv.“
Sie erzählt von einer älteren Bewohnerin: „Sie ist sehr sensibel. Als ich neu war, hat sie zu mir gesagt, dass sie mich nicht kennt und deshalb auch nichts mit mir machen möchte. Als es mir dann aber einmal nicht so gut ging, weil ich Heimweh hatte, ist sie zu mir gekommen und hat mich in den Arm genommen.“ Seither kümmere sie sich um sie, „fast wie meine Oma. Sie sagt den anderen Bewohnern immer wieder, dass sie langsam sprechen sollen, damit ich sie verstehe“. Die Arbeit in der Wohngruppe gefällt Restia Keliat so gut, dass sie sich inzwischen sogar vorstellen kann, eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin zu machen.
Dabei hatte sie eigentlich gar nicht geplant, im sozialen Bereich zu arbeiten. Ursprünglich wollte sie gleich im Anschluss an ihr Jahr als Au-pair in Pforzheim ein Studium beginnen. Doch dann beschloss die junge Frau, die von Nord-Sumatra stammt, zunächst ihre Deutschkenntnisse weiter zu verbessern. Und dafür wollte sie einen Job annehmen. Sie dachte sich: „Mit Menschen zu arbeiten ist besser, als mit Maschinen.“ Und so suchte sie im Internet nach diakonischen Einrichtungen – und stieß durch Zufall auf die Stiftung Friedehorst.
Den Bezug zur Diakonie hat Restia Keliat durch ihr evangelisches Elternhaus. „Bei uns auf Sumatra wird der deutsche Missionar Ludwig Nommensen bis heute sehr verehrt“, erläutert sie eine Verbindung von Bewohnern auf Sumatra zur evangelischen Kirche. Restia Keliat bewarb sich per Online-Formular für das freiwillige soziale Jahr in Bremen-Nord. Bereits nach einem Telefonat mit der Indonesierin entschied sich Gruppenleiterin Silvia Wefer, die 25-Jährige einzustellen.
„Es war die richtige Entscheidung“, ist sich Silvia Wefer sicher und ihre Kollegen, die Heilerziehungspfleger Tim Riethmöller und Wolfgang Schick, stimmen der Gruppenleiterin zu. „Es ist eine Bereicherung für uns, wenn Menschen aus anderen Kulturen zu uns kommen“, betont Tim Riethmöller. Vor allem ihr „großes Herz“, aber auch ihre Ruhe und ihre Geduld im Alltag mit den Bewohnern zeichne die 25-Jährige aus. Regelmäßig spielt, bastelt und singt sie mit den Frauen und Männern, deckt mit ihnen den Tisch und hilft ihnen im Alltag.
„Am Anfang, als ich hierher kam, hatte ich etwas Angst, weil ich dachte, die Arbeit mit Deutschen ist schwierig und dass es in Deutschland bei der Arbeit immer nur ,zack, zack, zack’ läuft“, erzählt sie. Ihre Kollegen grinsen dazu. Schon lange ist die Angst dem Spaß gewichen. Wenn sie frei hat, besucht sie Sprachkurse an der Universität Bremen, geht zum Tanzen und singt in einem indonesischen Chor. Mit dem Ensemble hatte sie bereits mehrere Auftritte.
Ihr Fazit nach beinahe fünf Monaten FSJ in Bremen-Nord ist ausschließlich positiv: „Das FSJ ist eine schöne Erfahrung und ein gutes Projekt – es verändert“, findet sie. Und für junge Menschen aus dem Ausland sei es eine tolle Chance. Ihren Vertrag, der bis Ende Juni nächsten Jahres läuft, will sie auf jeden Fall um ein halbes Jahr verlängern. „Darüber freuen wir uns“, sagt Silvia Wefer.