Das in Berlin geschnürte Konjunkturpaket bedeutet für Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) „einen guten Tag für Bremen“. Wie viel Geld das Paket zusätzlich in Zahlen bringen werde, lasse sich noch nicht genau beziffern. Was ihn positiv stimmt: „Von der Senkung der Mehrwertsteuer werden alle Haushalte profitieren – auch die mit geringem Einkommen.“ Die Bundesregierung will von Juli bis Ende Dezember die Steuer von 19 auf 16 Prozent senken, den ermäßigten Satz von sieben auf fünf Prozent. Familien erhalten pro Kind einen Bonus von 300 Euro. Zum Paket mit einem Gesamtumfang von 130 Milliarden Euro gehört auch eine Reihe von Finanzspritzen für verschiedene Branchen, Forschung und Infrastruktur (siehe Grafik).
Damit die Kunden von der niedrigeren Mehrwertsteuer profitieren, muss der Handel sie weitergeben. Georg Berensen, Geschäftsführer vom Einzelhandelsverband Nordwest: „Der gesamte Handel ist daran interessiert, dass es jetzt wieder vorangeht. Wir beobachten, dass der Handel überall schon mit großen Rabatten agiert. So wird er auch werbewirksam vermitteln, dass er die drei Prozent weniger an die Kunden weitergibt.“ Bovenschulte geht davon aus, dass der Konkurrenzdruck dafür sorgen werde.
Allerdings glaubt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel nicht, dass die gesenkte Mehrwertsteuer überall an die Konsumenten durchgereicht wird: „Sicherlich wird dieser Konkurrenzdruck zum Teil bei Megaläden wie Baumärkten und Discountern funktionieren. Aber im Bereich der Lebensmittel rechne ich nicht damit. Insgesamt zeigen empirische Studien, dass die Überwälzung der Mehrwertsteuer auf die Preise trotz Konkurrenz nicht flächendeckend funktioniert.“ Hickel befürchtet als Folge ab 2021 eine Konsumflaute, weil die Kunden seiner Einschätzung nach größere Kaufvorhaben vorziehen werden. Dieser Effekt war auch nach Auslaufen der 2009 beschlossenen Abwrackprämie zu beobachten. Zu befürchten sei, dass es erneut zu einem „konjunkturpolitischen Strohfeuer“ kommen könne.
Positiv sieht der Ökonom, dass 25 Milliarden Euro zur Überbrückung für bisher vernachlässigte Geschädigte der Krise bereitgestellt werden. Dazu gehören Reisebüros, Kneipen, Clubs und Sportvereine. „Auch durch den Einsatz der Bremer Politik stehen die Schausteller und Veranstaltungslogistiker auf der Liste“, fügt Hickel an. Ebenso befürwortet er das Zukunftsprogramm für Krankenhäuser.
Bund übernimmt Großteil der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger
Wovon Bremen überdies profitieren wird: Der Bund wird in Zukunft drei Viertel der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger übernehmen. Bisher war das nur die Hälfte. Laut Bovenschulte spart Bremen dadurch zwischen 50 und 60 Millionen Euro.
Kritischer urteilt der Vorsitzende des Bremer Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Detlef Pauls: „Ich bin enttäuscht vom Konjunkturpaket. Für mich ist das eher ein Programm für Steuerberater. Das wird bis Oktober dauern, bis das Geld ankommt. Doch so lang halten die Betriebe nicht durch, sie brauchen das Geld schneller.“ Pauls ärgert auch, dass Scholz die Senkung der Mehrwertsteuer als Mittel verkaufe, die Konjunktur anzukurbeln: „Als vor kurzem die Steuer für Speisen in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent gesenkt wurde, hieß es, dass man damit den Betrieben entgegenkommen wolle.“ Alles das kompensiere nicht die Einnahmenausfälle, mit denen Hotels und Gastronomie zu kämpfen haben.
Die Präses der Handelskammer Bremen und der IHK Nord, Janina Marahrens-Hashagen, sieht die Senkung der Mehrwertsteuer als Impuls, um die Wirtschaft wiederzubeleben: „In vielen Branchen helfen im Moment angesichts nicht nachholbarer Umsatzverluste Kredite allein wenig. Es gilt, mit konkreten Überbrückungsmitteln Insolvenzen zu verhindern und dadurch Arbeitsplätze zu retten.“ Die Präses bewertet es als positiv, dass Unternehmen ihre Verluste aus diesem Jahr mit den Gewinnen der vergangenen Jahre verrechnen können. Dasselbe gilt für die Einfuhrumsatzsteuer, die in Zukunft zum 26. des Folgemonats zu zahlen sein wird.
Wenn das Programm bei den Verbrauchern ankommt, wünscht sich Dehoga-Chef Pauls vor allem eines: „Die Panik vor Corona muss aus den Köpfen heraus, damit sich die Menschen wieder mehr ins Restaurant trauen.“ Das schaffe auch kein Konjunkturprogramm.