Die Koalitionsspitzen schienen von Glückshormonen regelrecht beseelt zu sein, als sie am späten Mittwochabend im Kanzleramt das Konjunkturpaket auspackten. Man klopfte sich gegenseitig auf die Schulter, lobte die Kompromissfähigkeit der jeweils anderen Parteien. Mehrmals wurde das geschürte Paket als „Grundstein“ für den Weg aus der Corona-Krise gepriesen, dass auch den nächsten Generationen eine gute Zukunft ermöglichen soll.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz toppte das alles mit seinem liebgewonnenen Slogan: „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen." In der Tat darf man allein den Umfang des 130-Milliarden-Euro-Programms als großen Wumms bezeichnen. Zumal die Präsentation der Ergebnisse nach dem insgesamt 21-stündigen Verhandlungsmarathon vor allem eines bewirken sollte: Zuversicht bei den Deutschen wecken und das Corona-Koma beenden.
Und tatsächlich haben sich die 21 Stunden bezahlt gemacht, das Kompromisspapier kann sich sehen lassen. Es war kein leichtfertiger Deal, wie er nach so manchen Koalitionsgipfeln schon herausgekommen ist – man erinnere sich nur an den großkoalitionären Segen für das CSU-Lieblingsprojekt Pkw-Maut. Auch die Reaktionen von Opposition, Verbänden und Wissenschaftlern fallen vergleichsweise wohlwollend aus. Ob Maschinenbauverband, GEW, Bitkom oder die Arbeiterwohlfahrt – sie alle finden, das Paket ziele in eine gute Richtung. Selbst die Grünen-Fraktion im Bundestag meint, das gigantische Programm sei „besser als erwartet“ ausgefallen.
Gießkannen-Prinzip
Das liegt auch daran, dass fast jede Klientel sich bedient fühlen darf: So ein bisschen Gießkannen-Prinzip lag im Kanzleramt in der Luft. Die SPD kann sich über die Mehrwertsteuersenkung und den Familienbonus freuen, musste aber bei der Entschuldung der Kommunen einen Dämpfer hinnehmen. Die CDU hat vor allem die Deckelung der Sozialbeiträge bei 40 Prozent erreicht, die Mittelständler in der Union bekommen Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen. CSU-Chef Markus Söder hingegen hatte am Mittwoch keinen guten Tag erwischt, er konnte weder die Abwrackprämie noch eine schnellere Abschaffung des Solis durchsetzen.
Die klare Handschrift des Programms ist aber vor allem, dass auf die Zukunft und nicht auf die Vergangenheit gebaut wird. E-Mobilität, moderne Flugzeuge, Wasserstofftechnik und energetische Gebäudesanierung sollen verstärkt gefördert werden. Anders gesagt: Der befürchtete Durchmarsch der Autolobby, die massiv auch Kaufanreize für Fahrzeuge mit herkömmlichen Benziner- und Dieselmotoren gefordert hatten, wurde ausgebremst. Der Durchbruch in eine zukunftsgerichtete Politik, die etwa Klimaschutz-Technologie, Künstliche Intelligenz und digitale Revolution gestalten will, ist dieses Paket noch nicht. Doch immerhin eine Weichenstellung.
Trotz allem ist es ein Kompromiss mit Tücken. Es ist unklar, ob wirklich alle der Maßnahmen funktionieren werden. Wird die gesunkene Mehrwertsteuer überhaupt an den Verbraucher weitergegeben? Selbst falls es dazu kommt, bleibt die Frage, ob sich der Konsum damit tatsächlich anheizen lässt. Die 300 Euro pro Kind könnten sich ohnehin als populistisches Strohfeuer entpuppen. Werden die Entlastungen für die Kommunen reichen, damit sie weiterhin in Kitas, Schulen und Schwimmbäder investieren können?
Sollte es richtig schief laufen, könnten ganz andere Kaliber von Risiken die Wirtschaft abermals abwürgen. Etwa, falls im Herbst tatsächlich eine zweite Corona-Welle über Deutschland hereinbrechen würde. Dann wären die ersten Anzeichen einer leichten Konjunkturbesserung schnell zunichte gemacht. Auch wenn andere EU-Länder wie in den Jahren 2008 und 2009 an den Rand einer Pleite gerieten, könnte das Deutschland mit den in den Sog reißen. Nicht auszudenken auch die Folgen, wenn die Rallye an den Börsen so weitergeht. Auf Dauer bildet sich eine Blase an den Märkten, der jegliche realwirtschaftliche Unterfütterung fehlt. Bis zum Wumms aus der Krise ist es noch ein langer, dornenreicher Weg.