Wie viele andere deutsche Großstädte muss Bremen die Schadstoffbelastung der Luft senken, sonst drohen gerichtlich angeordnete Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Dafür sind Anstrengungen auf allen Handlungsfeldern der Verkehrspolitik notwendig. Zusammen mit der Bremer Straßenbahn AG und dem Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen (VBN) hat die Umweltbehörde jetzt ein entsprechendes Maßnahmenpaket geschnürt. Der „Masterplan Green City“ fasst eine Vielzahl von Projekten zusammen, für die Bundeszuschüsse in Millionenhöhe erwartet werden. Nächste Woche soll er vorgestellt werden. Dem WESER-KURIER liegt das Dokument bereits vor.
Der Masterplan ist letztlich eine Folge des Diesel-Skandals. Durch Manipulationen an der Abgasreinigung stoßen viele Diesel-Pkw im realen Fahrbetrieb deutlich mehr Schadstoffe aus, als es ihre Zulassung erlaubt. Die von Experten noch vor wenigen Jahren erwartete Reduzierung der Luftbelastung in den Städten ist deshalb ausgeblieben. Vor diesem Hintergrund sehen sich inzwischen viele Kommunen Klagen von Umweltverbänden ausgesetzt, die drastische Maßnahmen zur Einhaltung gesetzlich erlaubter Schadstoffkonzentrationen in der Luft fordern.
Die Bundesregierung reagierte auf diese Entwicklung im Jahr 2017 mit einem „Diesel-Gipfel“. Dabei wurde unter anderem verabredet, dass die gut 60 Kommunen, in denen 2016 der Stickstoffoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten wurde, sogenannte „Green-City-Masterpläne“ auflegen und dafür Gelder aus Berlin beantragen können. Eine Milliarde Euro befindet sich in diesem Finanztopf.
2016 riss Bremen den Grenzwert, wenn auch weniger deutlich als besonders belastete Kommunen wie Stuttgart. 2017 hielt die Hansestadt das Limit ein. Die Projekte des Masterplans sollen nun sicherstellen, dass die Stickstoffoxid-Belastung dauerhaft innerhalb des Toleranzbereichs bleibt. Im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Umweltverbänden könnte der Senat zudem belegen: Wir sind nicht untätig geblieben.
"Am schnellsten greift die Digitalisierung"
Der Masterplan für Bremen gliedert sich in vier Komplexe. Der umfangreichste befasst sich mit dem Carsharing, also der organisierten gemeinschaftlichen Nutzung von Automobilflotten, und Verbesserungen für Radfahrer und Fußgänger. In den übrigen Abschnitten geht es um Digitalisierung, das automatisierte Fahren sowie mehr Effizienz durch alternative Antriebe und Treibstoffe. Insgesamt umfasst der Handlungskatalog gut 70 Einzelprojekte. „Am schnellsten greift die Digitalisierung, weil man dafür nichts bauen muss“, sagt Gunnar Polzin.
Der Abteilungsleiter Verkehr im Hause von Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) meint damit unter anderem die Weiterentwicklung von Anwendungen für Smartphones. So könnte etwa die VBN-App, die viele Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs auf ihrem Handy haben, mit Leihfahrrad- und Carsharing-Angeboten „zu einer Mobilitäts-App ausgebaut werden“, benennt Polzin eine der Ideen. Auch könnten in bestimmten Testgebieten Rufbusse per App geordert werden. Der Ausbau der Elektromobilität ist ein weiterer Baustein der „Green-City“-Strategie. So sollen in Neubaugebieten öffentliche Ladestationen in Zukunft ein selbstverständlicher Standard sein.
Auch dem Güterverkehr ist in der Green City Bremen ein Schadstoff-Einsparpotenzial zugewiesen. „Bei der Belieferung der Innenstadt und der angrenzenden, dicht bebauten Gebiete sollte es möglich sein, Waren von größeren Lkw auf Lastenräder und kleine Elektrofahrzeuge umzuladen“, ist Gunnar Polzin überzeugt. Daneben könnten Busse für den Transport von Gütern mitgenutzt werden. Die Stoßrichtung des Masterplans fasst Polzin in drei Worten zusammen: „Innovation statt Fahrverbote.“
Erste Anträge auf Fördermittel des Bundes seien von der Verwaltung bereits vorbereitet und könnten in Berlin gestellt werden, sobald die Politik ihr Okay gibt. „Für Bremen halten wir ein Fördervolumen von mehreren zehn Millionen Euro für realistisch“, sagt der Abteilungsleiter im Verkehrsressort. Am Mittwoch, 22. August, wird der Masterplan der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Bei der Veranstaltung in der BSAG-Zentrale am Flughafendamm sollen die Bausteine des Konzepts vorgestellt und mit dem Publikum diskutiert werden. Beginn ist um 16 Uhr.
Auch in Niedersachsen sehen sich mehrere Städte bei der Abgasreduzierung zum Handeln gedrängt. Nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover konnten 2016 sieben Kommunen den Stickstoffoxid-Grenzwert im Jahresmittel nicht einhalten. Neben der Landeshauptstadt waren das Hildesheim, Oldenburg, Osnabrück, Hameln, Braunschweig und Göttingen. Oldenburg hat inzwischen ein Green-City-Konzept aufgelegt, dessen Begleitung durch externe Fachleute vom Bund mit 165.000 Euro gefördert wurde (Bremen: 200.000 Euro). Es setzt unter anderem auf eine beschleunigte Modernisierung der städtischen Busflotte sowie auf Elektromobilität und ein attraktiveres Radwegenetz.