Es scheint nur allzu durchsichtig: Ein internationaler Investor kauft ein innerstädtisches Grundstück und setzt sich über sämtliche Auflagen hinweg. Schlimmer noch: Er droht mit seinem Vorschlag sogar den Dom in den Schatten zu stellen. Hinzu kommt sein Recht, ohne Kosten vom Kauf zurückzutreten, sollte die Stadt den Forderungen nicht nachgeben.
Wäre das der Fall, so bliebe die Sparkasse auf ihrem Grundstück, die Innenstadt auf einem Leerstand unbekannter Größe, Bremen auf einem schlechten Image sitzen. Dass die Wahl auf Libeskind fiel, scheint ebenfalls ein taktischer Schachzug: Kein Architekt ist in Deutschland so prominent – selbst der letzte Lokalpolitiker kennt ihn. Durch den erfolgreichen Jüdischen Museumsbau in Berlin und seinen dekonstruktivistischen Stil ist man geneigt, selbst schwierige Entwürfe mit “Ist eben ein Libeskind” abzutun.
Doch Stararchitekten mit ihrer “Architektur des Branding” gelten nicht nur in akademischen Kreisen als überholt. Viel erweist sich im Nachhinein als Strohfeuer – die Hoffnung auf einen Bilbao-Effekt hat schon viele Städte geblendet. Dieser Art architektonischer Rhetorik sollte durchaus mit Vorsicht begegnet werden.
Und doch hat Libeskind recht, wenn er behauptet, dass Bremen einstmals eine vertikale Stadt war – der Dom lange nicht einmal der höchste Punkt der Stadt. Wer alte Bilder Bremens studiert, ist erstaunt von ihrer Heterogenität.
Da stehen Typen und Epochen einer tausendjährigen Geschichte dicht an dicht. Baumwollbörse und Norddeutscher Lloyd stellen Kirchen und Bürgerschaftsbauten gar teils in den Schatten. Das Durcheinander ist Normalfall. Es ist das Ergebnis von Toleranz und Dynamik einer Stadt, deren Bürger sich selbst verwalten – unabhängig und eigenwillig, nicht gelenkt und homogen.
Die Stadt sollte daher selbstbewusst sein. Der Vorschlag von Libeskind ist nur Verhandlungsbasis. Wichtiger als die absolute Höhe und Anzahl der Quadratmeter sollte sein: Bekommt die Stadt mehr als nur monotone Glasfassaden? Zu welchem Anteil wird das Gelände der Allgemeinheit geöffnet und werden städtische Aufenthaltsqualitäten geschaffen?
Gibt es einen frei zugänglichen Dachgarten? Wie viel von der Begrünung wird die bloße Konzeptstudie letztendlich überleben? Auf Photoshop lassen sich schnell ein paar Bäume hinzufügen – in Echt ist jeder Blumentopf unwillkommner Mehraufwand. Vor der Bürgerschaftswahl haben sich die Entscheidungsträger erwartungsgemäß zurückgehalten – nun sollten sie Partei ergreifen. Nicht für ein Nein oder Ja, sondern ein So oder So.
Unser Gastautor hat Architektur in London studiert, wo Libeskind unterrichtete. Er arbeitete für Architekturbüros in Basel und New York. Derzeit hat er Bauprojekte in Bremen, Sambia und Togo.