Ob Polizei und Rettungskräfte aktuell häufiger durch Schaulustige in ihrer Arbeit behindert werden, als in früheren Jahren, ist durch Zahlen schwer zu belegen. "Weil dieses Problem im Rahmen vieler verschiedener Einsatzarten auftreten kann, ist eine entsprechende Auswertung des polizeilichen Einsatzleitsystems nicht möglich", sagt Franka Haedke, Pressesprecherin der Polizei Bremen. Die Häufigkeit scheine aber grundsätzlich zu steigen. Zumindest führt die Polizei fast immer Material bei sich, um bei Bedarf schnell einen Sichtschutz aufbauen zu können.
So geschah es auch beim aktuellen Einsatz am Achterndieksee. Auf diese Weise sollen Betroffene und Rettungskräfte davor geschützt werde, auf Foto- und Filmaufnahmen zu gelangen, die danach unter Umständen ins Internet gestellt werden. "Die Filmerei durch Gaffer hat zweifellos zugenommen", sagt Christian Patzelt, Sprecher der Bremer Berufsfeuerwehr. Das sei vor allem ein Phänomen bei Verkehrsunfällen. Auf Autobahnen werde der Verkehr auf der Gegenseite eines Unfalls regelmäßig langsamer, weil Schaulustige aus dem Auto die Situation filmen wollten.
Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, weist auf die Tatsache hin, dass die "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Wer für Fotos zum Handy greife, anstatt zu helfen, könne unter Umständen zusätzlich wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. Hier liegt die Höchststrafe bei einem Jahr Gefängnis. "Wenn allerdings die Rettungsmaßnahmen bereits laufen, und sie stehen einfach nur im Weg rum, dann ist das eher eine Ordnungswidrigkeit."
Wo kein Kläger, da allerdings auch kein Richter. "Wir versuchen, entsprechende Verfahren sehr konsequent einzuleiten", sagt Polizeisprecherin Haedke. Im Fokus stände zunächst aber immer der Rettungseinsatz oder - zum Beispiel im Falle eines angedrohten Suizids - die Gefahrenabwehr. Gegen Gaffer schreite man daher unter Berücksichtigung des jeweiligen Einsatzgeschehens und der personellen Möglichkeiten vor Ort ein. Wenn es möglich ist, spreche man Platzverweise aus und setze sie auch durch. Dabei können Personalien aufgenommen sowie Kameras oder Handys als Beweismittel sichergestellt werden. Wo das schwierig sei, etwa auf Autobahnen, fotografiere die Polizei die Fahrzeuge und ihre Kennzeichen.
"Im aktuellen Fall am Achterndieksee lag eine sehr dynamische Lage vor, in der es um Leben und Tod ging. Die Einsatzkräfte hatten alle Hände voll zu tun mit Rettungs- und Absperrmaßnahmen, der Unfallaufnahme, Zeugenbefragung, Benachrichtigung von Angehörigen und deren Betreuung", erklärt Haedke, warum hier nicht entsprechend agiert wurde. Zudem sei die große Menge der Schaulustigen am Ende relativ zügig der nachdrücklichen Aufforderung der Polizei gefolgt, sich zu entfernen.