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Ermittlungen nach tödlichem Badeunfall Feuerwehr: Achterdieksee für Nichtschwimmer ungeeignet

Nach dem tödlichen Badeunfall am Achterdieksee hat die Bremer Polizei die Ermittlungen aufgenommen. Die DLRG ruft Baderegeln in Erinnerung, die Feuerwehr empfiehlt ausgewiesene Nichtschwimmerzonen.
15.06.2021, 16:52 Uhr
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Von Ulrike Troue Nina Willborn Justus Randt

Am Tag nach dem Unglück am Achterdieksee in Oberneuland herrscht noch Unklarheit über die Ereignisse: Wie berichtet, war ein 15-jähriger Junge am Montagabend plötzlich in dem See untergegangen. Feuerwehrtaucher konnten ihn aus dem Wasser ziehen, Wiederbelebungsversuche aber blieben erfolglos. Die Polizei hat nach eigenen Aussagen die "Todesursachenermittlung aufgenommen".

Wie beschreibt die Feuerwehr den Einsatz?

"Unser Fokus liegt auf dem Vorfall", sagt Christian Patzelt, Pressesprecher der Feuerwehr Bremen, mit einem Seitenblick auf die vielen Gaffer, die die Rettungsarbeiten laut Polizei behindert haben. Der "Vorfall", das war für Patzelt der Tauchereinsatz, "die erfolglose Reanimation des Jungen und die Betreuung der Betroffenen". Die Hilfsbereitschaft sei groß gewesen. "Offenbar haben sich mehrere Passanten gleich ins Wasser gestürzt, um zu helfen."

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Was ist so gefährlich an Bremer Badeseen?

Für den Achterdieksee und den Sodenmattsee gelte, was auf "eigentlich alle künstlich geschaffenen Seen" zutreffe, sagt Feuerwehrsprecher Christian Patzelt: "Sie sind für Nichtschwimmer ungeeignet und trügerisch, weil nach einem langen, flachen Einstieg ein plötzlicher Abbruch kommt. Dann muss man plötzlich schwimmen."  Im Zweifelsfall sei es besser, Badeseen mit gekennzeichneten Nichtschwimmerbereichen aufzusuchen, beispielsweise den Werdersee gegenüber der Roland-Klinik. "Ideal ist es, wenn ein Zaun oder ein Gitter den Nichtschwimmerbereich flankiert." Vor allem die Weser ist nicht ohne, auch wenn sich, wie Patzelt vermutet, Nichtschwimmer kaum in den Fluss trauen. Neugierige Kinder jedoch sind besonderen Risiken ausgesetzt. "Eltern müssen ständig auf sie aufpassen." Patzelt erinnert daran, dass vor wenigen Jahren ein vierjähriger Junge am Café Sand ertrunken ist.

Sind Flüchtlinge besonders gefährdet?

Nach Informationen des WESER-KURIER stammte der 15-Jährige aus Afghanistan. Die DLRG befürchtet, dass viele Flüchtlinge, vor allem männliche Jugendliche, nicht schwimmen können und daher häufiger Opfer von Badeunfällen werden. Das würde Nazanin Ghafouri „generell verneinen“. Aus Sicht des Vorstands des Bremer Flüchtlingsrates „sind kulturalisierende Bilder immer schwierig". Es sei eine soziale Frage – "beim Schwimmen wie beim Fahrradfahren“, sagt sie. „Es ist eine Frage des Zugangs und der gesellschaftlichen Teilhabe – und kein Problem im Sinne des Geflüchtetseins.“

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Warum war die DLRG-Station zum Unglückszeitpunkt nicht besetzt?

Laut Philipp Postulka, Sprecher des Bremer Landesverbands der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, wird keine der acht Badesee-Stationen an jedem Tag und rund um die Uhr besetzt. Das liegt an der ehrenamtlichen Struktur der DLRG – die Rettungsschwimmer und -taucher haben im Hauptberuf andere Jobs. Rund 200 Einsatzkräfte seien derzeit im Bundesland aktiv, mindestens fünf pro See seien nötig. "Die Aktiven leisten durchschnittlich mehr als 20.000 Stunden pro Jahr", sagt Postulka, als Rettungstaucher ebenfalls einer von ihnen. Er betont aber auch, dass eine ehrenamtliche Wasserrettung keine Dauer-Bewachung leisten könne. "Das muss jedem klar sein. Wir versuchen, präsent zu sein, wenn der Andrang der Badegäste groß ist, also vor allem an den Wochenenden.“ Die Rettungsschwimmer seien aber auch an Wochentagen je nach persönlicher Verfügbarkeit im Einsatz, so zum Beispiel am Montagabend am Sportparksee. Dort bewahrten sie nach Postulkas Angaben ein Kind, das alleine im Wasser war, vor dem möglichen Ertrinken.

Wie viele Menschen sind zuletzt in Bremen beim Baden gestorben? 

Die DLRG Bremen hat in 2020 und 2019 jeweils zwei Ertrunkene registriert, 2018 waren es neun. Bundesweit ertrinken laut den DLRG-Zahlen jährlich im Schnitt zwischen 400 und 500 Menschen. In der Statistik der Lebensrettungen stehen für Bremen laut Postulka für 2020 zwei Personen, für 2019 sechs und für 2018 zehn. "Diese Menschen wären sonst ziemlich sicher ertrunken", sagt der Sprecher.

Wie lassen sich Badeunfälle vermeiden?

Die häufigsten Gründe für Unglücke sind laut Postulka Unkenntnis der Baderegeln, fehlende Revierkenntnisse, Selbstüberschätzung und Alkoholkonsum. Die Baderegeln (unter anderem "als Nichtschwimmer nur bis zum Bauch ins Wasser gehen") sind auch auf der DLRG-Homepage zu finden – auf Deutsch und in rund 30 Sprachen von Afghanisch bis Ungarisch.

Wie kann man einem Ertrinkenden helfen?

"Ertrinken ist ein stiller Tod", sagt Postulka, "oft gehen die Menschen einfach unter." Wenn man sich an Land befindet und einen Schwimmer in Not bemerkt, sollte man den Notruf 112 wählen und andere Passanten aufmerksam machen. Für den Fall, dass man zu der Person hinschwimmen will, empfiehlt es sich laut DLRG Hilfsmittel wie einen Rettungsring, einen Stock oder ein Handtuch mitzunehmen, an denen sich der Verunglückte festhalten kann. "Sich selbst in Gefahr zu bringen, hilft nicht", sagt Postulka.

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Wie steht es um die Schwimmausbildung in Bremen?

Durch die Teilnutzungen von Freibädern in 2020 sowie geschlossenen Hallenbäder hat es weniger Schwimmlernkurse gegeben und sich die Zahl der Nichtschwimmer nach DLRG-Schätzungen in Bremen deutlich erhöht. Laut Präsident Martin Reincke ist für 4500 bis 5000 Kinder die Schwimmausbildung ausgefallen. Entsprechend voll sind im Moment die Wartelisten für die Kurse. Die DLRG plant, in den kommenden Wochen Kinderschwimmkurse an den Badeseen anzubieten. Auch das Programm "1000 Schwimmabzeichen" von Bildungsressort, Bremer Bädern, DLRG und Landesschwimmverband wird es für Drittklässler wieder geben. Für diese Intensivkurse ist das Schlossparkbad vorgesehen.

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