Gedenken einmal anders: Mit dem Rennrad werden mehr als 750 polnische, deutsche und niederländische junge Erwachsene Anfang Mai von Bergen-Belsen nach Westerbork fahren und gemeinsam in Bremen Station machen. Bei kurzen Führungen sollen sie Orte in der Hansestadt kennenlernen, die auf besondere Weise mit der NS-Geschichte verbunden sind. Barbara Johr, lange Zeit Projektverantwortliche für die Stolpersteinverlegungen in Bremen, organisiert das Bremer Programm im Auftrag der Stiftung „Terug naar Westerbork“ und des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks (IBB).
Die friedenspolitische Bildungsradtour steht unter dem Motto „75 Jahre Friede und Freiheit“. Die jungen Leute sollen in drei Etappen insgesamt 300 Kilometer auf dem Rennrad zurücklegen, in Deutschland und den Niederlanden an Führungen, Gesprächsrunden und Feiern teilnehmen und neue Kontakte knüpfen. Mehrere Dutzend Bremerinnen und Bremer können dabei sein und werden am Freitag, 1. Mai, mit Bussen zur Gedenkstätte Bergen-Belsen gebracht. Am nächsten Morgen startet der große Pulk, begleitet von der Polizei, auf seine längste Tagesetappe: 120 Kilometer lang ist die Fahrradstrecke nach Bremen. Am Sonntag, 3. Mai, geht es weiter zur Gedenkstätte Esterwegen bei Papenburg (114 Kilometer) und am Montag, 4. Mai, nach Westerbork (75 Kilometer). Die Reise endet am Dienstag, 5. Mai, mit dem Besuch der 75-Jahr-Feier der Befreiung der Niederlande in Assen. Noch am selben Tag bringen Busse die polnischen und deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Hause.
Das Projekt ist Bestandteil des Programms „Peace Line“ (Friedenslinie) des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge und wird unter anderem vom Deutschen Auswärtigen Amt gefördert. Wer mitfahren will, sollte mindestens 18 Jahre alt, geschichtsinteressiert und fit sein, die Idee eines internationalen Friedensprojektes unterstützen, Erfahrung mit Radtouren und Spaß daran haben, sich mit Menschen aus anderen Ländern auszutauschen. Ein Schlafsack wird benötigt, weil die Geschichtsreisenden vor allem in Schulen und Sporthallen übernachten, in Bremen unter anderem auch in der Jugendherberge. Ein eigenes Rennrad ist von Vorteil, aber keine Bedingung. Auf Kosten der Organisatoren können sich die jungen Erwachsenen auch Rennräder leihen. Der Transport der Räder und des Gepäcks, die Busfahrt von Bremen nach Bergen-Belsen und die Rückreise von Assen, Vollpension, medizinische und technische Unterstützung, pädagogische Begleitung, Unfallversicherung und Eintrittsgelder sind ebenso im Preis inbegriffen wie die Polizei-Eskorte.
Die Bildungsradtour ist eine logistische Herausforderung, auch weil ausgerechnet am 2. Mai Werder Bremen im Weserstadion gegen Bayern München spielt und die Rennradkolonne durch die Stadt zu den Quartieren geleitet werden muss. Dass Rennräder keine Fahrradständer haben und in großer Zahl sicher untergestellt werden sollen, ist dann nur ein Detail, mit dem sich Barbara Johr zu befassen hat. Unter anderem sucht sie Geschichtskundige, Profis wie Laien, die Führungen anbieten können, Freiwillige, die die Gäste zu den Treffpunkten in der Stadt geleiten, und vor allem Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Gerne hätte sie Schülerinnen und Schüler zum Mitmachen motiviert. „Aber 18-Jährige, die auf dem Gymnasium sind, sind Anfang Mai in der Abiturphase“, weiß sie. Und gleichaltrige Auszubildende stecken ebenfalls in ihren Prüfungen. Bleiben Studierende und alle anderen jungen Erwachsenen, die auf den Spuren der von den Nazis aus den Niederlanden Deportierten von Bergen-Belsen zurück nach Westerbork fahren wollen. Bewacht von Bremer Polizeibeamten, haben auch Anne und Margot Frank im Lager Westerbork einen Viehwaggon bestiegen. Wo ihre unfreiwillige Reise 1945 endete, beginnt 75 Jahre später die gemeinsame Erinnerung.
Weitere Informationen
Die Teilnahme an der fünftägigen Tour kostet 50 Euro. Anmeldungen bis 15. März per E-Mail an bjohr@nord-com.net. Dort kann sich auch melden, wer Führungen mit NS-Bezug anbieten oder eine der Gruppen durch Bremen begleiten will. Weitere Informationen gibt es auf
www.terugnaarwesterbork.eu.