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Heimatverein Lesum Geschichte soll spannend werden

Der Heimatverein Lesum will durch neue Angebote auch Jüngere für alte Dinge begeistern. Ziel ist, zeitgemäßer zu werden. Dazu gehören interaktive Projekte im Internet und ein Treffpunkt für Eltern.
22.02.2018, 17:28 Uhr
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Geschichte soll spannend werden
Von Julia Ladebeck

Lesum. Es ist ein Domizil mit Geschichte: Das Gebäude Alter Schulhof 11 wurde 1872 gebaut. Es war Schule, Schulmeisterhaus und diente bis Mitte der 1990er-Jahre dem damaligen Ortsamtsleiter Arnold Thill als Dienstwohnung. Seit dem Jahr 2000 gehört es dem Heimat- und Verschönerungsverein Lesum. Der nutzt es seither für seine Treffen und Angebote, hat hier ein Archiv und ein Museumszimmer untergebracht. Künftig möchte der Vereinsvorstand das Heimathaus, wie es genannt wird, noch mehr für die Stadtteilbewohner öffnen. Diese Idee ist eine von vielen, mit denen der Verein sich und seine Angebote nach und nach modernisiert.

Ziel ist es, zeitgemäßer zu werden, sich mehr an den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen im Stadtteil zu orientieren, um langfristig auch jüngere Mitglieder zu gewinnen. Dabei soll zwar Neues hinzukommen, Bewährtes aber bleiben. „Wir haben im vergangenen Jahr um ein Feedback von Lesumern gebeten. Darunter waren ganz bewusst auch Nicht-Mitglieder“, sagt Volker Bulling, der seit April 2017 Vorsitzender des Heimatvereins ist. Der 48-Jährige und seine Vorstandskollegen Klaus-Martin Hesse und Edith Ostendorff wollten herausfinden, wie der Verein im Stadtteil wahrgenommen wird, was die Menschen erwarten und was sie sich wünschen.

„Ein Kritikpunkt war, dass wir zu unsichtbar sind“, erzählt Bulling. Lob habe es ebenfalls gegeben. Nämlich für die Beteiligung des Vereins an öffentlichen Diskussionen, wie der um die Zukunft der alten Dorfschule in Burgdamm. Das will der Verein auch künftig tun: Sich zu Wort melden, wenn es um Themen geht, die das Interesse des Vereins und seiner Mitglieder betreffen. „Wir bieten uns dann auch gerne als Berater oder Vermittler an“, sagt Bulling.

Und schließlich bekam der Verein durch die Bitte um Feedback auch die Anregung für ein ganz neues Angebot: die Einrichtung eines Eltern-Kinder-Cafés im Heimathaus. Das startete, wie berichtet, am 13. Januar und soll künftig möglichst regelmäßig ­einmal im Monat stattfinden. Allerdings wird der Name noch einmal geändert, denn der neue Treffpunkt soll sich, anders als der bisherige Titel sagt, an alle Generationen richten.

Obwohl sich der Heimatverein moderner aufstellen will, sollen lange existierende Angebote, die vor allem von älteren Mitgliedern und Stadtteilbewohnern genutzt werden, bestehen bleiben. Zweck des Vereins, der mit Stand Dezember vergangenen Jahres 414 Mitglieder hatte, ist es, in gemeinnütziger Weise bei der Förderung des Heimatgedankens mitzuwirken und der Pflege der Landschaft zu dienen. Zum Wandel gehören eine Kombination aus Altem und Neuen sowie eine zeitgemäßere Präsentation des Vereins und seiner Projekte. So wurden bereits der halbjährlich erscheinende Programmflyer und die Internetseite moderner gestaltet.

Im Museumszimmer des Heimatvereins wird indes Altes bewahrt. Wahre Schätze befinden sich in dem kleinen Raum im Obergeschoss. Wer sich Zeit nimmt, entdeckt viele faszinierende Stücke, die an die Vergangenheit des Stadtteils, seine Bewohner und Gebäude erinnern.

Eine Seite des Raumes ist liebevoll mit Möbeln aus dem sogenannten Damenzimmer eingerichtet, das aus dem ehemaligen Schloss Mühlenthal der Familie von Baron Knoop stammt. Eingedeckt mit feinstem Porzellan auf einer antiken Tischdecke, wirkt das Ambiente, als könnten gleich die feinen Damen aus dem 19. Jahrhundert hereinkommen und sich an der Kaffeetafel niederlassen. „Das Kaffeegeschirr ist allerdings nicht aus dem Schloss“, betont Edith Ostendorff bei der Besichtigung.

Sie holt einen anderen, aus heutiger Sicht recht putzig wirkenden Trinkbehälter aus einer Vitrine. Darin ist auf einer Seite kurz unter dem Rand eine Art Porzellanriegel eingearbeitet. Schmunzelnd erläutert Edith Ostendorff die Funktion: „Das ist eine Barttasse. Sie soll den Bart des Herrn beim Trinken schützen.“ Durch diese Erklärung wird auch die Bedeutung der Aufschrift klar: „Zu schonen deinen schönen Bart, nimm diese Tasse eigner Art.“ Dieses Trinkgefäß stammt wiederum aus dem Haushalt der Familie Knoop im Schloss Mühlenthal.

An der Wand hängt ein Ölbild, das das Schloss zeigt. „Der Verein hat es erst im November geschenkt bekommen“, sagt Klaus-Martin Hesse. Es kommt immer wieder vor, dass Burglesumer dem Heimatverein Gegenstände schenken: alte Nähmaschinen, Gemälde, Vasen und Dokumente beispielsweise. „Auch Nachlässe werden uns immer wieder angeboten“, erzählt Hesse. Mittlerweile ist der Platz im Heimathaus allerdings so knapp, dass der Verein nicht alles, was ihm angeboten wird, auch annehmen kann.

Ein weiteres besonderes Stück im Museumszimmer ist ein Kinderhochstuhl aus dem Besitz der Familie Knoop. Mit wenigen Handgriffen lässt er sich zu einem kleinen Wagen umbauen, wie Edith Ostendorff demonstriert. Auf der anderen Seite des Museumszimmers steht ein Zigarrenmachertisch. Dieses Handwerk wurde vor 1900 besonders in Burgdamm viel betrieben. Aus einem Zeitungsartikel vom 26. Mai 1983 geht hervor, dass der Heimatverein damals regelmäßig Zigarrenmacher-Vorführungen für Schulkinder anbot. In einer kurzen Beschreibung, die der Heimatverein für das Museumszimmer erstellt hat, heißt es: „An dieser Bank saß der Zigarrenmacher Ludwig Schmidt schon mit vier Jahren. Er musste Tabakblätter aufrippeln. Mit zwölf Jahren war er schon Zigarrenmacher.“

Viele weitere Erinnerungsstücke zeugen von Geschäften, Unternehmen und Lokalen, „an die sich viele alte Lesumer noch gut erinnern können“, erzählt der Vereinsvorsitzende. Dazu gehören beispielsweise Schilder und Flaschen aus der ehemaligen Getränkehandlung „Vielstich“ und ein Werbeschild des Hotels „Deutsches Haus“, das unter dem Namen „Ei-Ei“ bekannt war. „Das Schild hing früher an dem Haus. Darauf stand: Ei-Ei, und du fährst vorbei?“, erläutert Volker Bulling, der selbst zum Heimatverein gekommen ist, weil er auf der Suche nach Informationen über das frühere Haus seiner Familie war.

„Bullings Eck“ wurde das Gebäude genannt, in dem seine Vorfahren eine Gaststätte, einen Kolonialwarenladen und später auch eine Bäckerei betrieben haben. Das Haus an der Lesumer Heerstraße 67 steht inzwischen längst nicht mehr. Ein Bild davon findet sich indes auf der Internetseite des Heimatvereins auf der Karte des Projekts „Was mal war“.

Die Idee dafür ist 2015 in der Foto- und Geschichtswerkstatt des Heimatvereins entwickelt worden. Die Werkstatt-Gruppe erstellt eine digitale, über das Internet abrufbare Karte, in der Gebäude, Betriebe, Straßen, Wege und andere Objekte im Stadtteil Burglesum dargestellt werden, die heute nicht mehr existieren. Online können Interessierte an der Entwicklung der Karte mitarbeiten, Informationen hinzufügen oder Hinweise zur genauen Lage und Geschichte von Gebäuden geben.

Ein weiteres, noch recht junges Projekt ist in Kooperation mit der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ entstanden. Im 14-tägigen Rhythmus bietet die Veranstaltungsreihe „Wikipedia vor Ort“ die Gelegenheit, sich über die Funktionsweise und den Aufbau von Wikipedia zu informieren sowie neue Einträge zu erstellen. Ebenfalls online einsehbar ist mittlerweile der Bibliotheksbestand mit mehr als 1000 Werken. Und auch die Motive des Heimatkalenders, der alljährlich vom Verein herausgegeben wird, sind im Internet zu sehen. Eine Karte zeigt, wo die jeweiligen Fotos entstanden sind.

Die Erfahrung zeigt: Die neuen Angebote des Vereins sprechen auch Jüngere an. Durch Veranstaltungen wie „Videodreh mit dem Smartphone“, der Ende vergangenen Jahres im Programm stand, schafft es der Verein, die jüngere Generation ins Heimathaus zu holen.

Der Vorstand hofft, auf diese Weise langfristig neue Mitglieder zu gewinnen. Für Vorschläge, neue Projekte und Ideen, die das Angebotsspektrum verbreitern, ist der Verein offen. Volker Bulling und die anderen Vorstandsmitglieder betonen: „Wer Vorschläge für neue Aktivitäten, Angebote oder Projekte hat, ist herzlich eingeladen, diese vorzubringen. Wenn es passt, wollen wir gerne versuchen, sie umzusetzen.“

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