Lesum. Beten könnte vielleicht helfen bei Werder-Spielen. Und passend dazu richtet die evangelische St.-Martini-Gemeinde in Lesum seit der letzten Saison ein Werder-Fan-Café ein, wenn die Bremer spielen. Doch die Blitzumfrage im Gemeindehaus zeigt: Glauben versetzt nicht immer Berge und bringt erst recht keine trägen Kicker in Bewegung. Das hat ein Stimmungsbild zur Gemütslage christlicher Fans nah dem 6:0 gegen die übermächtigen Bayern gezeigt. Am Sonntag, 11. September, geht es nachmittags gegen Augsburg
Das Debakel ist schon ein paar Tage her. In Minute 8.15 des Spiels darf Xabi Alonso vollkommen unbedrängt vom 16er aus sein Traumtor in den Winkel schießen. „Das war aber jetzt das letzte Tor für die Bayern,“ meint der zwölfjährige Jost Mießler. Als Robert Lewandowski in Minute 12.10 perfekt ins lange Eck zum 2:0 verwandelt, seufzt der Konfirmand nur: „Aber die zweite Halbzeit gehört Werder.“
Diakon Klaas Hoffmann ruft da lieber Richtung Beamer und Leinwand: „Leute, aufwachen jetzt.“ Ihm schwant, dass das gar nicht gut ausgeht für die Bremer. Er ahnt den Ablauf eines Werder-Spiels schon nach den ersten Minuten, steht bei den Heimspielen mit Dauerkarte in der Ostkurve: „Das ist ja jetzt eine fast komplett neue Mannschaft. Ich hoffe einfach mal, dass wir dieses Jahr nicht permanent gegen den Abstieg spielen müssen.“
Auch das Projekt in der Kirchengemeinde lebe schließlich von der Stimmung. Im vorentscheidenden Spiel etwa gegen Frankfurt seien zum Ende der vorigen Saison 70 Leute dagewesen. Diakon Klaas Hoffmann: „Fußball hat etwas mit Gemeinschaft zu tun, genauso wie Glauben etwas mit Gemeinschaft zu tun hat.“ Diesmal sind 20 Zuschauer da, die meisten aus der Jugendarbeit der Kirchengemeinde.
Stefan Harsdorf ist einer der älteren Gäste. Er trägt den Werderschal und meint, dass Werder in dieser Saison wieder ein echter „Zehner“, ein Spielführer, fehlt: „Wir hatten Leute wie Herzog, Micoud, Diego, Özil und jetzt? Max Kruse ist erst einmal für lange Zeit verletzt.“ Aber er sei kein Fußballexperte, sein Sohn Sönke auf dem Stuhl nebenan aber schon.
Bloß fällt dessen Werder-Analyse zwar detaillierter, aber nicht weniger düster aus: „Vom Potential der Mannschaft wäre ein Platz im Mittelfeld der Tabelle drin. Aber dazu braucht es eine andere Taktik und eine andere Einstellung: Zweikampfverhalten und Abstimmung fehlen vollkommen bei Werder, “ so Sönke Harsdorf. Viele der Vorbereitungsspiele seien schon so abgelaufen, Lotte und München nun nur der bittere Ernstfall. Immerhin sieht er Florian Kainz und Athanasios Petsos als gute Einkäufe und findet auch gut, dass Claudio Pizarro ein Jahr bei Werder drangehängt hat.
Matthias Pautzke besitzt zwar noch einen letzten Rest grünweißer Tapferkeit, dabei ist der Werderfan aber eigentlich Restlos restlos bedient: „Nach der letzten Saison ist unsere Leidensbereitschaft einfach aufgezerrt und wenn es dann schon wieder so losgeht wie jetzt, hast du sofort ein Dejavu zum letzten Jahr.“ Aus seiner Sicht war es ein Fehler ,Thomas Eichin und nicht das Trainerteam um Victor Skripnik vor die Tür zu setzen: „Eichin musste gehen, weil er keine Werder-Family-Card hatte und die nötigen Dinge auch einmal angesprochen hat. Darf man bei Werder nur noch als Double-Gewinner mit arbeiten?“ Viele Werderfans seien schwer genervt. Immerhin der Verpflichtung von Max Kruse kann er Positives abgewinnen.
Die gerade erst eingespielte Abwehr um Jannik Vestergaard für eine schwarze Null in der Bilanz zu verkaufen, sei noch so ein Kardinalfehler gewesen: „Jetzt haben wir eine Null auf dem Konto und behalten gleichzeitig null Punkte auf dem Punktekonto.“ Die Kommentare im Saal der christlichen Werderfans werden mit fortdauernder Spieldauer bissiger.
Diakon Klaas Hoffmann: „Wir bieten dieses Projekt hier im Gemeindehaus natürlich auch an in der Hoffnung, dass es zusammen schöne Werder-Bremen-Siege zu feiern gibt. Wenn Werder so weiterspielt, ist das schlicht auch schlecht für unser Projekt.“ Das Gemeindemitglied Annelie Adam rechnet vor, dass der Kirchenvorstand mit 1100 Euro für die Übertragungsrechte in Vorleistung gegangen ist: „Unsere Hoffnung war natürlich, auch neue Menschen von außen in die Gemeinde zu bringen und dass sich dieses Angebot durch Spenden tragen wird. Aber dazu müssen natürlich auch erst einmal Leute kommen, die sich für Werder interessieren. Und wenn die so spielen, wie heute? Na, ich weiß ja nicht.“
Nächstes Treffen gegen Augsburg
Klaas Hoffmann hat an diesem Abend auch noch Freunde mit ihren Kindern aus Berlin da, die gerne die Schuld auf sich nehmen wollen: „Wenn wir da sind, verliert Werder immer.“ Hoffmann schüttelt nur gefrustet den Kopf. Doch es heißt: Der Glauben stirbt zuletzt! Und so lädt Diakon Klaas Hoffmann für den 11. September wieder ein, zum nächsten Werder-Spiel gegen den FC Augsburg um 15.30 Uhr in den Gemeindesaal von St. Martini zu Lesum. Und vielleicht sollten schon jetzt ein paar Kerzen extra in der Kirche angezündet werden – kann ja nicht schaden.