Jedes Jahr um diese Zeit warte ich fiebrig gespannt darauf, dass mir mitgeteilt wird, wie glücklich ich im 0421-Land eigentlich bin. Dieser fraglos verantwortungsvollen Aufgabe hat sich die Süddeutsche Klassenlotterie angenommen, die für ihren Glücksatlas die Bewohner der 40 größten Städte im Land nach den Regeln der repräsentativen Statistik befragen lässt. So durften für das Ranking des Jahres 2025 exakt 23.468 Menschen im Alter von 16 bis 78 Jahren von ihrem freudigen oder aber bekümmerten Empfinden im jeweiligen Lebensumfeld berichten.
Mich hat zum – aha! – Glück keiner gefragt. Ansonsten hätte ich etwa zu berichten gewusst, dass ich mit der Glücksspielindustrie, dem ureigenen Sachgebiet der Süddeutschen Klassenlotterie, sehr unzufrieden bin. Weil ich jüngst zwar ein interessantes Immobilienangebot auf meiner ostfriesischen Sehnsuchtsinsel – der dritten von rechts – ausgemacht habe, die Lottogesellschaft mir aber beharrlich die Auszahlung der nötigen 1,3 Millionen Euro verweigert. Weil wir uns nie auch nur annähernd auf eine deckungsgleiche Zahlenfolge einigen können. Nun gut, das ist vermutlich Pech, erfüllt aber nicht den Tatbestand des Unglücks.
Dazu zählen andere Dinge. Manche Menschen werden zum Beispiel – Glückwunsch! – 96 Jahre alt. Um dann aber in Gröpelingen von Trickbetrügern in der eigenen Wohnung um ihren Schmuck erleichtert zu werden. Oder sie müssen als 100-jähriger Bremen-Besucher die Erfahrung machen, auf der Straße überfallen und ihrer Armbanduhr beraubt zu werden. Beides sind nur zwei Beispiele aus den Bremer Polizeimeldungen der jüngsten Vergangenheit. Und auch dann, wenn ich weder besondere Schmuckschätze zu Hause lagere noch sündteure Uhren in der Öffentlichkeit vorzuführen hätte, so haben sie unter dem Strich mein Glücksempfinden als Bewohner des 0421-Lands nicht eben gesteigert.
Das stellt zwar – ich bin ja nicht befragt worden, siehe oben – keine repräsentative Meinung dar. Und doch wundert es mich nicht, dass Bremen im Glücksatlas 2025 so eben noch im hinteren Mittelfeld landet. Genauer: auf dem 31. von insgesamt 40 Plätzen. Was nicht gut, aber insofern in Ordnung ist, als dass die Studienmacher der Stadt anhand gnadenlos objektiver Kriterien wie Einkommen und Beschäftigungslage exakt diesen Rang prophezeit hatten.
Und: So eine statistische Punktlandung hat republikweit sonst kein Gemeinwesen hingelegt. Weder im positiven Sinne, demzufolge die angeblich topglücklichen Kasseler allenfalls 15. hätten werden dürfen. Und auch nicht in negativer Hinsicht, weil das kreuzunglückliche Schlusslicht Rostock eigentlich einen viel optimistischeren Rang 19 im stabilen Mittelfeld hätte erreichen sollen. Auf Bremen aber ist in Prognose wie im wirklichen Leben Verlass. Na bitte, geht doch! So bin ich mit Platz 31 am Ende: einigermaßen glücklich.
Tagebucheintrag: Am Wochenende bekomme ich Besuch aus Dortmund. Die Westfalenmetropole gilt in der Studie als Overperformer, weil sie eigentlich auf dem letzten Platz des Rankings liegen müsste, tatsächlich aber anständiger 25. geworden ist. Wieso, weshalb, warum? Ich kriege das im Gespräch raus. Das fehlt mir noch zum Bremer Glück.