Mindestens 71 Tempo-30-Zonen oder Strecken führt Bremen ein, um damit die neue Straßenverkehrsordnung umzusetzen, mit der vor allem Kinder, kranke und alte Menschen vor Unfällen geschützt werden sollen (wir berichteten). Möglich sind sogar – je nachdem, was die Prüfungen an den einzelnen Standorten ergeben – bis zu 178 Stellen in der Stadt, an denen Auto- oder Busfahrer künftig auf die Bremse treten müssen.
Die Reaktionen auf die Pläne des Amts für Straßen und Verkehr sind überwiegend positiv. Ortspolitiker, Verbände von Verkehrsteilnehmern und die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) befürworten, dass sich durch die Tempolimits die Sicherheit erhöht. Auch, wenn viele der neuen Schilder mit dem Hinweis "30" an wichtigen Verkehrsadern – und es sind im Prinzip quer durch die Stadt alle dabei – stehen werden.
Für den Bereich Mitte/Östliche Vorstadt sind das zum Beispiel der Osterdeich in Höhe Sielwall und am Bürgerhaus Weserterrassen sowie die Straßen rund um das Klinikum Bremen-Mitte und am Dobben. In der Neustadt liegt der Ausgang der Kita Hohentor, in der rund 120 Kinder betreut werden, im Nahbereich der Langemarckstraße. Auch am Buntentorsteinweg liegen etliche der Einrichtungen, die künftig langsames Fahren erfordern; die Ost-West-Achse würde wohl in weiten Teilen zu einer Tempo-30-Zone.
In Schwachhausen wird das Tempo vor allem auf der Schwachhauser Heerstraße gedrosselt, wo mit dem Kippenberg-Gymnasium, der Hanseaten Residenz und dem Kindergarten "Martha Goldberg" drei "sensible Bereiche" nahe beieinander liegen. Eine ähnliche Situation gibt es an der Hermann-Böse-Straße rund um das Gymnasium. An der viel befahrenen Park- sowie an der Hollerallee wird es durch die Augenklinik, die Kita Stadtwichtel, die Kleinkindergruppe Laubfrosch und das Montessori-Kinderhaus ebenfalls neue Tempo-30-Strecken geben.
ADAC: Keine längeren Arbeitswege
Im Westen gehört die Grundschule an der Nordstraße zu den insgesamt 107 Einrichtungen, bei denen bis zum Ende des Jahres geprüft wird, ob die Gesetzeskriterien vorliegen. Gleiches gilt für das Diako an der Gröpelinger Heerstraße. Im Hemelingen, wo zu bisher bestehenden 43 Tempo-30-Zonen 14 hinzukommen könnten, geht es vor allem um Bereiche der Hemelinger und der Sebaldsbrücker Heerstraße.
Dass nun durch wesentlich mehr Tempo 30 innerhalb der Stadt auch wesentlich mehr Staus entstehen, glauben weder ADAC noch BSAG. "Tempo 30 hat nicht überall Folgen", sagt BSAG-Sprecher Andreas Holling. Ihm zufolge liegt die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der ein Bus in Vierteln wie der Östlichen Vorstadt unterwegs ist, bei 22 Stundenkilometern. Allerdings werden die Pläne wohl schon Auswirkungen auf die BSAG haben: Vor allem bei Linien wie der 25, die quer durch die Stadt fahren, würde eine Verlangsamung des Tempos bedeuten, dass der Fahrtakt nicht mehr zu halten wäre und zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt werden müssten. Holling: "Wir sind in enger Abstimmung mit dem Amt für Straßen und Verkehr. Es ist jetzt noch zu früh, um sagen zu können, was genau und welche Kosten es für uns bedeutet."
Die Sicherheit geht vor, so sieht es auch Dirk Matthies, Leiter Verkehr beim ADAC. "Wir gehen nicht davon aus, dass durch mehr Tempo 30 Arbeitswege extrem in die Länge gezogen werden", sagt er. Ähnlich schätzt Albrecht Genzel, Verkehrsreferent beim ADFC, die Lage ein, er spricht von drei bis vier Prozent der gesamten Zeit, um die sich eine Fahrt verlängern würde. Und die Akzeptanz der Bremer Autofahrer dafür sei da, betonen Auto-Experte Matthies wie auch Angelika Schlansky, Sprecherin vom Verein "Fuss". Matthies: "Vor allem, wenn man weiß, warum man langsamer fahren soll." Grundsätzlich sei aber zu überlegen, ob man die Beschränkungen zeitlich limitiere, also vor Schulen und Kita in den Abendstunden oder zu Ferienzeiten aufhebe.
Beifall für die Umsetzung kommt aus den Ortsämtern, das Thema wird in den Stadtteilen seit Langem befürwortet. "Wir haben lange darauf gewartet, von daher begrüßen wir, dass unsere Forderungen nun umgesetzt werden", sagt Annemarie Czichon, Ortsamtsleiterin Neustadt/Woltmershausen. Aber, das ist auch ein Thema, unter anderem im Beirat Hemelingen: Mehr Schutz für die schwächeren Verkehrsteilnehmer darf aus Sicht der Politiker nicht bedeuten, dass der öffentliche Nahverkehr darunter leidet.